Trumps Zölle prallen an China ab – wer hier wen bestraft, ist längst klar
Wachsende Spannungen im Handelsstreit zwischen den USA und China hielten die Kapitalmärkte in der vergangenen Woche in Atem. Denn in einer Kurznachricht des US-Präsidenten Donald Trump in den sozialen Medien, beschuldigte er China, sehr feindlich zu werden (becoming very hostile) und drohte seinem drittwichtigsten Handelspartner mit scharfen Zollerhöhungen. Die Regierung in Peking kündigte umgekehrt scharfe Gegenmassnahmen an.
Das Tauziehen der zwei grössten Wirtschaftsmächte verunsicherte die Finanzmärkte, wobei der S&P 500 am Freitag 2,7 Prozent und der technologieorientierte Index Nasdaq Composite 3,6 Prozent verlor. Besonders stark von den Verkäufen waren amerikanische Technologietitel betroffen, insofern sie eine Besonderheit teilten: nämlich eng mit den globalen Lieferketten verflochten und damit auf gute Handelsbeziehungen zwischen den USA und China angewiesen zu sein. Am Montag zeichneten die chinesischen Aktienindizes ein ähnliches Bild, wobei der Hang Seng Index bis Montag 3,2 Prozent verlor.
Cécile Buchholz, Analystin im Chief Investment Office, ODDO BHFDie harte Zollpolitik der USA gegenüber Chinas dürfte nicht aufgehen.
Marktteilnehmer fühlten sich in dieser Woche an den Handelskrieg zwischen den USA und China 2018/2019 erinnert. Schon damals beschuldigte Trump Peking während seiner ersten Amtszeit der US-Wirtschaft mit unfairen Handelspraktiken und dem Diebstahl geistigen Eigentums zu schaden. China wiederum warf Trump nationalistischen Protektionismus vor. In der Folge hoben die USA die Importzölle für chinesische Güter schrittweise von 0 bis 5 Prozent im Jahr 2018 auf durchschnittlich rund 21 Prozent zum Ende von Trumps erster Amtszeit im Januar 2021 an. Seither liegen die gegenseitigen Zollsätze der beiden Länder deutlich über dem Mittel des weltweiten Zollniveaus.
China diversifiziert seine Exportmärkte
China hat dadurch jedoch keinen Schaden genommen, sondern sich auf andere Exportmärkte konzentriert und hat auf diese Weise die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA reduziert. Anfang 2018 entfielen mehr als 30 Prozent der chinesischen Exporte auf die USA. Zuletzt waren es noch rund 13 Prozent. Der Schwenk in Richtung Europa und Schwellenländer ist gelungen: Seit 2018 hat China seine Gesamtexporte trotz der heraufgesetzten US-Zölle um 65 Prozent erhöht.
Cécile BuchholzEs stellt sich die Frage, ob die USA ihren drittgrössten Handelspartner mit der Androhung steigender Einfuhrzölle überhaupt noch unter Druck setzen können.
Ein ähnliches Szenario zeichnet sich aktuell ab: Trotz der harten amerikanischen Zollpolitik hat China seine Gesamtexporte im September 2025 um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern können. Die Exporte in die USA gingen im gleichen Zeitraum um 27 Prozent zurück, wurden aber durch höhere Exporte beispielsweise in die EU (+14,2 Prozent) und andere asiatische Länder (+14,8 Prozent) überkompensiert. Es stellt sich also die Frage, ob die USA ihren drittgrössten Handelspartner mit der Androhung steigender Einfuhrzölle überhaupt noch unter Druck setzen können.
Hohe Abhängigkeit von Seltenen Erden
Im Zuge des wiederaufflammenden Handelsstreits zeichnet sich Chinas starke Verhandlungsposition ab. Auf die Anhebung der US-Zölle auf chinesische Einfuhren zu Beginn von Trumps zweiter Amtszeit antwortete Peking scharf: China besteuerte Einfuhren aus den USA von Kohle, Erdgas, Öl und landwirtschaftlichen Maschinen höher, leitete gegen Google ein Kartellverfahren ein und beschloss Ausfuhrkontrollen für kritische Güter und Rohstoffe. Kurzzeitig belegte China im April 2025 nach Berechnungen des Peterson Institute for International Economics US-Importe mit 147,6 Prozent. Aktuell liegt der durchschnittliche Einfuhrzoll für chinesische Produkte in die USA bei 57,6 Prozent, während China US-Produkte durchschnittlich mit 32,6 Prozent besteuert. Vor allem die Ausfuhrkontrollen für kritische Rohstoffe, darunter für Seltene Erden, treffen die USA an empfindlicher Stelle. Neodym und Praseodym beispielsweise werden für Dauermagnete in Elektromotoren und Windkraftanlagen benötigt, Lanthan und Cer für Katalysatoren und Batterien, Europium und Terbium für Displays von Smartphones und Computern. Oft werden diese Metalle nur in geringen Mengen benötigt. Auch sind die meisten von ihnen – mit Ausnahme von Promethium – gar nicht so selten. Doch ihre Aufbereitung ist aufwändig und setzt häufig Radioaktivität frei. China hat in den vergangenen Jahren das entsprechende Knowhow aufgebaut und verarbeitet heute rund 90 Prozent der Seltenen Erden, die auf der Welt gefördert werden. Die Abhängigkeit der US-Wirtschaft von Chinas Seltenen Erden ist dementsprechend hoch. Bei zwölf kritischen Rohstoffen sind die USA laut dem Thinktank Global Policy Watch zu 100 Prozent auf China angewiesen und zu mehr als 50 Prozent bei 29 anderen. Zu diesen kritischen Rohstoffen zählen neben vielen Seltenen Erden auch Kobalt, Kupfer, Grafit, Lithium und das Halbmetall Antimon.
China hat seine Vormachtstellung bei Seltenen Erden immer wieder politisch eingesetzt. Im Jahr 2010 stoppte Peking in einem Territorialstreit sämtliche Ausfuhren nach Japan und belegte das Land 2023 erneut mit einem Exportstopp. Die hohe Abhängigkeit der US-Wirtschaft von China in diesem Bereich beunruhigt nicht nur Trump, sondern prägte auch die US-Handelspolitik unter seinem Vorgänger Joe Biden, der direkt nach seinem Amtsantritt im Februar 2021 eine Executive Order über die Lieferketten der USA erliess.