Achtung vor der KI-Euphorie

Künstliche Intelligenz und ChatGPT dürften unsere Zukunft ähnlich stark verändern wie einst das Internet. Dennoch gilt es, in der Geldanlage einen nüchternen Blick bewahren.

Durch die anhaltenden Zinserhöhungen waren Technologieaktien im vergangenen Jahr stark unter Druck bis der Microsoft-Gründer Bill Gates eine «technische Revolution» ankündigte: «Sie wird verändern, wie Menschen arbeiten, lernen, reisen, Gesundheitsversorgung bekommen und miteinander kommunizieren», so Gates. Seither beflügelt die KI-Euphorie Aktien im Technologiebereich. Viele Aktien in diesem Sektor zählten im vergangenen Halbjahr zu den Besten. Zu Recht?

Es gilt einen nüchternen Blick auch in Zeiten von durch allzu viel Fantasie beflügelten Börsen zu behalten. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass häufig zu viel für Unternehmen bezahlt wird – deren Gewinnpotenziale sich erst einmal realisieren müssen.

Kubilay Yalcin, Portfolio Director Equities, Flossbach von Storch

Tatsächlich sind die Potenziale dieser neuen Technologie enorm. Allerdings stehen einige Anwendungsfälle, wie die von OpenAI popularisierten Sprachmodelle, noch am Anfang. Und die Historie hat gezeigt, dass bahnbrechende Technologien ihre Zeit brauchen – etwa beim Internet Anfang der 2000er Jahre. Noch schwieriger zu beantworten, ist die Frage nach den Gewinnern (und Verlierern).

Vergleichsfall Internet
Auch um die Jahrtausendwende flogen die Hoffnungen hoch – von den zehn grössten börsennotierten Unternehmen nach Marktkapitalisierung waren zu Beginn des Jahres 2000 sieben Technologie- oder Telekommunikations-Unternehmen. Damals elektrisierten die Möglichkeiten des Worldwide Web die Finanzmärkte. Doch nur fünf dieser sieben Unternehmen existieren heute noch. Bei vier der letztgenannten blieb die Aktienkursentwicklung vom 31.12.1999 bis zum 30.6.2023 weit hinter dem weltweiten Aktienindex MSCI World zurück. Einzig Microsoft-Aktien entwickelten sich in diesem Zeitraum deutlich besser – wobei es selbst hier eine langjährige Durststrecke gab. Deshalb gilt es für uns, den nüchternen Blick auch in Zeiten von durch allzu viel Fantasie beflügelten Börsen zu behalten. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass insbesondere in diesen Marktphasen häufig zu viel für Unternehmen bezahlt wird – deren Gewinnpotenziale sich erst einmal realisieren müssen.

Kontinuierliche Gewinne
Wir von Flossbach von Storch fokussieren uns seit Jahren auf die Aktien qualitativ hochwertiger Unternehmen. Und «Qualität» bedeutet für uns vor allem eine starke und möglichst gut vorhersehbare zukünftige Ertragsentwicklung. Es sind attraktive Geschäftsmodelle mit soliden Bilanzen, die bei Rückschlägen standhalten und sich in Krisenzeiten als robust erweisen sollten. Solche Qualitätsunternehmen finden wir weltweit und in vielen Sektoren – auch im Technologiebereich. Wir bevorzugen Unternehmen, bei denen wir die Gewinnentwicklung in der Zukunft überdurchschnittlich gut abschätzen können. Ein Hype, ein Modethema, selbst wenn die Kurse kurzfristig förmlich zu explodieren scheinen, wird ohne eine gründliche Analyse, noch lange nicht zu einem guten Investment. Diese Form des Portfoliomanagements unterscheidet sich von Spekulationen, die in der Regel viele Unsicherheiten beinhalten. Nicht zuletzt deshalb, finden sich stets nur eine begrenzte Anzahl von Aktien in unseren Portfolien. Denn nur erstklassige Unternehmen, die sich Jahr für Jahr in ihrem Markt behaupten, geben uns die Zuversicht, dass sie Krisenzeiten überstehen und ihre Gewinne langfristig mit einer Zuwachsrate oberhalb der Inflation steigern können. Dafür gehen wir mit einer strengen Bewertungsdisziplin, der notwendigen Geduld und einem klaren Blick für die langfristigen Werttreiber vor. Nur so haben unsere Kundinnen und Kunden die besten Chancen, über die Jahre vom genannten «Compounding» zu profitieren, also vom kontinuierlichen und letztlich exponentiellen Wachstum ihres angelegten Vermögens.

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