Schweizer PropTechs: Zauberwort Ökosysteme?
Trotz eines beeindruckenden Beschäftigungs- und Umsatzwachstums sowie einer anhaltend hohen Neugründungsrate sehen sich die PropTechs einem raueren Gegenwind ausgesetzt als in den vergangenen Jahren. Die Zinswende und die stark erhöhte konjunkturelle Unsicherheit dürften die Mittelbeschaffung und die Beibehaltung des hohen Umsatzwachstums erschweren. Nichtsdestotrotz bleiben die PropTechs optimistisch. Um ihren Absatz zu erhöhen, suchen die meisten PropTechs ihr Heil in der Bildung von Ökosystemen. Diese wecken auch bei etablierten Immobilienunternehmen, Versicherungen oder Banken reges Interesse.
Die PropTech-Firmen sind die Speerspitze der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft. Sie verfügen über beste Wachstumsaussichten, so dass die Immobilienbranche wie auch Kapitalgeber auf deren Potenzial aufmerksam geworden sind.
PropTech oder Proptech, auch RE Tech genannt, bezeichnet die digitale Transformation der Immobilienbranche sowie die einzelnen innovativen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs.
Im Gegenwind des wirtschaftlichen Umfelds
Steigende Zinsen, hohe Marktvolatilität und verbreitete konjunkturelle Unsicherheit bescherten der PropTech-Branche in den letzten Monaten Gegenwind. An den weltweiten Börsen haben die Bewertungen öffentlich gehandelter PropTechs überdurchschnittliche Korrekturen erfahren. Indes gibt es auch ermutigende Signale: So war 2021 in Bezug auf die Investitionen in europäische PropTechs ein absolutes Rekordjahr, und die Branche hat den widrigen Umständen auch im 1. Quartal 2022 relativ gut getrotzt. Gemäss einem globalen PropTech-Vertrauensindex verströmten die Investoren Ende 2021 die höchste je gemessene Zuversicht. Die CEOs der PropTech-Startups waren hingegen nicht mehr ganz so zuversichtlich. Sie ahnen, dass Wagniskapital künftig wählerischer verteilt werden dürfte.
Schweizer PropTech-Landschaft stark in Bewegung
Die PropTech-Landschaft in der Schweiz ist weiterhin stark in Bewegung. Im Vergleich zum Vorjahr kamen nochmals 40 neue PropTech-Firmen hinzu, sodass sich deren Gesamtzahl nun auf 360 beläuft. Die Rückmeldungen der PropTechs zeigen, dass es im Jahr 2020 eine hohe Zahl von Neugründungen gab. Offensichtlich scheint die Corona-Pandemie dem Gründungseifer keinen Abbruch getan zu haben. Im Gegenteil: Der digitale Schub, den die Pandemie auch in der Immobilienbranche auslöste, hatte bei den PropTechs nochmals eine hohe Zahl von Neugründungen zur Folge. Die neuen PropTechs tragen zu einer Verjüngung der Branche bei, die sich insofern in den Ergebnissen niederschlägt, als dass sich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch in der Wachstumsphase befindet.
PropTechs verstehen sich als Teil von Ökosystemen
Das rasche Wachstum der PropTech-Branche hat das Leistungsangebot unübersichtlich gemacht. Kunden wünschen sich weniger Insellösungen und eine möglichst nahtlose Einbettung der PropTech-Angebote in ihre Wertschöpfungsketten. Ökosysteme sind in diesem Zusammenhang ein vielgehörtes Zauberwort. Ein Ökosystem kann als eine nicht streng hierarchische Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Marktteilnehmern definiert werden, die durch die Bildung eines breiten Wertschöpfungsnetzwerks den Kunden mehr Nutzen liefert als die Summe der einzelnen Leistungsangebote. Mit dem Ziel das Zusammenwirken ihrer Produkte zu verbessern, eine breitere Wertschöpfungskette abzudecken und letztlich mehr Umsatz zu erzielen, organisiert sich eine grosse Mehrheit der PropTechs zunehmend in Ökosystemen: 46% der befragten PropTechs geben an, bereits Bestandteil eines etablierten Ökosystems zu sein, zusätzliche 26% sind Teil eines aufkommenden Ökosystem. Derweilen planen knapp 28% der PropTechs in Zukunft Bestandteil eines Ökosystems zu werden. Kein einziges PropTech verneint ein Interesse an Ökosystemen (vgl. Abbildung).
Hohe Relevanz von Ökosystemen nicht nur für PropTechs
Ökosysteme liegen auch global im Trend. Die Beratungsfirma McKinsey schätzt, dass die Gesamtheit der Ökosysteme zum Thema «Wohnen» bis 2025 weltweit einen jährlichen Umsatz von USD 3.8 Billionen erzielen wird. Gemäss einer Auswertung der Credit Suisse Ökonomen taucht der Begriff Ökosysteme bereits in acht von zehn Geschäftsberichten von Immobilienfirmen, Banken oder Versicherungen auf. Ökosysteme wollen den Endkunden während seiner gesamten Customer Journey nahtlos begleiten. Dahinter steht das Geschäftsmodell, Endkunden über eine maximale «Convenience» an sich zu binden und dabei die Kundenschnittstelle zu besetzen oder im besten Falle zu monopolisieren.
Ökosysteme: Fluch oder Segen?
In der Schweiz haben sich, orchestriert zumeist von Versicherungen oder Banken, verschiedene Ökosysteme rund um das Thema «Wohnen» herausgebildet. Viele von ihnen haben als Kernangebot die Vermittlung von Hypotheken. Aber auch um den Kauf und Verkauf von Wohneigentum oder rund um die Vermietung bilden sich Ökosysteme. Während die PropTechs die Chancen solcher Ökosysteme deutlich höher bewerten als die Risiken, sind letztere nicht zu vernachlässigen. Ökosysteme streben in ihren jeweiligen Bereichen die Marktführerschaft an, bei der es zu einer «Winner-takes-it-all»-Entwicklung kommen kann, in deren Rahmen ein Oligopol oder sogar eine Monopolstellung des Marktführers resultiert. Aus Sicht von Endkunden können Ökosysteme daher letztlich mehr Fluch als Segen bedeuten.
Abbildung: PropTechs sehen ihr Heil als Teil eines Ökosystems
Der «Swiss PropTech Report 2022» der Credit Suisse findet sich hier.