Weshalb wir am Beginn einer goldenen Ära für den Gesundheitssektor stehen

2023 erlebten Aktien aus dem Healthcare-Sektor ihr schlechtestes Jahr seit mehr als zwei Jahrzehnten: Während der globale Aktienmarkt um 24,2 Prozent zulegte, erzielte der Healthcare-Sektor lediglich ein Plus von 4,3 Prozent. Was waren die Hauptursachen für die schlechte Performance, und wie sind die weiteren Aussichten?

Diagnose: Was sind die Ursachen für aktuelle Schwäche des Healthcare-Sektors?
Die Aufregung um die Chancen durch künstliche Intelligenz (KI) zusammen mit der Erwartung, dass die Zentralbanken in den Industrieländern die Zinssätze auf dem aktuellen Niveau halten oder sogar senken könnten, führte 2023 zu einem risikofreudigen Umfeld – zum Nachteil von defensiven Sektoren wie dem Gesundheitssektor.

Vor 30 Jahren hat die Entschlüsselung eines Genoms rund eine Milliarde US-Dollar gekostet und mehr als einen Monat gedauert. Ein paar Jahrzehnte später ist derselbe Vorgang fast augenblicklich und zu Kosten von weniger als 100 US-Dollar möglich.

Steven Smith, Investment Director, Capital Group

Ein weiterer Grund sei der 2022 in den USA verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA). Das Gesetz ermöglicht es dem US-Krankenversicherungsprogramm Medicare, Arzneimittelpreise direkt mit den Pharma-Unternehmen auszuhandeln. Auch wenn die so vereinbarten Preise erst ab 2026 gelten werden, könnte dies bereits jetzt eine Neubewertung der betroffenen Pharma-Unternehmen auslösen. In der Vergangenheit sind Unternehmen im Pharma-Sektor etwa alle 15 Jahre einer Neubewertung unterzogen worden, nämlich dann, wenn Patente ausliefen. Die IRA-bezogenen Preisverhandlungen könnten diesen Zyklus auf neun bis 13 Jahre verkürzen.

Prognose: Wie sind die weiteren Aussichten?

Trotz der jüngsten Schwächephase sind die längerfristigen Aussichten des Gesundheitssektors positiv. Dafür spricht vor allem für dessen enorme Innovationskraft. Vor 30 Jahren hat die Entschlüsselung eines Genoms rund eine Milliarde US-Dollar gekostet und mehr als einen Monat gedauert. Ein paar Jahrzehnte später haben die Fortschritte in der Datenanalyse und der Gensequenzierungstechnologie dazu geführt, dass derselbe Vorgang fast augenblicklich und zu Kosten von weniger als 100 US-Dollar möglich ist. Wenn wir noch KI in die Gleichung einbeziehen, besteht die berechtigte Hoffnung, dass Gesundheitsunternehmen bald Behandlungen für einige der weltweit häufigsten Krankheiten entwickeln können. Zu diesen gehören unter anderem:

  • Krebs
    Die Krankheit ist die zweithäufigste Todesursache weltweit. Entsprechend werden viele Unternehmen im Healthcare-Bereich beträchtliche Ressourcen in die Entwicklung neuer Krebs-Medikamente stecken. Die Onkologie ist ein Markt, der von 305 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 556 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 anwachsen könnte, so aktuelle Schätzungen. Das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca beispielsweise verfügt bereits heute über eine Reihe von Technologieplattformen, die in verschiedenen Krankheitsstadien und bei verschiedenen Therapieansätzen eingesetzt werden können.
  • Demenz
    Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und macht weltweit etwa 60 bis 70 Prozent aller Fälle aus. Bei der Entwicklung neuer Behandlungsansätze gibt es jedoch deutliche Fortschritte. Im Mai 2023 hat beispielsweise das US-Unternehmen Eli Lilly die Ergebnisse einer Phase-3-Studie zu seinem Medikament «Donanemab» veröffentlicht. Die Studie hat eine Verlangsamung des klinischen kognitiven Abbaus um 35 Prozent gegenüber der Placebo-Vergleichsgruppe gezeigt. Noch ist die Anwendung des Medikaments mit einer Reihe von Risiken und Nebenwirkungen verbunden, doch die Ergebnisse sind ermutigend.
  • Fettleibigkeit
    Die Belastung der globalen öffentlichen Gesundheitssysteme durch chronische Stoffwechselkrankheiten ist enorm. Bis zum Jahr 2035 wird, Schätzungen zufolge, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung fettleibig sein, und die Gesamtkosten für die Behandlung von Krankheiten im Zusammenhang mit Fettleibigkeit dürften sich auf etwa 4 Billionen US-Dollar pro Jahr belaufen. Hoffnung machen in diesem Zusammenhang neue Medikamente wie die kürzlich eingeführten GLP-1-Medikamente von Eli Lilly und Novo Nordisk. Bisherige Tests belegen eine Gewichtsabnahme von 15 bis 20 Prozent belegen. Zugleich testen Wissenschaftler die Wirksamkeit von GLP-1 bei der Behandlung von Leber-, Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Erfolgsfall könnte dies weitreichende Auswirkungen auf das globale Gesundheitssystem haben.

Wir stehen am Beginn einer goldenen Ära für den Gesundheitssektor. Healthcare steht aktuell an der Spitze innovativer Forschung und Entwicklung. In einem solchen Umfeld ist umfassendes fundamentales Research entscheidend, um Chancen adäquat beurteilen zu können. Denn mitunter kann der Erfolg eines neuen Medikaments über Erfolg oder Misserfolg eines ganzen Unternehmens entscheiden. Hilfreich ist dabei auch, wenn Analysten einen Hintergrund in Medizin mitbringen. Dieses Fachwissen im Team zu haben, hilft uns bei der objektiven Bewertung der Chancen eines neuen Medikaments oder Behandlungsansatzes.

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