Mehr Investitionen in Elektromobilitäts-Infrastruktur für weniger CO2-Emissionen auf Europas Strassen

Mit dem in dieser Woche stattfindenden Earth Day 2023 wird vielerorts wieder einmal deutlich gemacht, dass es einer dringenden Kurskorrektur bedarf, um die Umwelt und letztlich uns Menschen und unsere Gesellschaft vor den negativen Folgen des Klimawandels zu schützen. Auch der kürzlich veröffentlichte Sechste IPCC-Bericht (Intergovernmental Panel on Climate Change) mahnt, dass Tempo und Umfang der aktuellen Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels bei weitem nicht ausreichen.

Einer der dringendsten Problembereiche ist der Verkehrssektor, der im Vergleich zu vielen anderen Wirtschaftssektoren mit 26 Prozent für einen grossen Teil der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich ist. Während andere Sektoren die CO2-Emissionen senken konnten, sind sie im Verkehrssektor gegenüber 1990 um sieben Prozent gestiegen. Hier werden dringend gezielte Investitionen zum Schutz der Umwelt und zur Transformation der bestehenden Infrastruktur benötigt. Ein Paradebeispiel dafür ist die Umstellung auf Elektromobilität. Elektrofahrzeuge werden aktuell viel zu langsam eingeführt, und die erforderliche Infrastruktur ist nicht ausreichend vorhanden. Europa ist zwar im Vergleich zu anderen Regionen auf dem richtigen Weg, muss aber noch grosse Defizite bei der Herstellung von E-Autos, den Lieferketten und vor allem der Installation von Ladestationen beheben.

Auf Europa entfällt ein Drittel der weltweiten E-Fahrzeugflotte und ein Fünftel der entsprechenden Ladestationen weltweit.

Richard Marshall, Head of Infrastructure Research, DWS!

Auf Europa entfällt ein Drittel der weltweiten E-Fahrzeugflotte und ein Fünftel der entsprechenden Ladestationen weltweit. Im dritten Quartal 2022 machten die Verkäufe von E-Autos in Europa 11,9 Prozent der gesamten EU-Autoverkäufe aus, verglichen mit nur 2,4 Prozent vor drei Jahren. Branchenschätzungen zufolge wird dieser Anteil bis 2025 auf 29,9 Prozent, bis 2030 auf 70,7 Prozent steigen und bis 2035 das EU-Ziel erreichen, dass alle Neuwagenverkäufe emissionsfrei sind. Die steigende Zahl von E-Autos wird jedoch eine noch grössere Anzahl von öffentlichen E-Ladepunkten erfordern. Hier ergeben sich aus unserer Sicht folgende Herausforderungen:

  • Anzahl von E-Fahrzeugen pro öffentlich zugänglicher Ladestation
    Die Richtlinie zur alternativen Kraftstoffinfrastruktur (AFID, 2014) empfahl, bis 2020 zehn E-Autos pro öffentlicher Ladestation in der EU. Mit Ausnahme der Niederlande, Italien und Griechenland sind alle grossen EU-Länder noch weit von diesem Ziel entfernt.
  • Aktuelle Ausbaumassnahmen müssen zukünftigen Bedarf im Blick haben
    Obwohl auf die Niederlande weniger als ein Zehntel des Gesamtbestands an E-Fahrzeugen in der EU entfallen, verfügt das Land über fast ein Drittel der Ladestelleninfrastruktur. Dort wird die Ladestelleninfrastruktur in Erwartung einer wachsenden Nutzung von Elektroautos gebaut.
  • Vorteile von Schnellladestationen berücksichtigen
    Spanien und Portugal haben es geschafft, ihre durchschnittlichen Kilowatt pro E-Auto deutlich über den EU-Durchschnitt zu heben, indem sie eine grössere Anzahl von Schnellladestationen eingerichtet haben.

Um das EU-Sektorziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu erreichen, müssen erstens bis 2030 schätzungsweise 42,8 Millionen E-Fahrzeuge auf den Strassen der EU unterwegs sein. Und zweitens muss die wöchentliche Installationsrate von öffentlichen E-Ladepunkten in der EU von etwa 1’000 im Jahr 2021 auf über 20’000 Ladepunkte im Jahr 2030 steigen. Dies würde eine durchschnittliche Installation von 5’600 bis 14’000 Ladepunkten pro Woche zwischen 2021 und 2030 bedeuten. Beim derzeitigen Stand der Dinge ist die wöchentliche Installationsrate von Ladepunkten etwa ein Sechstel langsamer als selbst das konservative ACEA-Szenario von Ladepunkten bis 2030.

Zwar fliesst zunehmend Kapital in die Ladeinfrastruktur, dieses reicht jedoch nicht annähernd aus, um das erforderliche Ausbauniveau zu erreichen und die notwendige Transformation auf Europas Strassen im erforderlichen Tempo voranzubringen.

Richard Marshall

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen auf die Ladeinfrastruktur, die Aufrüstung der Stromverteilungssysteme und Transformatoren für die Elektromobilität und den Ausbau der Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien verteilt werden. Während die Investitionsmodelle erprobt sind und für die beiden letztgenannten Bereiche staatliche Unterstützung bereitgestellt wurde, hat die Finanzierung der Ladeinfrastruktur selbst nicht Schritt gehalten. Der Mangel an Kapital zur Deckung des erheblichen Bedarfs an Ladestationen ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass es an staatlicher Unterstützung für Investoren fehlt und die Branche eine Art «wilder Westen» mit Akteuren aller Formen und Grössen und unterschiedlichen Strategien ist. Zudem weisen nur wenige Ladestationen die Infrastruktureigenschaften auf, die Investoren bei der Allokation eines Infrastrukturportfolios für attraktiv halten, nämlich die Sicherung langfristiger, defensiver Renditen mit geringer Volatilität.

Initiativen zur Beschaffung von privatem Kapital sind dringend erforderlich. Zwar fliesst zunehmend Kapital in die Ladeinfrastruktur, dieses reicht jedoch nicht annähernd aus, um das erforderliche Ausbauniveau zu erreichen und die notwendige Transformation auf Europas Strassen im erforderlichen Tempo voranzubringen.

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