Chinas Elektroautobauer fangen erst richtig an
Nachrichten über Preiskämpfe und Firmenpleiten sind kein Grund für etablierte Autobauer, sich zurückzulehnen. Es sind eher Vorboten für härtere Zeiten.
Wer im Internet nach Nachrichten zu Neuzulassungen von Elektroautos sucht, stösst regelmässig auf die Wörter «Subventionen» und «Preisnachlässe». Denn Elektroautos sind immer noch so wenig selbstfahrend wie selbstverkaufend, daher müssen die Käufe kräftig unterstützt werden. Auf dem Weg zum profitablen, ungestützten Absatz dürfte es noch eng werden und ruppig zugehen. Aus China drangen jüngst wieder Nachrichten über Preisnachlässe, insbesondere im Niedrigpreissegment. Dieses Segment wird von den rund 100 jungen chinesischen Autobauern dominiert, von denen auch immer mehr in Schieflage geraten.
Stefan Bauknecht, Senior Automotive Analyst, DWSDie Nachrichten von finanziellen Schieflagen im chinesischen Autosektor sollten die westlichen Autobauer keineswegs beruhigen. Es ist vielmehr Teil der Reifung des jungen Sektors.
Ruinöse Preiskämpfe, Firmenpleiten und stagnierende Verkäufe – ist der Elektroautotraum schon ausgeträumt? Ganz im Gegenteil, glaubt Stefan Bauknecht, Senior Automotive Analyst bei der DWS: «Die Nachrichten von finanziellen Schieflagen im chinesischen Autosektor sollten die westlichen Autobauer keineswegs beruhigen. Es ist vielmehr Teil der Reifung des jungen Sektors. Übrig bleiben dürfte am Ende eine Handvoll starker Firmen. An der Entschlossenheit Pekings, in diesem Industriesegment die globale Führung anzustreben, zweifele ich keine Sekunde.» Nachdem die Aufholjagd im Verbrenner-Segment nie richtig Fahrt aufgenommen hat, bietet der Wechsel auf Elektroautos eine Chance, die China beinah auf dem Silbertablett geliefert wurde.
Anteil rein batteriegetriebener Elektroautos an allen Neuzulassungen:
Nicht nur wegen strategischer Versäumnisse im Westen, sondern weil China das Thema langfristig anging und rechtzeitig dafür gesorgt hat, die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette sicherzustellen. Das Ergebnis zeigt die obige Grafik, in dem China beim Anteil rein batteriebetriebener Autos an allen Neuzulassungen mit 26 Prozent die führende Region ist. Zählt man Plug-Ins noch hinzu, kommt China gar auf 37 Prozent.
Die westlichen Anbieter sind mit einem doppelten Schock konfrontiert. Zunächst einmal gehen ihre Wachstumspläne in China nicht mehr auf, ihre Marktanteile bei Elektroautos schrumpfen kontinuierlich. Zweitens dürfte der Export chinesischer Elektroautos, die jetzt noch eine vernachlässigbare Grösse darstellen, deutlich zunehmen. «Im Kampf um Marktanteile werden skalenbedingte Kostenvorteile eine entscheidende Rolle spielen. In China wurden – absolut – mit über 1'300’000 Einheiten in der ersten Jahreshälfte fast dreimal so viel Elektroautos wie in Europa und fast fünfmal so viel wie in Amerika abgesetzt. Wir rechnen damit, dass Chinas Marktanteil im globalen Automarkt in den kommenden Jahren um weit über zehn Prozentpunkte wachsen könnte. Auf Kosten westlicher Hersteller, die sich zunehmend auf die Verteidigung der Marge konzentrieren sollten, als weiter auf Wachstum zu setzen.» Die jüngste Kampfansage von Chinas führendem Autohersteller, man solle «gemeinsam die etablierten Wettbewerber zerstören», dürften westliche Autofirmen heute kaum noch als reine Rhetorik abtun. Zumal sich Chinas Autobauer darauf verlassen dürften, dass Peking bei Bedarf jederzeit wieder die Kaufanreize hochziehen könnte. Im Westen hingegen könnte der Widerstand gegen die Subventionierung wachsen.