Russlands Krieg gegen die Ukraine verändert die Investitionslandschaft

Europa durchläuft einen Kurswechsel innerhalb der Verteidigungs- und Energiepolitik. Zudem könnte der Krieg ein Wendepunkt in der Abhängigkeit der Welt von der US-Währung markieren.

Auch wenn die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Weltwirtschaft und die Märkte noch nicht in vollem Umfang absehbar sind, lassen sich bereits jetzt einige Tendenzen erkennen. Die Energie- und Verteidigungspolitik in Europa verändert sich tiefgreifend. Die Abhängigkeit von Russland als Energielieferant wird stark zurückgehen, unabhängig davon, wie der Konflikt letztendlich ausgeht.

Seit Beginn des Krieges haben die EU-Staaten an Putins Russland über 35 Milliarden Euro für Energielieferungen gezahlt; gleichzeitig hat die Ukraine eine Milliarde Euro an Waffen und Rüstungsgütern erhalten.

Philip Saunders, Co-Head of Multi-Asset Growth, Ninety One

Das Ausmass der Abhängigkeit von einer Diktatur bei wichtigen Rohstoffen erscheint im Nachhinein ausserordentlich fehlgeleitet. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholtz hat die Notwendigkeit eines drastischen Kurswechsels hin zu einem weiteren Schub der erneuerbaren Energien erkannt. Das Massaker von Bucha wird nun den Widerstand gegen den radikalen Wandel zum Schweigen gebracht haben.

Verteidigungsausgaben steigen
Wie markant der Kurswechsel in Europa ist, lässt sich an Zahlen ablesen. Seit Beginn des Krieges haben die EU-Staaten an Putins Russland über 35 Milliarden Euro für Energielieferungen gezahlt; gleichzeitig hat die Ukraine eine Milliarde Euro an Waffen und Rüstungsgütern erhalten. Eine weitere Wende gab es bei den Verteidigungsausgaben. Die europäischen Delegierten haben am NATO-Gipfel im Juli 2018 noch gelacht, als der damalige Präsident Trump sie über ihre Verteidigungsverpflichtungen belehrte. Der ehemalige US-Präsident bezeichnete Europa angesichts dessen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas als «Gefangene Russlands». Deutschland hat sich nun verpflichtet, die Verteidigungsausgaben zu verdoppeln. Schweden hat ebenfalls angekündigt, den Verteidigungshaushalt auf 3% des BIP zu erhöhen. Die Friedensdividende gehört so gut wie der Vergangenheit an. Die höheren Ausgaben werden nach Vorbild der Covid-Rettungsfonds mit Schulden finanziert.

«Entdollarisierung» erhält Aufschwung
China befindet sich in einer unangenehmen Lage. Xi hat am 4. Februar – nur 20 Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine – die «grenzenlose» Partnerschaft mit Russland angekündigt. Welche Folgen die enge Zusammenarbeit mit Russland für China haben wird, ist noch nicht absehbar. Aber Amerikas Wille die eigene Währung zu «bewaffnen» – sei es durch das Einfrieren oder Konfiszieren von Devisenreserven und dem Ausschluss von SWIFT – ist klar erkennbar. Diese geostrategischen Massnahmen werden China dazu zwingen, ein alternatives Zahlungssystem zu entwickeln. Andere Länder dürften das unterstützen, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Saudi-Arabien zum Beispiel hat kürzlich mit China über die Ölzahlungen verhandelt. Die Zahlungen sollen künftig in Renminbi akzeptiert werden, damit die Transaktionen nicht in US-Dollar durchgeführt werden müssen. Mit einem Schlag hat die «Entdollarisierung» erheblichen Auftrieb erhalten. Das soll nicht heissen, dass die Vormachtstellung des Dollars in naher Zukunft verdrängt wird. Dafür ist die US-Währung zu tief im Welthandelssystem verankert. Der jetzige Zeitpunkt dürfte aber den Höhepunkt der Dollar-Ära markieren. Amerikas «exorbitantes Privileg» – um den Ausdruck des ehemaligen französischen Präsidenten Giscard d'Estaing zu verwenden – über die Weltreservewährung zu verfügen, wird kleiner.

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