Trump 2.0: Von der Rhetorik zur Realität
Weil vor den Wahlen geäusserte Pläne oft verändert werden oder wegen notwendigen Kompromissen relativiert werden müssen, sind die folgenden Überlegungen mit Vorsicht zu geniessen. Vor den Wahlen war die Zeit der Rhetorik, nach den Wahlen kommt jedoch die Realität, der harte Alltag des politisch Möglichen. Die historische Erfahrung zeigt, dass vor den Wahlen Geplantes oder Versprochenes nicht immer so wie erhofft oder befürchtet umgesetzt werden kann.
In der Handelspolitik scheinen die von den Republikanern geplanten zusätzlichen Handelszölle weniger positiv für das Wirtschaftswachstum von Asien oder Europa als für das der USA («America First» lässt grüssen) – amerikanische Firmen haben also grössere Chancen, durch Zollerhöhungen eventuell Marktanteile zu gewinnen. Weniger bekannt, aber in den USA besorgniserregend ist die Tatsache, dass die illegalen Grenzübertritte in die USA unter Präsident Biden um über 300% zugenommen haben, weshalb die Republikaner diese natürlich begrenzen möchten. Das ist angesichts der «Billigkonkurrenz» infolge illegaler Immigration für amerikanische Bürger verständlich, kann jedoch im Agrar- oder Bausektor partiell zu weniger verfügbaren Arbeitskräften führen bzw. die Löhne in diesen Branchen erhöhen, was eventuell die Inflation temporär beeinflussen könnte.
Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki BaumannEs wird interessant zu sehen, ob nach der Rhetorik des Wahlkampfs auch wirklich die Realität der Rhetorik folgen kann.
Wichtiger ist jedoch, dass vom republikanisch dominierten Kongress unter der ersten Präsidentschaft von Trump sowohl die amerikanischen Einkommens- wie auch die Unternehmenssteuern deutlich gesenkt wurden. Das 2017 beschlossene entsprechende Gesetz, der «Tax Cut and Jobs Act», läuft Ende 2025 aus, könnte aber, wenn sich eine Mehrheit im amerikanischen Kongress dafür findet, verlängert werden. Sollte dies der Fall sein oder sogar noch eine weitere Senkung der Unternehmenssteuern beschlossen werden, wäre dies wohl ein positiver Faktor für amerikanische Aktien, da tiefere Steuern zu höheren Unternehmensgewinnen beitragen. Zudem könnte das amerikanische Wirtschafts- und Gewinnwachstum vom höheren Konsum der von weiterhin tiefen Steuern profitierenden wohlhabenderen Amerikaner nach oben beeinflusst werden. Im Gegenzug wären mögliche von Donald Trump durchgesetzte Zollerhöhungen wachstumsbremsend, was aber vom Ausmass der Zollerhöhung abhängt. Auch hier könnte der heftigen Rhetorik vor den Wahlen eine moderatere Realität nach den Wahlen folgen, also weniger extreme Zollerhöhungen. Generell können Zollerhöhungen eine Rolle für die relative Kursentwicklung regionaler Aktienmärkte spielen. Das heisst, dass bei erhöhten Zöllen chinesische oder andere asiatische und eventuell europäische Firmen gegenüber amerikanischen Aktiengesellschaften Nachteile bekommen, insbesondere wenn es ihnen nicht möglich ist, die Zollerhöhungen über Preiserhöhungen auf die Kunden abzuwälzen. Hier könnte sich potenziell ein allerdings wohl temporär entstehender Inflationsanstieg via Preiserhöhungen zeigen, was für Teile der amerikanischen Anleihen Kursveränderungen nach unten und Renditeänderungen nach oben auslösen kann. Ähnlich wirken könnte ein Anstieg des Budgetdefizits, falls tiefere Steuern zu weniger Staatseinnahmen führen – ausser sie würden durch Zollerhöhungen oder geringere Regierungsausgaben klar kompensiert. Es gilt hier aber klar festzuhalten, dass das US-Budgetdefizit unter Präsident Biden weit höher ausfiel als in der ersten Amtszeit von Donald Trump. Je nach dem Ausmass der noch zu bestimmenden Steuer- und Zollveränderungen sind also Renditeveränderungen bei amerikanischen Anleihen denkbar, auch da die Zinssenkungen bei geringerem Inflationsrückgang eventuell weniger deutlich ausfallen dürften. Weniger US-Zinssenkungen könnten auch durch ein stärkeres Wirtschaftswachstum dank tieferer Steuern verursacht werden, was insgesamt auch den US-Dollar mittelfristig wohl beeinflussen könnte über mehr Wachstum- und Zinsdifferenz gegenüber der Eurozone.
Insgesamt ist also durchaus denkbar, dass amerikanische Aktien je nach Details der kommenden Gesetzgebung sowohl gegenüber amerikanischen Staatsanleihen als auch gegenüber Aktien der Eurozone oder Asiens unter einem Präsidenten Donald Trump relativ bevorteilt werden können, ganz im Sinne der «America First»-Politik. Je nach Veränderung der Aussenpolitik mit vielleicht auch überraschenden Wendungen im Sinne des «Dealmakers» Trump, der Abkommen sucht, welche den Interessen der USA entgegenkommen, könnten bei wohl höherer Volatilität in Zukunft diversifizierende Anlageklassen wie Privatmarktanlagen, Gold oder andere Rohstoffe und eventuell Krypto-Anlagen wie Bitcoin in der Folge eine höhere Nachfrage sehen. Innerhalb der Aktienbranchen kommt es auf die Veränderung der Regulierung in den USA an. Traditionell sind die Republikaner, wie die historische Erfahrung besonders unter Ronald Reagan gezeigt hat, für weniger Regulierung, was den Firmen der Technologie-, Finanz- und Energiesektoren oder der Verteidigungsindustrie in der Vergangenheit oft mehr geholfen hat als Firmen im Bereich der alternativen, nichtfossilen Energien.
Wenn man übrigens historisch betrachtet, wie US-Aktien unter republikanischen oder demokratischen Präsidenten abgeschnitten haben, sieht man, dass es weniger auf die Regierungspartei als auf die Frage ankam, ob es in der Amtszeit eine Rezession gab oder eben nicht. Für die Finanzmärkte ist letztlich die generelle Entwicklung der Wirtschaft historisch weit wichtiger als die politische Partei, welche die US-Regierung anführt. Es bleibt daher weiterhin überaus spannend an den internationalen Finanzmärkten.