Anja Hochberg: «Viele Frauen sehen die Finanzbranche als zu wettbewerbsintensiv an und zweifeln an deren Nachhaltigkeit.»

Anja Hochberg ist ein Star unter den Zürcher Assetmanagerinnen. Nach verschiedenen Positionen bei der Credit Suisse hat sie jetzt ihren Traumjob bei Swisscanto Invest gefunden. Der Asset Management-Arm der ZKB hat als drittgrösster Fondsanbieter des Landes auch eine starke Wettbewerbsposition im Schweizer Anlagegeschäft – Fleur Platow hat nachgefragt.

Anja Hochberg, Sie leiten seit Anfang Jahr das Multi Asset Management von Swisscanto Invest. Mit welchen Erwartungen sind Sie angetreten und wo orten Sie Unterschiede zu Ihrem vormaligen Job?

Anja Hochberg: Ich habe mich ganz bewusst für diese Rolle entschieden, weil ich mir eine deutlich kundenorientiertere Arbeitsweise versprach; bei Swisscanto Invest ist diese geprägt von schnellen Entscheidungen im Kollektiv und kombiniert mit einer hervorragenden Infrastruktur. Mich beeindruckt das sehr professionelle Portfoliomanagement, das im gemeinsamen Brainstorming und im starken Miteinander für gute Lösungen erarbeitet wird. Der Lackmustest kam für mich schon kurz nach meinem Start mit dem Beginn der Corona-Krise – da kristallisierte sich die Frage heraus: Können wir schnell und effizient entscheiden und umsetzen? Heute glaube ich sagen zu können, dass ich meinen Traumjob gefunden habe.


Und was genau zeichnet diese Traumposition aus?

Zuerst einmal trage ich jetzt eine direkte End-to-End-Verantwortung für unsere Kunden, was sich in einem sehr engen und vertrauensvollen Dialog manifestiert, was ich ausserordentlich schätze. Auch der Umstand, dass ich zusammen mit einem kleinen, aber überaus agilen Team rund CHF 33 Milliarden von den insgesamt CHF 181 Milliarden, die der Swisscanto Invest von Kunden anvertraut worden sind, bewirtschaften darf, empfinde ich als einen grossen Vertrauensbeweis und als ein Privileg. Last but not least ist auch die Unternehmenskultur, die ich vorgefunden habe, mit kurzen Wegen und der Nähe der Vorgesetzen zu den Kolleginnen und Kollegen, eine tolle Erfahrung. Für mich bestätigt sich damit, dass ebendiese Kultur und die Chemie zwischen dem Management, den Mitarbeitenden und den Kunden im Gleichklang sein müssen.

Ihre Kunden rekrutieren sich aus Pensionskassen, Banken und Privatkunden. In welchem Segment erzielt Swisscanto Invest die höchste Profitabilität?

Profitabilität ist immer eine Funktion aus Komplexität einer Lösung, effizienter Produktion, Kundennachfrage und der Wettbewerbssituation. Bei einer grossen Pensionskasse bewegen sich die Kosten für den Kunden (gemessen als Basispunkte auf das Gesamtvermögen) sicherlich in einem tieferen Bandbreitenbereich als bei einem Einzelkundenmandat. In einem harten Auswahlprozess müssen wir bei institutionellen sowie bei vermögenden Kunden aber mit dem Gesamtpaket überzeugen.

Den Frauen fehlen einfach die Vorbilder.

Anja Hochberg, Leiterin Multi-Asset Solutions, Swisscanto Investment

Welche Bedeutung haben ESG-Kriterien in den Portfolios, die Sie verantworten?

In unserem Verständnis ist Nachhaltigkeit keine taktische Wette sondern von grundsätzlicher Relevanz für das Portfolio. Das reflektieren unsere nachhaltigen Portfolios seit rund zwanzig Jahren. Im März dieses Jahres haben wir kommuniziert, dass wir Nachhaltigkeit zur Grundlage aller aktiven Portfolios machen. Wir setzen als erster Schweizer Asset Manager das Pariser Klimaziel um, in dem wir a) über den aktiven Dialog als Aktionärin und Kreditgeberin Unternehmen dazu auffordern, wirksame CO2-Reduktionsziele zu formulieren und umzusetzen und b) über die Kapitalallokation sicherstellen, dass alle unsere aktiv verwalteten Anlagefonds den C02-Austoss um jährlich vier Prozent senken. Die CO2-Intensität unserer Anlagefonds weisen wir überdies transparent aus.


Sie besetzen als eine der wenigen Frauen eine Spitzenposition in der Schweizer Finanzbranche, wo die Frauenquote im Fondsmanagement bei lediglich acht Prozent liegt. Welche Steine liegen den Frauen im Finanzsektor beim Aufstieg der Karriereleiter im Weg?

Auch im Finanzbereich gilt, dass gemischte Teams eine bessere Performance bei tieferem Risiko erzielen. Neben den bekannten strukturellen gesellschaftlichen Gründen, die insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betreffen (Stichwort Kinderbetreuung), sind es aber auch branchenspezifische Gründe. Wir haben bei den Fondsfrauen in einer Studie mit der Universität Mannheim (Fearless Girls) untersucht, woran es liegt. Viele Frauen sehen die Finanzbranche als zu wettbewerbsintensiv an und zweifeln an deren Nachhaltigkeit. Hier müssen wir die Wahrnehmung insbesondere für das Asset Management, das im Auftrag des Kunden handelt, schärfen. Und ja, es fehlen einfach die Vorbilder.