Parität als mittelfristige Obergrenze für den US-Dollar?

2022 ist zweifellos das Jahr des US-Dollars gewesen. Mit einer der aggressivsten G10-Zentralbanken im Rücken und einem Land, das sich in Zeiten globaler Energieknappheit als Nettoexporteur von Rohstoffen etabliert hat, konnte der Greenback in diesem Jahr auf handelsgewichteter Basis um mehr als 18% zulegen. Allerdings sind die Gewinne des Dollars nicht gleichmässig über den gesamten Währungsraum verteilt worden.

Der Schweizer Franken, der im Jahresvergleich zwar immer noch um 7% gefallen ist, hat dem weltweiten Verkaufsdruck weitgehend standgehalten und wurde in diesem Jahr gegenüber sieben der neun anderen G10-Währungen aufgewertet. Die Attraktivität des Frankens im Vergleich zu anderen Währungen ist in erster Linie auf die einzigartige Zusammensetzung des Schweizer Exports und die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank zurückzuführen.

Obwohl die Schweiz im Wirtschaftsatlas als die zweitkomplexeste Volkswirtschaft der Welt eingestuft wird, handelt es sich bei den meisten Handelsprodukten der Schweiz um nicht-zyklische Güter, die weniger von der Konjunktur abhängig sind. Gold, pharmazeutische Produkte, organische Chemikalien und Uhren machen etwa 65% der Exporte des Landes aus, was die Schweiz – und damit auch den Schweizer Aktienmarkt – widerstandsfähiger gegen globale Schocks macht. Die Gesamtexporte sind im Juli dieses Jahres bereits auf ein Rekordhoch gestiegen (22,8 Mrd. CHF) und liegen mehr als 10% über dem Niveau vor der Pandemie. Gleichzeitig hat sich innerhalb der SNB ein Paradigmenwechsel vollzogen. Während die Jahre nach dem Abwertungscrash für das Währungspaar EUR/CHF von 2014 davon geprägt waren, dass die Nationalbank ihre Bilanz auf über eine Billion Schweizer Franken aufblähte und sporadisch am Devisenmarkt intervenierte, um die selbsternannte überbewertete Währung zu schwächen, hat die Rückkehr der Inflation zu einer Umkehr in der Geldpolitik geführt.

Obwohl die Schweiz im Wirtschaftsatlas als die zweitkomplexeste Volkswirtschaft der Welt eingestuft wird, handelt es sich bei den meisten Handelsprodukten der Schweiz um nicht-zyklische Güter, die weniger von der Konjunktur abhängig sind.

Boris Kovacevic, FX & Macro Strategist, Convera

Die Zentralbanken wünschen sich seit Kurzem eine stärkere Währung, um den Anstieg der Importpreise zu bekämpfen. Allerdings sind nur eine Handvoll Zentralbanken weltweit in der Lage, ihre Währung mit anderen Instrumenten als Zinserhöhungen gegen eine Abwertung zu verteidigen, die in einer Zeit der globalen Konjunkturabschwächung mit vielen Abwärtsrisiken verbunden sind. Die Schweizerische Nationalbank ist eine von ihnen und hat begonnen, ihre Devisenreserven, die 108% des BIP betragen, zum Vorteil des Frankens einzusetzen. Betrachtet man Ersatzindikatoren für Deviseninterventionen wie die Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank, so hat die SNB begonnen, ihre Währung auf dem Markt zu kaufen, und zwar so schnell wie seit 2010 nicht mehr. Zusätzlich zu den unorthodoxen Massnahmen, die in diesem Jahr durchgeführt wurden, hat die SNB die Zinssätze in diesem Jahr zweimal auf insgesamt 0,5% angehoben und ist zum ersten Mal seit 2015 von den Negativzinsen abgerückt.

In Verbindung mit der im Vergleich zu anderen Währungen relativ niedrigen Inflation von 3,5% hat die reale Rendite des Frankens nicht so stark gelitten, was der Währung einen Vorteil gegenüber dem Euro oder dem Pfund verschafft. Mit Blick auf das nächste Jahr werden die Aussichten für das Währungspaar USD/CHF von den Zinsdifferenzen zwischen der Federal Reserve und der SNB und dem Ausmass der Verlangsamung der Weltwirtschaft abhängen. Die Märkte gehen davon aus, dass die Schweizerische Nationalbank den Zinssatz im nächsten Jahr auf etwa 1,5% anheben wird, während sich die Märkte einen Leitzins von 4,9% in den USA erwarten. Sollte sich die Weltwirtschaft stärker als erwartet verschlechtern, hätte dies einen doppelt negativen Effekt für das Währungspaar, da sowohl die Risikostimmung als auch der Endkurs in den Vereinigten Staaten sinken würden. Das Währungspaar USD/CHF geht daher mit einer leicht negativen Tendenz in das nächste Jahr.

Hauptbildnachweis: Freepik