Warum Anleger auf B-Ratings setzen sollten

Auch wenn der Zinsgipfel bald erreicht sein dürfte, könnten die Leitzinsen noch eine Weile auf hohem Niveau stagnieren. Anleiheinvestoren sollten sich in diesem Umfeld auf die mittleren Ratingklassen fokussieren.

Nachdem die grossen Notenbanken lange Zeit die Beschlüsse der geldpolitischen Sitzungen im Voraus signalisierten, sind sie inzwischen in einen datengetriebenen Modus übergegangen. Auch wenn der Zinsgipfel nah scheint, sind weitere Zinserhöhungen nicht auszuschliessen – Zinssenkungen hingegen schon.

Ich rechne nicht damit, dass die Zinsen bereits Anfang 2024 gesenkt werden.

Laurent Gorgemans, Global Head of Product Management, Nordea Asset Management

Auch wenn der Inflationsdruck deutlich zurückgegangen ist, könnte sich der Weg zum Zweiprozent-Ziel als lang und holprig erweisen. Ich rechne daher nicht damit, dass die Zinsen bereits Anfang 2024 gesenkt werden. Zudem haben die Finanzmärkte in letzter Zeit begonnen, sich mit dem Gedanken längerfristig höherer Zinsen zu befassen. Das spiegelt sich im Anstieg der langfristigen Renditen wider, die in den USA sogar neue 16-jährige Höchststände erreicht haben. Natürlich werden die langfristigen Renditen nicht nur von den Aussichten der Zentralbanken bestimmt. Sowohl die Fed als auch die EZB bauen ihre Anleihebestände ab, während die Staatsdefizite hoch bleiben. Das bedeutet, dass private Anleger viel mehr Anleihen kaufen müssen als lange Zeit zuvor. Auch die Wachstumserwartungen haben die Anleiherenditen nach oben getrieben, zumal das Risiko einer Rezession in den USA inzwischen als weniger wahrscheinlich gilt als zuvor. Insbesondere in den USA könnten die Anleiherenditen für mehrere Jahre über 4 Prozent liegen, während eine Rückkehr zu der langen Zeit extrem niedrigen Renditen im Euroraum ebenfalls nicht in Sicht ist.

Europäischer Dienstleistungssektor verliert an Schwung
Die Gesamtinflation ist in fast allen westlichen Ländern weiter deutlich zurückgegangen. Dies ist jedoch vor allem auf den Rückgang der Energiepreise und die Stabilisierung der Nahrungsmittelpreise zurückzuführen. Gleichzeitig ist der Rückgang der Kerninflation wesentlich moderater ausgefallen und liegt in vielen Ländern immer noch deutlich über den Zielvorgaben der Zentralbanken. Für die Zukunft erwarte ich einen weiteren Rückgang der Gesamtinflation. Ein Grund dafür ist die Energie. Ich gehe nicht davon aus, dass der Ölpreis in naher Zukunft wesentlich die Inflation befeuern wird. Auch wenn es gewisse Angebotsbeschränkungen gibt, die einen Aufwärtsdruck auf den Ölpreis ausüben könnten, dürften die schwachen globalen Aussichten eine dämpfende Wirkung entfalten. In Europa sprechen die vollen Gasspeicher und die langfristigen Wettervorhersagen, die einen milden Winter erwarten lassen, für eher stabile Energiepreiserwartungen.

Gefragt sind Anlagelösungen, die ein attraktives Renditeniveau von über 3 bis 4 Prozent bieten und gleichzeitig gut gerüstet sind, um eine mögliche Konjunkturabschwächung oder eine Verschlechterung der Kreditstimmung zu überstehen.

Laurent Gorgemans

Auch die schwache globale Nachfrage dämpft die Inflation. Zusammen mit den stabilen Energiepreisen hat sie dazu geführt, dass der Druck auf die Erzeugerpreise moderat war und bleiben dürfte. Aufwärtsdruck auf die Inflation könnte einerseits vom US-Arbeitsmarkt kommen, der nur moderate Anzeichen einer Abkühlung zeigt. Andererseits wurden in vielen Ländern des Euroraums historisch hohe Lohnerhöhungen vereinbart. Da ich jedoch mit einer anhaltenden Nachfrageschwäche rechne, ist davon auszugehen, dass nicht alle Unternehmen in der Lage sein werden, die steigenden Lohnkosten in vollem Umfang weiterzugeben, und dass sich der jüngste Anstieg der Gewinnspannen der Unternehmen wieder umkehren wird. Die jüngsten Einkaufsmanagerindizes deuten zudem darauf hin, dass das Wachstum nun auch im europäischen Dienstleistungssektor an Schwung verliert. Das könnte den Weg hin zu geringeren Lohnsteigerungen und einer niedrigeren Inflation ebnen. Aufgrund des zentralisierten Lohnverhandlungssystems wird sich dieser Prozess jedoch nur langsam vollziehen und die EZB wird Geduld aufbringen müssen, um die Geldpolitik nicht zu sehr zu straffen, wenn es darum geht, die hartnäckig hohe Inflation zu bekämpfen.

Cross Credit bietet attraktive risikoadjustierte Renditen
Nach dem drastischen Ausverkauf im vergangenen Jahr und angesichts der Anzeichen auf eine vielerorts nachlassende Inflation ist davon auszugehen, dass sich die Zinsen in den kommenden Monaten auf einem Plateau einpendeln werden, da die EZB kurz vor dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus steht. Die Zinsen könnten jedoch noch eine Weile stagnieren. Das führt zu einer bittersüssen Situation an den Kreditmärkten: Unternehmensanleihen bieten Rekordrenditen in allen Ratingkategorien und können so die hohe Inflation etwas ausgleichen. Doch die hohen Zinsen könnten in den kommenden Quartalen eine Rezession in Europa auslösen. Vor diesem Hintergrund sind Anlagelösungen gefragt, die ein attraktives Renditeniveau von über 3 bis 4 Prozent bieten und gleichzeitig gut gerüstet sind, um eine mögliche Konjunkturabschwächung oder eine Verschlechterung der Kreditstimmung zu überstehen. Genau das könnten die mittleren Ratingklassen (BBB, BB, B) im Vergleich zum breiteren Kredituniversum bieten. Da sich die Anleihen an der Grenze zwischen den Investment-Grade- und High-Yield-Segmenten befinden, wird das Cross-Credit-Segment immer attraktiver, da es eine Mischung aus Durations- und Spread-Risiko bietet und ein ausgewogenes Risikoprofil bei gleichzeitig attraktiven Renditen ermöglicht. Darüber hinaus handelt es sich um ein Anlagesegment, in dem die Streuung in jüngster Zeit enorm zugenommen hat – nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl von Ratingänderungen in den letzten Jahren.

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