Vielversprechende Unternehmensprognosen

Das Jahr 2022 startete für Anleger mit Sorgen über die hohe Inflation in den USA und in Europa, Lieferkettenprobleme und die erwarteten Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed. Der Krieg in der Ukraine schürte zudem die negative Stimmung am Markt. Trotz der allgegenwärtigen makroökonomischen Unsicherheit wird die kommende Berichtssaison für US-Unternehmen Klarheit in Bezug auf die Auswirkungen auf Margen, Gewinne und Cashflows schaffen.

Aktuell sind wir Zeuge von Gewinnrevisionen. Für den US-Markt erwarten Analysten im ersten Quartal 2022 einen Rückgang des Gewinnwachstums auf neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im letzten Quartal 2021 lag das Gewinnwachstum noch bei 25 Prozent, was auf den positiven Einfluss der Covid-Erholung zurückzuführen war. Daher wären wir nicht überrascht, wenn es in der kommenden Berichtssaison zu Margendruck oder niedrigeren Gewinnen käme. Die zyklischeren Sektoren sind am stärksten betroffen, darunter Automobile und Transport, während Telekommunikation und Energie mehr Resilienz beweisen.

Stabile Kreditprofile ändern sich nicht von heute auf morgen
Gewinnrevisionen müssen im Kontext betrachtet werden: Da die Margen – insbesondere in den USA – Rekordhöhen verzeichneten, sollte ein Rückgang von diesem hohen Niveau keine wesentlichen negativen Auswirkungen auf Anleger in Unternehmensanleihen haben.

Der Bankensektor ist aus der Bottom-up-Perspektive weiterhin attraktiv; Banken haben im Laufe der Jahre solide Kapitalreserven auf- und Risiken in ihren Geschäftsmodellen abgebaut.

Christian Hantel, Portfoliomanager, Vontobel

Im aktuellen Szenario hoher Inflation und weniger soliden Wachstums sind Unternehmen gut positioniert, da Liquiditätsquoten und Zinsdeckung in Europa und den USA auf sicherem Boden stehen. Die Unternehmen sollten mithin in der Lage sein, dem aktuellen Umfeld ohne grössere Schäden standzuhalten. Weiter gehen wir davon aus, dass der positive Rating-Trend bei globalen Anleihen anhält. Wesentliche Indikatoren – etwa Unternehmensverschuldung, Zinsdeckung oder Unternehmensziele hinsichtlich spezifischer Kreditkennziffern wie Cashflows gegenüber Verschuldung – lassen auf Stabilität schliessen, weshalb der Ausblick der Rating-Agenturen positiv bleibt. Daher rechnen wir in Zukunft mit weiteren Rising Stars. Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Kreditspreads sind derzeit grösser und die Renditen von Unternehmensanleihen haben sich seitdem im Schnitt fast verdoppelt. Das aktuelle Makroumfeld unterscheidet sich allerdings auch von dem des Vorjahres, weil höhere Risiken eingepreist werden. Gleichzeitig befinden sich die Ausfallquoten von Unternehmen auf einem sehr niedrigen Niveau: Die Unternehmen sind allgemein gut positioniert, was engere Spreads rechtfertigt. Der Bankensektor ist aus der Bottom-up-Perspektive weiterhin attraktiv; Banken haben im Laufe der Jahre solide Kapitalreserven auf- und Risiken in ihren Geschäftsmodellen abgebaut. Während der letzten Quartale haben insbesondere US-Banken von den günstigen Marktbedingungen profitiert, die sich durch verbesserte Nettozinsmargen, eine sehr niedrige Zahl notleidender Kredite und eine solide Ertragsgenerierung aus Kapitalmarktaktivitäten auszeichnen. US-Banken haben Anbetracht der höheren Renditen im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zu den Jahren davor mehr Anleihen emittiert. Dieser Trend sollte sich in den kommenden Monaten abschwächen, insbesondere nach der Ertragssaison. Dies lässt den Anleihen am Sekundärmarkt mehr Spielraum für die Entwicklung.

Anlegerzuflüsse bestätigen die Attraktivität globaler Unternehmensanleihen
Die Anlegernachfrage ist aus mehreren Gründen gestiegen. Einerseits haben Anleger erkannt, wie wichtig es ist, global zu investieren, weil so sowohl Renditequellen als auch Risiken effizient diversifiziert werden können. Gemessen an der Sharpe-Ratio bietet ein globaler Anlageansatz höhere risikobereinigte Renditen als lokale Investitionen. Hierbei handelt es sich um eine strukturelle Entwicklung. Die Anleger werden folglich an der Anlageklasse festhalten. Andererseits vergleichen Anleger die weltweiten Renditehöhen und können dadurch Ineffizienzen identifizieren. So sorgte die jüngste Renditeerhöhung in den USA für eine höhere Attraktivität dieses Marktes.

Anleger haben erkannt, wie wichtig es ist, global zu investieren, weil so sowohl Renditequellen als auch Risiken effizient diversifiziert werden können.

Christian Hantel

In einem globalen Universum haben Anleger die Möglichkeit, Fehlbewertungen zwischen Anleihen desselben Emittenten aufzuspüren. Zum Beispiel weisen Anleihen desselben Emittenten in verschiedenen Währungen häufig Preisunterschiede auf, sodass Anleger Relative-Value-Chancen schaffen können. Indem Anleger die attraktivsten Anleihen in den Hauptwährungen identifizieren, können sie Ineffizienzen bei einem voll abgesicherten Währungsrisiko für sich nutzen. Diese Ineffizienzen ergeben sich, wenn regionale Anleger sich unterschiedlich verhalten und die Anlegerbasis sich bei einer Anleihe in Euro von der einer Anleihe in US-Dollar desselben Emittenten unterscheidet. Das aktuelle Marktumfeld hat zu höheren Fehlbewertungen geführt und die höhere Streuung im globalen Unternehmensanleihemarkt bietet Möglichkeiten für spezialisierte und aktive Anleger.

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