GenKI: Wall Street-Analysten zeigen sich skeptisch und fordern nachweisbare Erträge
Während Technologiekonzerne wie Google, Microsoft und Meta langfristig orientiert Milliarden in die Entwicklung und das Training neuer GenKI-Modelle investieren, zeigen sich Wall Street-Analysten skeptisch bezüglich der Rentabilität dieser Investitionen und fordern kurzfristige, nachweisbare Erträge und Effizienz angesichts steigender Kosten.
Wenn Larry Page, Gründer von Google und Technologievisionär, sagt: «I am willing to go bankrupt rather than lose this race», denkt er nicht an Sport. Er spricht von der vermutlich folgenreichsten technologischen Entwicklung unserer Zeit – Generative Künstliche Intelligenz. Während Diskussionen über eine mögliche Rezession in den USA die globalen Schlagzeilen dominieren, tobt im Hintergrund ein Kampf der Tech-Titanen. Microsoft, Meta, Google und xAI planen immer grössere, immer teurere Rechenzentren, um die nächste Generation von GenKI-Modellen zu trainieren. xAI baut derzeit eines der grössten GPU-Cluster der Welt, genannt Colossus, um die nächste Generation seines GenKI-Modells «Grok» zu trainieren. Colossus kombiniert 100‘000 Nvidia GPUs der aktuellen Hopper-Generation miteinander. Während OpenAI seinerzeit rund 100 Tage benötigte um ChatGPT 4 zu trainieren, würde dieses Cluster nach unseren Berechnungen weniger als eine Woche dafür benötigen.
Silicon Valley versus Wall Street
Während die «Magnificent Seven» Milliarden investieren, stellen renommierte Investoren die langfristige Rentabilität der Ausgaben in Frage. Dieser wachsende Gegensatz zwischen den Innovationsschmieden des Silicon Valley und der kapitalmarktgetriebenen Rationalität an der Wall Street hat sich bereits im Sommer in sinkenden Aktienkursen niedergeschlagen. Dabei hinterfragen Investoren nicht das Potenzial von GenKI, sondern fürchten eine spekulative Euphorie, die erhebliche finanzielle Verluste für Investoren nach sich ziehen könnte.
Perspektive der Technologiekonzerne
In den Augen von Page, Musk, Zuckerberg & Co. ist GenKI eine Allzwecktechnologie (General Purpose Technology) vergleichbar mit der Einführung der Elektrizität, deren disruptives Potenzial man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Ein grundlegender Wandel in der Interaktion zwischen Technologie, Nutzern und Daten. Wer in diesem Bereich die Führung übernimmt, wird die Innovationslandschaft der Zukunft dominieren – ein Rückstand könnte den Verlust jahrelang aufgebauter Wettbewerbsvorteile bedeuten.
Marcel Oldenkott, Co-Chief Investment Officer, BIT CapitalMicrosoft, Meta, Google und xAI planen immer grössere, immer teurere Rechenzentren, um die nächste Generation von GenKI-Modellen zu trainieren.
Dieser Einschätzung liegt die Beobachtung von bzw. der feste Glaube an die Nachhaltigkeit von Skalierungsgesetzen zu Grunde. Die Forschung an neuronalen Netzen, der Technologie auf der GenKI basiert, zeigt, dass je mehr Rechenleistung und Daten man dem Modell zur Verfügung stellt, desto besser werden die Ergebnisse, im Folgenden illustriert am Beispiel der Abnahme des Testverlusts. Kurz gesagt: Je mehr Ressourcen in das Training eines Modells investiert werden, desto höher ist dessen Leistungsfähigkeit. Dieser Zusammenhang war im Entwicklungssprung von ChatGPT 3 auf ChatGPT 4 ganz deutlich zu beobachten – OpenAI konnte die Leistungseigenschaften des Modells auf Basis dieser Mathematik sogar vorhersagen, sodass Page, Musk, Zuckerberg & Co. sich bestätigt fühlen und nun in das Training der Modelle der nächsten Generation investieren.
Skalierbare Sprachmodelle: Die Bedeutung von Rechenaufwand, Datengrösse und Parameteranzahl
Doch welche kommerziellen Aspekte begeistern die CEOs der grossen Technologieunternehmen? Der wohl entscheidendste Aspekt ist, dass GenKI-Modelle ein Musterbeispiel für eine sogenannte «Plattform- Technologie»sind. Die Modelle lassen sich leicht auf unterschiedliche Aufgaben und Branchen anwenden, ohne dass tiefgreifende Anpassungen des Modells oder monatelange «Costumization»-Projekte nötig sind. Ähnlich wie beim Cloud-Computing bieten die Modelle eine Basisinfrastruktur, die leicht durch spezifische Anwendungen erweitert und ergänzt werden kann. Dadurch können sie zahlreiche Nutzer und Anwendungsfälle bedienen und eine breite Adoptionsbasis entwickeln.
Perspektive der Wall Street-Analysten
Auch wenn Investoren weiterhin die Chancen von GenKI sehen, rücken nun verstärkt die Risiken derartiger Investitionen in ihren Blick. Die Kritik der Wall Street dreht sich im Wesentlichen um zwei Kernpunkte. Zum einen gebe es bisher zu wenige GenKI-basierte Anwendungen oder Softwareprodukte, die substanziell zur Umsatzsteigerung der jeweiligen Unternehmen geführt hätten und somit die hohen Investitionsausgaben nicht gerechtfertigt seien. Der Kapitalmarkt fordert klar erkennbare Ertragssteigerungen. Zum anderen wird das strategische Horten von GPUs, insbesondere bei grossen Datencenterunternehmen wie Microsoft (Azure) oder Amazon (AWS), zunehmend kritisch gesehen. In Kombination mit der rasant fortschreitenden Verbesserung der Chips durch Nvidia könnte dies zu einem starken Preisverfall der GPU- Miete führen. Dies würde wiederum bedeuten, dass die hohen Ausgaben für GPUs der aktuellen Hopper- Generation sich nicht amortisieren.Angesichts des immensen Fortschritts und des drohenden Überangebots stellen Investoren die Nachhaltigkeit der Ausgaben infrage und verlangen mehr Flexibilität seitens der Unternehmen, um auf die Entwicklungen zu reagieren und ihre Infrastruktur effizient zu skalieren.
Evidenz
Trotz der geäusserten Skepsis einiger Wall Street-Analysten gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die ersten Renditen der Investitionen in GenKI bereits sichtbar sind. Auch wenn die spezifischen GenKI- generierten Umsätze in den Quartalsberichten der grossen Technologieunternehmen nicht direkt erkennbar sind, zeigen die Wachstumsraten beim Return on Invested Capital (ROIC), dass die grossen GenKI-Spieler Microsoft, Google und Meta ihre Investitionen besser im Griff haben, als die Wall Street es aussehen lässt, wie die folgende Abbildung zeigt.
Steigerung des Return on Invested Capital (31.12.2022 = 100)
OpenAI
Auch wenn Goldman Sachs mit einem fehlerhaften Bericht für viel Verwirrung sorgte, ist OpenAI ein Musterbeispiel für das Wachstumspotential von GenKI. Entgegen der Darstellung von Goldman Sachs, die fälschlicherweise einen Rückgang der Website-Besuche anzeigte, ist die Nutzerbasis von ChatGPT im Vergleich zum Sommer 2023 um mehr als 65% auf über 250 Millionen wöchentliche Nutzer gestiegen. Die Zahl der Website-Besuche stieg mit 112% im Jahresvergleich sogar noch stärker an und überschritt damit erstmals die Marke von 3 Milliarden Besuchen. Für OpenAI bedeutet dies einen monatlichen Umsatz von 300 Millionen US-Dollar, was einer Steigerung von 1‘700% seit Anfang 2023 entspricht. Für das Gesamtjahr 2024 wird ein Umsatz von 3,7 Milliarden US- Dollar erwartet, mit einer Prognose von 11,6 Milliarden US-Dollar für das Folgejahr. Auf Basis dieser Kennzahlen sicherte sich OpenAI in einer kürzlich abgeschlossenen Finanzierungsrunde 6,6 Milliarden US- Dollar bei einer Bewertung von 157 Milliarden US-Dollar, was OpenAI zum drittwertvollsten, nicht börsengelisteten Unternehmen der Welt macht.
Amazon
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Unternehmen durch den Einsatz Generativer KI erhebliche Zeiteinsparungen bei Routineaufgaben erzielen können, liefert Amazon Q - Amazons interner GenKI- Assistent. Amazon Q hat den Aufwand für Java-Updates innerhalb von Amazons Softwarelandschaft signifikant reduziert. Prozesse, die früher 50 Entwicklertage beanspruchten, werden nun in wenigen Stunden bewältigt. Diese Effizienzsteigerung hat laut Angaben von CEO Andy Jassy nicht nur 4‘500 Entwickler-Jahre eingespart, sondern auch die Sicherheitsstandards verbessert und die Infrastruktur- kosten gesenkt. Amazon beziffert die jährlichen Einsparungen auf rund 260 Millionen US-Dollar.
Meta
Der bislang grösste finanzielle Einfluss von Generativer KI liess sich bei Meta beobachten. Die Einführung der App Tracking Transparency durch Apple im April 2021 hat es für Meta erheblich schwieriger gemacht, Werbeanzeigen auf Ihren Social-Media-Plattformen zielgerichtet auszuspielen. Umsatzwachstum und Marktkapitalisierung von Meta brachen daraufhin ein, wie die folgende Abbildung zeigt. Durch die Einführung einer GenKI-gestützten Plattform zur Optimierung von Anzeigenplatzierungen, konnte Meta sein Umsatzwachstum wieder deutlich steigern. Die Generative KI von Meta ermöglicht es, trotz eingeschränkter Datenlage, Werbeanzeigen präzise zu platzieren, was die Effizienz der Werbeausgaben stark verbessert – der Quartals-Umsatz konnte seitdem um mehr als 10 Milliarden US-Dollar gesteigert werden.