22 Jahre nach dem Platzen der Internet-Blase

Vor über 20 Jahren kam es zum berühmten Platzen der Technologie-/Internet-Blase. Vom Jahr 2000 bis zum Frühjahr 2003 waren die globalen Aktienmärkte gezeichnet von der Korrektur der IT-Aktien, auch Dotcom-Bubble genannt. Gibt es in der Korrektur der Aktien seit Beginn 2022 Parallelen zur grossen Korrektur vor 22 Jahren? Was sind die Unterschiede?

Die Situation einer grossen Aktienkorrektur ist heute ähnlich. Wie sagt man so oft: «Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie reimt sich.» In jedem Fall sollten fundamentale Faktoren bei Anlageentscheidungen Vorrang gegenüber Modetrends haben. Stabilität und Qualität sollten weiterhin Priorität geniessen.

Vor einiger Zeit haben wir die Charakteristiken von Aktien des allgemein bekannten «Value»- und «Growth»-Stils miteinander verglichen. Dabei hatten wir auf das Aufholpotenzial von «Value»-Aktien hingewiesen, was sich als durchaus richtig erwiesen hat. Inzwischen ist einige Zeit vergangen und verschiedene der «Growth Highflyer»-Firmen aus den IT‑/Internetsektoren haben im Jahr 2022 quasi den Moment der Wahrheit erlebt. Oder anders gesagt können sich halt auch bekannte Internet- beziehungsweise Technologieaktien aus den USA nicht ewig dem Gesetz der Gravitation entziehen.

Wie schon vor 22 Jahren hat der Herdentrieb bei einigen IT-Aktien wieder zu grossen Übertreibungen geführt.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann

Das hatten wir schon mit den chinesischen Internetaktien erlebt, die ebenfalls nach einer langen Phase von sehr hoher Bewertung sozusagen von der Schwerkraft eingeholt wurden. Warum hat es nun auch die US-Technologieaktien des «Growth»-Stils erwischt? Gibt es Parallelen und Unterschiede zum grossen Platzen der Internet-/Technologie-Bewertungsblase vor 22 Jahren?

Ähnlich wie im Jahr 2000 bildete sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie 2020/21 eine historisch sehr starke Ausweitung der Bewertung bei Internetaktien, vor allem bei den sogenannten FAMAG-Firmen, als die Nachfrage nach Internet-Technologie durch das Arbeiten von zu Hause aus zunahm. FAMAG steht als Abkürzung für Facebook (nun Meta genannt), Amazon, Microsoft, Apple und Google, oft wird statt Microsoft auch Netflix dazugenommen, dann wird die Gruppe FAANG genannt. All diesen Firmen gemeinsam war, dass sie seit den Corona-Wellen vom Marktkonsens und von Analysten mit zu hohen Wachstumsfantasien ausgestattet wurden punkto Gewinn- und Umsatzentwicklung – sogar als sich die Pandemie bereits zurückbildete. Im vierten Quartal 2022 jedoch kam dann der Moment der Wahrheit, als das globale Wirtschaftswachstum abflachte, die Zinsen anstiegen und viele Technologie- beziehungsweise Internetfirmen die vom Marktkonsens hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnten. Die Resultate und der für die Zukunft gegebene Ausblick dieser «Highflyers» enttäuschten in der Folge daher deutlich.

Wie schon vor 22 Jahren hat der Herdentrieb bei einigen IT-Aktien wieder zu grossen Übertreibungen geführt, die vielleicht noch nicht vollständig korrigiert worden sind. Am meisten erwischte es Facebook beziehungsweise Meta, aber auch andere Unternehmen korrigierten deutlich. Dies zeigt, dass der klassische Ansatz der fundamentalen Analyse von Stabilität in der Entwicklung bei Bilanz und Geschäftsgang unersetzlich ist. Zwar waren zu Beginn 2022 die Internetaktien nicht ganz so hoch bewertet wie im Jahr 2000, aber fast, wie ein Vergleich des Dow-Jones-Internetindex oder des Technologieindex Nasdaq zeigt. Den vom Analystenkonsens im Voraus geschätzten Firmengewinnen zu vertrauen ist immer gefährlich, das war schon vor 22 Jahren nicht anders. Gleichzeitig zeigt(e) sich ebenfalls wie in den Jahren 2000 bis 2003 ein Comeback der sogenannten «Old Economy» gegenüber der «New Economy». Firmen von traditionellen Wirtschaftsbranchen der «Old Economy» wie Gesundheitswesen oder Energie konnten im Geschäftsgang eher überzeugen und sich in einem schwierigeren Konjunkturumfeld bei höheren Zinsen als vor 2022 besser halten.

Für die Zukunft gilt es weiterhin auf eine präzise fundamentale Analyse zu setzen und auf die Stabilität in der Bilanz und im Geschäftsgang zu achten. Die Phase schwächeren Wirtschaftswachstums und steigender Zinsen ist noch nicht vorüber. Firmen mit hoher Bewertung erhalten bei steigenden Zinsen generell mehr Gegenwind. Durch höhere Zinsen sinkt der Gegenwartswert vor allem von Aktien mit weit in der Zukunft liegenden Cashflows, die dann eben mit höheren Zinssätzen abdiskontiert werden müssen. Bei schwierigeren Konjunkturbedingungen und steigenden Zinsen werden Aktien mit zu konjunktursensitivem Geschäftsgang vom Markt abgestraft, jedoch Firmen mit Stabilität in der Bilanz und im Geschäftsgang vom Markt eher belohnt. In diesem Sinne gilt es nun erst recht auf Qualität im Sinne dieser Stabilität bei Anlagen zu fokussieren und auch auf eine vernünftige Bewertung zu achten, denn das konjunkturelle Umfeld wird nicht einfacher werden.

Hauptbildnachweis: Pixabay