Unterschätzte Dividendenperlen im Nahen Osten

Für Anleger, die verlässliche Einkünfte mit solidem Wachstumspotenzial verbinden möchten, könnte es an der Zeit sein, den Blick über die üblichen Schwergewichte in den USA und Europa hinaus zu richten – hin zu dividendenstarken Aktien in Schwellenländern, darunter auch im Nahen Osten.

Mein kürzlicher Besuch im Oman brachte mehr als nur günstigen Wind zutage. Die Infrastruktur des Landes entwickelt sich rasant – modern, ambitioniert und überraschend nachhaltig. Dennoch sind die Aktienmärkte des Nahen Ostens stark unterrepräsentiert. Die Region macht weniger als sieben Prozent des MSCI Emerging Markets Index aus und wird häufig von Schlagzeilen zu Öl, Makroökonomie und Geopolitik überschattet. Die aktuelle Investmentlandschaft ist noch immer stark auf die USA fokussiert: Während die USA in den 1980er-Jahren rund ein Drittel des MSCI All Country World Index (ACWI) ausmachten, sind es heute fast zwei Drittel. Schwellenländer hingegen stellen derzeit nur etwa zehn Prozent. Dieses Ungleichgewicht in der Kapitalallokation könnte bald der Vergangenheit angehören.

Der blinde Fleck im Anlegerverhalten
Viele Investoren folgen der Wachstumsstory – getrieben von Technologiegiganten, passivem Investieren und globalen Megatrends. Dabei übersehen sie oft eine entscheidende Komponente: Einkünfte durch Dividenden. Schwellenländer sind längst keine reinen Wachstumsstorys mehr. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Zahl der dividendenzahlenden Unternehmen dort dramatisch zugenommen. Heute schütten rund 85% der EM-Unternehmen Dividenden aus – ein Niveau, das mit den entwickelten Märkten vergleichbar ist. Fast 40% dieser Unternehmen bieten Dividendenrenditen von über 3%. Überraschend ist, dass diese Dividenden nicht nur von etablierten Konzernen stammen. Viele dieser Unternehmen sind dynamisch, verfügen über solide Bilanzen, starken Cashflow und robustes Wachstum – in Sektoren von Technologie und Infrastruktur bis hin zu Konsumgütern.

Warum Dividenden zählen
Dividenden sind mehr als nur regelmässige Ausschüttungen – sie sind ein Treiber der langfristigen Gesamtrendite. Die Dividendenrenditen in Schwellenländern gehören seit dem Jahr 2000 zu den höchsten weltweit. Die Gesamtrendite setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Kursgewinnen (z.B. Gewinnwachstum) und Dividenden. In den EMs hat diese Kombination ein überzeugendes Bild gezeichnet – mit einer durchschnittlichen Dividendenwachstumsrate von rund 12% pro Jahr seit Beginn des Jahrhunderts.

Saudi-Arabien, VAE, Katar und Oman mit Potenzial
Märkte wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – die liquidesten und investierbarsten der Region – beheimaten einige hochdividendenstarke Unternehmen mit solidem Wachstumspotenzial. Selbst in rohstofflastigen Volkswirtschaften ist gezielte Titelauswahl möglich – mit Fokus auf Unternehmen, deren Fundamentaldaten den makroökonomischen und geopolitischen Gegenwind überwiegen können.

Anleger sollten ihre geografischen Vorurteile überdenken.

Paola Bissoli, Director Business Development, Aberdeen Investments

Saudi-Arabien profitiert von sozialen Reformen und demografischen Veränderungen. Eine wachsende Konsumentenschicht macht Unternehmen wie die Saudi National Bank (SNB) und Alkhorayef Water & Power Technologies zu interessanten Kandidaten – Letztere ist im Bereich essenzieller Wasser- und Abwasserinfrastruktur tätig.

Die Vereinigten Arabischen Emirate zeichnen sich durch eine liberale Wirtschaft und internationale Ausrichtung aus. Ein Paradebeispiel ist Empower (Emirates Central Cooling Systems Corporation), ein Anbieter von Fernkühllösungen mit ambitionierter Dividendenpolitik. Rund 70% des Stromverbrauchs der VAE entfallen auf Kühlung – was die Relevanz des Unternehmens unterstreicht. Der lokale IPO-Markt gewinnt ebenfalls an Dynamik; ein Teil des Indexwachstums wurde durch Börsengänge neuer Unternehmen getrieben.

Katar bietet interessante Chancen im Zusammenhang mit dem Wachstum von LNG als Übergangsbrennstoff. Zu nennen sind hier Nakilat (Qatar Gas Transport Company Ltd.), die weltweit LNG-Tanker betreibt, sowie Milaha (Qatar Navigation), aktiv in Logistik, Schiffsreparatur und Hafenservices.

Im Oman, noch ein Frontier-Markt, zeigen sich erste Anzeichen für Aufschwung. Geplante Börsengänge staatlicher Unternehmen, insbesondere aus den Bereichen Energie und Logistik, könnten für langfristig orientierte Anleger, die früh einsteigen wollen, attraktiv sein.

Über den Tellerrand hinausblicken
Anleger sollten ihre geografischen Vorurteile überdenken. Die Kombination aus hohen und wachsenden Dividendenrenditen, soliden Unternehmensfundamentaldaten und steigender regionaler Bedeutung macht Einkünfte aus Schwellenländern zu einer überzeugenden Quelle für Gesamtrenditen – weit über die traditionelle Wachstumsstory hinaus. Der Nahe Osten ist dabei besonders interessant: eine unteranalysierte und unterinvestierte Region, die einen einzigartigen Mix aus strukturellem Wandel (z.B. Diversifizierung weg vom Öl), dynamischer Bevölkerung, staatlich unterstützter Marktentwicklung und börsennotierten Unternehmen mit sowohl Wachstums- als auch Dividendenpotenzial bietet.