Inside Bank Rupp & Cie – Chief Happiness Officer (CHO)

Inside Bank Rupp & Cie ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Chief Happiness Officer» ... oder wie man Kolleginnen und Kollegen glücklich macht.

«Geschätzte Mitglieder der Geschäftsleitung, ich begrüsse Sie zur heutigen Videokonferenz und erteile das Wort gleich Frau Kaufmann, die uns wieder einmal mit dem Thema Mitarbeiterzufriedenheit beglücken möchte», eröffnete Firmenchef Spalinger die Sitzung. Die schlechte Laune war ihm trotz mässiger Bildqualität deutlich anzusehen.

Lena Kaufmann, die oberste Verantwortliche des Bereichs Workforce Management, schüttelte den Kopf ob Spalingers unpassender Einleitung. Und das nicht zum ersten Mal, er schien bei diesem Thema völlig unempfänglich.

«Für mich ist das wirklich eine Herzensangelegenheit …», hielt die Personalverantwortliche höchst emotional dagegen, bevor sie mit ihren eigentlichen Ausführungen begann: «Im Grunde geht es hier um nichts anderes, als um die Förderung von Zufriedenheit und Glückseligkeit unserer Mitarbeitenden durch einen eigens dafür ernannten Chief Happiness Officer ...».

Dann wurde sie mitten im Satz brüsk unterbrochen.

«Die spinnt doch», kommentierte Spalinger für alle gut hörbar, da er vergessen hatte, sein Mikrofon stumm zu schalten.

Die Bilder auf den Monitoren erstarrten umgehend, und es brauchte eine Weile, bis sich wenigstens akustisch wieder etwas tat.

«Meier, ich glaube, Sie wollten etwas sagen?», bemerkte Spalinger einigermassen geistesgegenwärtig, während der stummgeschaltete Meier auf Bild drei mit wilden, aber wenig ergiebigen Gesten erfolglos seine Unschuld zu beteuern versuchte.

«Ich bitte alle, jeweils auf stumm zu schalten, wenn Sie keine Wortmeldung haben», sagte der Firmenchef darauf streng und besonders an Meier gerichtet.

In der Leitung herrschte betroffenes Schweigen. Alleine das hartnäckige Gebell von Spalingers Cocker Spaniel war jetzt noch zu hören.

«Ihnen allen ist bekannt, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden einen enormen Einfluss auf das Arbeitsergebnis und damit auch auf die Aussenwirkung der Bank hat», setzte Lena Kaufmann wieder ein. «Zufriedene Mitarbeitende ziehen zufriedene Kunden nach sich etc. etc. Das gilt ganz speziell in anspruchsvollen Zeiten wie diesen.» Sie legte eine ausgedehnte Kunstpause ein, bevor sie weiterfuhr. «Die Kernaufgabe eines Chief Happiness Officer ist es, jeden einzelnen unserer Mitarbeitenden zu mehr Freude an der Arbeit zu inspirieren ...», sagte sie, als sie bereits wieder unterbrochen wurde.

«Ganz nach dem Motto: Wünschst du dir einen Clown im Schrank, dann gehst du am besten gleich zur Bank», kalauerte Spalinger ins Mikrofon. Er begann, albern zu lachen und wartete absichtlich einen Moment zu, bis er wieder auf stumm schaltete.

Meier musste ebenfalls lachen. Natürlich musste Meier lachen. Aber weil er sich nicht sicher war, ob seine freudige Mimik wegen der schlechter gewordenen Bildauflösung angemessen zum Ausdruck kam, aktivierte er kurz sein Mikrofon, damit der Firmenchef ihn nun auch hören konnte.

Jetzt musste auch der nüchterne Finanzchef Schmidt schmunzeln, wenn Spalinger sich nicht täuschte. Möglicherweise lag es auch bloss am unscharfen Bild.

«Das ist eine absolut ernste Angelegenheit», bemerkte Lena Kaufmann genervt, ohne dass dies der allgemeinen Heiterkeit Abbruch tat. «Wir können uns nicht allen Strömungen verwehren, und der Chief Happiness Officer ist halt nun mal ein Trend, der vom Silicon Valley zu uns in die Schweiz hinübergeschwappt ist. Ob wir es wollen oder nicht», verteidigte sie ihr Anliegen noch ein wenig lauter und auch internationaler.

«Sagten Sie übergeschnappt?», fuhr Spalinger seiner Personalchefin bereits wieder ins Wort.

Daraufhin schienen alle zu grinsen, mit Ausnahme von Kaufmann natürlich. Selbst Risikochef Muntwyler kicherte leise vor sich hin. Und der COO musste sich vor lauter Lachen sogar vor seinem Stuhl erheben, so dass man sie deutlich sehen konnte: Meiers buntgestreifte Pyjamahose, die augenscheinlich nur wenig zu seinem klassischen Oberteil-Outfit passte.

«Liebe Kollegen, bitte …!», rief Lena Kaufmann jetzt leicht verzweifelt in die Kamera, während sämtliche Blicke starr auf Meier gerichtet waren, «alles, was ich mir für unsere Bank und unsere Mitarbeitenden wünsche, ist ein motivierter, kommunikativer und lebensfroher Chief Happiness Officer!»

Spalinger hatte weder Zeit und noch viel weniger Lust, sich diesem Theater länger auszusetzen. Kopfschüttelnd deaktivierte er die Stumm-Taste und klopfte mit dem Zeigefinger auf das Mikrofon, so dass es im virtuellen Raum sehr rasch sehr still wurde.

«Meier!», sagte er mit energischem, aber durchaus jovialem Ton, «… Sie haben den Job!»