Credit Suisse: In der Ruhe liegt die Kraft

António Horta-Osório, der neue starke Mann an der Spitze der Credit Suisse, hat wahrlich keine einfache Aufgabe vor sich. Die Erwartungen an seine Person sind gross. Dennoch ist die Ausgangslage für ihn günstig. Die krisengeschüttelte Schweizer Grossbank steht an einem Tiefpunkt. Es kann nur noch besser werden.

Ob der Neustart der Credit Suisse unter António Horta-Osório gelingt, wird sich erst noch weisen. Klar ist aber bereits jetzt, dass schmerzhafte Eingriffe nicht ausbleiben dürften. Auf dem Prüfstand steht namentlich das Investment Banking in den USA. Das scheint offenbar auch den vermeintlichen Regenmachern (siehe Begriffserklärung am Ende des Beitrages) in besagter Geschäftseinheit nicht verborgen geblieben zu sein. Medienberichten zufolge verlassen sie in grosser Zahl die Credit Suisse. Wie gross die Lücke ist, die sie hinterlassen, bleibt fraglich. Sicher ist, dass das Investment Banking aufgrund der beträchtlichen Bonus- und Bussenzahlungen der letzten Jahre für die Credit Suisse unter dem Strich ein Verlustgeschäft war. Insofern ist es richtig, den Hebel da anzusetzen, wo das Übel sitzt. António Horta-Osório tut dies offenkundig mit der gebotenen Ruhe und verzichtet dabei auf übereilte Schnellschüsse. Eine vollständige Abkehr vom Investment Banking, wie sie punktuell immer wieder vorschnell gefordert wird, ist faktisch nämlich keine Option. Eine neue Risikokultur, die ihren Namen verdient, hingegen schon.

Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten
Eine Bank, die vermögende Privatkunden, deren Reichtum oftmals aus einer unternehmerischen Tätigkeit herrührt, über ihren gesamten Lebenszyklus betreuen will, muss auch im Investment Banking leistungsfähig sein. Namentlich das Archegos-Debakel hat gezeigt, dass die Credit Suisse in diesem Bereich offenbar nicht auf der Höhe der Zeit ist – obwohl sie teures und vermeintlich hochkarätiges Personal rekrutierte. Der Ambitionslevel der Bankspitze war hoch. Man sah sich selber in einer Reihe mit Goldmann Sachs oder Morgan Stanley und in der Lage, auf höchstem Branchen-Niveau mitzuspielen. Eine masslose Selbstüberschätzung, wie sich gezeigt hat. Höchste Zeit also, den Geschäftsbereich personell und kulturell neu auszurichten. António Horta-Osório hat jetzt die einmalige Chance, Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren und das Investment Banking der Credit Suisse wieder auf eine vernünftige und stabile Basis zu stellen. Nicht mehr und nicht weniger wird von ihm erwartet. Er dürfte dabei besonnen und umsichtig agieren und das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.