Mittel gegen die monetäre Schwindsucht
Die anziehende Inflation fügt dem Vermögenserhalt eine zusätzliche Herausforderung hinzu. Selbst bei Aktien ist die Auswahl wichtiger denn je.
Geld kann man auf verschiedene Art und Weise verlieren. Am schnellsten geschieht das im Casino, am schmerzhaftesten durch Raub, Naturgewalten und Krieg, am schleichendsten durch Inflation. Man muss dafür inzwischen nicht mehr in die USA gehen, die Eurozone mit einer happigen Geldentwertung von aktuell 7,5 Prozent liegt viel näher. All jene, welche die anziehende Inflation als vorübergehendes Phänomen einstufen, sind bisher nicht bestätigt worden. Auch die Schweiz verzeichnete im März eine Rate von 2,4 Prozent. Das klingt nach Peanuts, aber schon 100'000 Franken in Bar oder auf dem Sparkonto schrumpfen selbst ohne Negativzinsen um 2'400 Franken im Jahr. Wer unter diesen Umständen und angesichts von Energiepreiskapriolen, Lieferkettenstörungen, steigenden Lebensmittelpreisen und Krieg in der Ukraine in diesem Jahr sein Vermögen netto zu halten vermag, ist wohl gut dran.
An den Zinseszinseffekt denken
Die Tausend-Dollar-Frage ist, wie das bewerkstelligt werden kann. Diversifikation gilt als das Allheilmittel, muss aber dennoch auf bestimmte Sektoren, Regionen und Anlageinstrumente konzentriert werden. Wer es sich leisten kann, reinvestiert die Zinsen und Dividenden seiner Wertpapiere, der Zinseszinseffekt beflügelt dies zusätzlich. Auch das regelmässige Anlegen fixer Beträge ist eine Hilfe. In schwachen Märkten kauft man so automatisch mehr, in starken weniger. Neu emittierte Obligationen winken inflationsbedingt mit einem höheren Zins. Aber die Papiere im Bestand verlieren wegen ihrer niedrigeren Coupons an Wert. Und sonst? Kryptowährungen haben den grossen Stresstest noch nicht bestanden, Spekulationen in den klassischen Währungen sind ein Buch mit sieben Siegeln und daher voller Tücken. Es bleiben Aktien, Immobilien, Gold und Rohstoffe.
Gute Aktien würden wohl erst in einer – allerdings mehr denn je befürchteten – Stagflation richtig leiden. Wer über ein überzeugendes Geschäftsmodell, einige Alleinstellungsmerkmale und genügend Preissetzungsmacht verfügt wie zum Beispiel viele Unternehmen im Gesundheitswesen, der bewegt sich chancenreich auch in härteren Zeiten. Dennoch: Die hoch geschätzten, weil steuerfreien Kapitalgewinne werden bis auf weiteres wohl schwieriger zu erreichen sein als in der jüngeren Vergangenheit. Damit rücken Dividenden vermehrt in den Fokus. Hier haben Schweizer Unternehmen einiges zu bieten. Im internationalen Vergleich sind sie recht grosszügig und dies ohne direkte Währungsrisiken für den Anleger. Daten der Agentur Bloomberg zeigen, dass in den vergangenen Jahren die Dividendenrenditen der SMI-Unternehmen regelmässig die Marke von 3 Prozent übertrafen. Zum Teil sind die Ausschüttungen sogar steuerfrei wie beim Zementkonzern Holcim. Das nimmt schon mal viel Druck aus dem Kessel.
Viel schöner Schein bei ETFs
Wer sich für Exchange Traded Funds (ETF) entscheidet, hat zumindest den Vorteil vergleichsweise niedriger Kosten. Die jährlichen Verwaltungsgebühren bewegen sich zwischen null und 0,8 Prozent und damit deutlich unter dem Niveau aktiv gemanagter Investmentfonds. Die Orientierung an einem Index soll die Risiken streuen, und die grossen Anbieter um das Dreigestirn Blackrock, Vanguard und State Street bergen praktisch kein Emittentenrisiko. Aber die breite Streuung entpuppt sich oftmals nur als schöner Schein. So wird der SMI in der Schweiz von Nestle, Novartis und Roche dominiert. Von Vorteil ist in der aktuellen Situation die eher defensive Ausrichtung. Der deutsche Dax ist autolastig, mit dem MSCI World handelt man sich in erster Linie die amerikanischen Technologiewerte um Apple, Microsoft und Co. ein. Vermögenderen Anlegern stellt sich zugleich die Frage, warum sie nicht mit entsprechenden direkten Aktienkäufen den favorisierten Index abbilden sollten, dies vielleicht sogar mit weniger, aber umso sichereren Werten? Nicht jeder will Banken im Portefeuille haben. Im Übrigen kann ein Emittent einen ETF einfach stoppen. Das geschieht für den Anleger schnell einmal im dümmsten Moment. Er ist nicht mehr Herr des Verfahrens wie beim direkten Aktienerwerb, solange das Unternehmen nicht von der Börse genommen wird. Dies gilt umso mehr, als Fachleute mahnen, bei ETF wie bei Aktien einen langen Atem zu haben. Zehn Jahre und mehr sollten es schon sein.
Jürgen DunschGold gilt als klassische Krisenanlage und wird gerne als angeblicher Inflationsschutz gekauft. Aber das Edelmetall bietet keine laufenden Erträge, sondern lebt von den Kursspekulationen.
Wer in den vergangenen Jahren in Immobilien investierte, machte ein gutes Geschäft. Die Preise steigen schon seit langem, an Warnungen vor einer Blasenbildung fehlt es bis hinauf zur Nationalbank (SNB) nicht. Dennoch sorgen der knappe Boden hierzulande, die Zuwanderung, die bisher niedrigen Hypothekarzinsen und die Furcht vor volatilen, weil aufgeblähten Finanzmärkten für eine gute Marktlage. Zudem winken bei Vermietungen stabile Erträge. Allerdings bewegen sich die Preise ebenfalls auf einem sehr hohen Niveau. Ein Ende ist nicht in Sicht: Nach Erhebungen der Credit Suisse verteuerten sich Eigentumswohnungen 2021 um 6,7 Prozent, bei Einfamilienhäusern waren es sogar 8,3 Prozent. Wer sich Vermietungsobjekte zulegt, handelt sich indes womöglich ein Klumpenrisiko ein. Daneben ist das Tiefzinsniveau bei den Hypotheken nicht in Stein gemeisselt.
Gold gilt als klassische Krisenanlage und wird gerne als angeblicher Inflationsschutz gekauft. Aber das Edelmetall bietet keine laufenden Erträge, sondern lebt von den Kursspekulationen. Dessen ungeachtet wird es gerade jetzt als eine Stütze in der Vermögensanlage empfohlen. «Gold profitiert in einem stagflationären Umfeld … und sollte anlagetaktisch übergewichtet werden», meint etwa Matthias Geissbühler, Anlagestratege von Raiffeisen Schweiz. In dasselbe Horn stösst aktuell zum Beispiel die St. Galler Kantonalbank. Zurzeit notiert die Feinunze bei rund 2'000 US-Dollar und damit sichtbar, wenn auch nicht spektakulär über dem Kurs vor Jahresfrist.
Auf die Kostenseite achten
Kursgewinne sowie laufende Erträge an den Finanzmärkten und stabile Mieten aus Immobilien sind das eine, ein strenger Blick auf die Kosten das andere. Hier kann es sich lohnen, seinen Bestand an Versicherungen zu überprüfen, nur zu oft sind Risiken doppelt abgesichert oder für den individuellen Versicherungsnehmer überflüssig. Die Bankgebühren sind ein Dauerthema. Hypotheken bergen ebenfalls Sparpotential. Banken verkaufen gerne Festzinshypotheken, und die Schuldner neigen gleichfalls dazu, weil die Aufwendungen der nächsten Jahre damit berechenbar sind. Zumindest in der Vergangenheit waren Geldmarkthypotheken indes günstiger. Nach Berechnungen des VZ Vermögenszentrums liessen sich so zwischen 2011 und 2021 – bezogen auf eine Hypothekarsumme von 500’000 Franken – 112’000 Franken sparen verglichen mit einer Zehn-Jahres-Hypothek. Die SNB übt sich unterdessen in demonstrativer Gelassenheit. Gegenüber Dezember hat sie im März ihre Inflationsprognose für 2022 zwar von 1,0 auf immerhin 2,1 Prozent erhöht. Für die beiden nachfolgenden Jahre sollen es dagegen nicht mehr als jeweils 0,9 Prozent werden.