Credit Suisse: Missmanagement hat einen Namen – und neuerdings auch einen symbolischen Preis

Der frischgewählte Chairman der Credit Suisse zeigte sich im Nachgang an die Generalversammlung der Bank von vergangener Woche enttäuscht. Offenbar ist Axel P. Lehmann davon ausgegangen, dass seinen Vorgängern im Verwaltungsrat sowie der Geschäftsleitung für das ruinöse Geschäftsjahr 2020 die Décharge erteilt wird. Er wurde von den Aktionären eines Besseren belehrt. Hintergrund sind der Greensill-Skandal sowie der Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos, die der zweitgrössten Schweizer Bank Milliardenverluste beschert haben.

Es ist ein unschöner und selbstverschuldeter Denkzettel für die CS-Spitze: Die Entlastung für die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat für das Geschäftsjahr 2020 wurde von den Aktionären im Rahmen der Generalversammlung vom vergangenen Freitag mit rund 60 Prozent der Stimmen verweigert. Die Credit Suisse zahlt nun auch auf der Symbol-Ebene einen hohen Preis für das Unvermögen einiger weniger. Ohne diese Entlastung halten sich die Aktionäre zudem die unwahrscheinliche Möglichkeit offen, Haftungsklagen gegen das CS-Management anzustrengen, welches aufgrund von Fehlentscheidungen und einem eklatanten Mangel an Risikoverständnis einen Verlust in Milliardenhöhe, der genau Schaden ist noch nicht zu beziffern, zu verantworten hat. Und wie reagiert der frisch gewählte Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse darauf? Er zeigt sich – Achtung Zitat– «enttäuscht». Worüber genau Axel P. Lehmann enttäuscht ist, bleibt sein Geheimnis. Man könnte interpretieren, dass er das klare Votum der Aktionärsbasis bzw. deren Unmut über die unsäglichen Vorgänge in der Bank, und daraus abgeleitet die deutliche Décharge-Verweigerung für das Management, als eine berechtigte Ohrfeige für dasselbe versteht. Eine Unmutsbekundung an die Adresse der bankeigenen Manager-Elite, die sich masslos überschätzt, grosszügig entlohnt und dabei Milliardenverluste einfährt. Man könnte ferner vermuten, dass er – angetrieben vom Willen, entschlossen zu Handeln und konsequent durchzugreifen – die treibende Kraft hinter den jüngsten personellen Veränderungen in der Geschäftsleitung ist und so seiner Enttäuschung für die desaströse Lage der Bank Ausdruck verleiht. Die Realität sieht wohl anders aus. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Axel P. Lehmann das Verhalten der Aktionärsbasis als anmassend und unangebracht empfindet. Zu diesem Zerrbild würde auch das Festhalten an CEO Thomas Gottstein passen, der – um es nett zu formulieren – andernorts für weniger Schaden schon längst in die berufliche Unabhängigkeit verabschiedet worden wäre. Stattdessen fabuliert der CS-Chairman von einer «Kultur der Offenheit» – gemeint ist damit wohl seine schier grenzenlose Fehlertoleranz gegenüber dem CEO – und definiert Risikokultur «nicht primär über Repression und Verbote, sondern über Klarheit, Motivation und Überzeugtheit». Ein glaubwürdiger Neuanfang hört sich irgendwie anders an.

Zumindest Thomas Gottstein scheint die Krise innerlich überwunden und alle Selbstzweifel abgelegt zu haben, ist er doch – noch ein Zitat – überzeugt davon, «dass wir über die letzten zwölf Monate die Voraussetzungen geschaffen haben, damit die Bank wieder wesentlich stabiler und in ihrer Entwicklung verlässlicher ist.» Von Charakterstärke und der Notwendigkeit, Verantwortung zu übernehmen spricht er leider nicht.

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