Trotz Rezessionsängsten: CEOs weltweit zeigen M&A-Appetit

Nach einem starken Abfall von Transaktionsvolumen und -werten bleiben die Bedingungen für Dealmaker auch 2023 herausfordernd. Dies zeigen die neuen «Global M&A Industry Trends» von PwC. Doch diese Herausforderungen bieten auch Potenzial. Mit vernünftigen Bewertungen und einer gut durchdachten Strategie lohnt es sich für mutige und finanziell liquide Unternehmen, Transaktionen in Betracht zu ziehen.

Kurzfristig bleibt der Transaktionsmarkt in der ersten Hälfte von 2023 durch die globalen Rezessionsängste und steigende Zinsen getrübt. Doch es empfiehlt sich für Geschäftsführende und Vorstände, ihre Bedenken zu überwinden. Denn die aktuellen Bedingungen haben paradoxerweise einmalige Gelegenheiten geschaffen: Neubewertungen, ein geringerer Wettbewerb und neue Vermögenswerte, die – auch durch die Notsituation – auf den Markt kommen. Essenziell ist hierbei, dass Dealmaker die Bedenken der Stakeholder ernst nehmen und ihr Vertrauen gewinnen, um Geschäfte abzuschliessen. Zudem müssen Investierende kreativ werden, um die entsprechenden Kredite aufnehmen zu können. «Restrukturierungen und «distressed M&A» könnten in naher Zukunft zunehmen. Das schafft Gelegenheiten, um in Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen oder interessanten Technologien zu investieren – und dies zu besseren Bewertungen als bisher», erklärt Marc Schmidli, Partner und Leiter Deals und Valuations bei PwC Schweiz.

Anzahl der Megadeals hat sich beinahe halbiert
Im zweiten Halbjahr 2022 brachen die Transaktionswerte um mehr als die Hälfte ein und auch die Transaktionsvolumen sanken um 25%. Zwischen den verschiedenen Regionen und Ländern fanden allerdings unterschiedliche Entwicklungen statt. So verzeichnete beispielsweise EMEA ein Minus von 37% respektive 12%. Somit liefen Transaktionen in EMEA trotz höheren Energiekosten und niedrigerem Selbstvertrauen von Investierenden besser als in Asien-Pazifik. Der amerikanische Doppelkontinent registrierte ein Minus von 40% beziehungsweise 17%. Dies ist vorwiegend auf eine Kombination aus makroökonomischen, regulatorischen und geopolitischen Faktoren zurückzuführen. Insbesondere die Transaktionswerte wurden hart getroffen: Die Anzahl US-Megadeals (Transaktionen mit einem Wert von mehr als 5 Milliarden Dollar) hat sich von 81 im Jahr 2021 auf 42 im Jahr 2022 beinahe halbiert. Der grösste Rückgang in M&A-Aktivitäten ist im Chinesischen Markt zu beobachten, wo die Volumen um 46% und die Werte sogar um 60% fielen. Zudem suchen immer mehr Unternehmen Zugang zu anderen asiatischen Märkten abseits von China.

Restrukturierungen und «distressed M&A» könnten in naher Zukunft zunehmen. Das schafft Gelegenheiten, um in Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen oder interessanten Technologien zu investieren – und dies zu besseren Bewertungen als bisher.

Marc Schmidli, Leiter Deals und Valuations, PwC Schweiz

In den kommenden Monaten wird M&A zunehmend zu einem strategischen Werkzeug für die Wertschöpfung, wobei die Mehrheit der Deals voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen wird. In der Schweiz bleiben die M&A-Aktivitäten auf hohem Niveau, primär getragen vom mittelständischen Segment. «Grosse Transaktionen werden aufgrund von Herausforderungen mit der Fremdfinanzierung in Zusammenhang mit der Inflation schwieriger», so Schmidli. «Unternehmen müssen nun kreativ, intelligent und dynamisch agieren, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern und ihre Stakeholder an Bord zu holen.»

Die Schweizer M&A-Trends in den einzelnen Industrien:

  • Energiewirtschaft
    Der Energiesektor erlebte 2022 ausserordentlich turbulente Zeiten. Aufgrund der laufenden Energiewende (unternehmenseigene Dekarbonisierungsziele, Regierungsinitiativen und robuste Strompreise) werden Schweizer Unternehmen ihre M&A-Aktivitäten fortsetzen. Transaktionen rund um Solar-PV, Elektromobilität und Wasserstoff werden in naher Zukunft Top-M&A-Trends sein. Unternehmen ergreifen zunehmend Massnahmen zur kurzfristigen Portfoliooptimierung, wie z.B. die Aufnahme von vorgelagerten Rohstofflieferanten und Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.
  • Gesundheitsbranche
    Die Schweiz zeigte sich gegenüber Inflationstendenzen äusserst robust: 2022 verzeichnete die Pharmabranche 103 Transaktionen mit (Ver-)Kaufenden in der Schweiz. Pharma- und Life Sciences-Deals sanken um 30%, Transaktionen im Gesundheitsdienstleistungsbereich um 15%. Zudem wurden vermehrt kleinere Deals durchgeführt. Trotz des erwarteten Rückgangs reihte sich das Jahr 2022 in den Aufwärtstrend bezüglich M&A-Aktivitäten auf dem Schweizer Gesundheitsmarkt ein. Es ist zu erwarten, dass diese Industrie an der Spitze der Wunschliste von Investierenden bleibt.
  • Industrielle Herstellung und Auto
    Transaktionen in der Automobilindustrie werden aufgrund von Lieferschwierigkeiten und einer unsicheren Nachfragesituation 2023 nur langsam anrollen. Generell gilt: Unternehmen, die diese Gelegenheit nutzen, um Transaktionen durchzuführen, um neue technologiegestützte und datengesteuerte Vermögenswerte zu erwerben, werden gut positioniert sein, um sich langfristig wichtige strategische Vorteile zu verschaffen. All dies deutet auf eine stabile Transaktionsaktivität im Jahr 2023 hin.
  • Technologie, Medien und Telekommunikation
    Durch die Entwicklung neuer Technologien und wechselnde Konsumentenbedürfnisse erlebt dieser Sektor einen starken Wandel, der zahlreiche M&A-Gelegenheiten bietet. Schweizer Unternehmen in diesem Bereich zeigten sich aussergewöhnlich resilient und verbuchten sogar ein Allzeithoch von +9%. Fast 90% der Schweizer Transaktionen in dieser Branche fanden im Tech-Bereich statt. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass der gesamte TMT-Sektor trotz wirtschaftlichen Unsicherheiten starke M&A-Aktivitäten beibehält. Dieses hohe Tempo wird auch in den kommenden Monaten bestehen.
  • Konsumentenmärkte
    Aufgrund des Fachkräftemangels sind viele Arbeitgebende bereit, die Saläre zu erhöhen, was zu weiteren Teuerungen führt. Um liquide Mittel zu erhalten und die Margen zu stabilisieren, ist das Top-Management eher bereit, unrentable Einheiten aufzugeben. Daher werden sich Unternehmen mehr auf die Erhaltung des Cashflows, Restrukturierungen und Working-Capital-Programme konzentrieren.
  • Finanzindustrie
    Trotz trüber Aussichten 2023 zeigen Investierende durchaus Appetit. Daher werden Transaktionen voraussichtlich wieder anziehen, sobald die wirtschaftliche Lage sich stabilisiert hat. Im FinTech-Bereich lässt sich ein kontinuierlicher Transaktionsfluss feststellen, wenn auch deutlich kleiner als 2021. Unternehmen im Finanzsektor müssen ihre Geschäftsmodelle transformieren, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern. M&A-Aktivitäten sind hierbei fundamental, da sie einerseits Zugang zu neuen Technologien und somit Wachstum ermöglichen und andererseits die Gelegenheit bieten, weniger profitable Geschäftseinheiten abzustossen. Trotz der kurzfristigen Volatilität zeigt sich für 2023 ein potenzieller Aufwärtstrend bei M&A.

Mehr zu den «Global M&A Industry Trends» von PwC findet sich hier.

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