Anlagejahr 2023: Vorsicht vor zu viel Optimismus

Das Jahr 2022 war das schwierigste Jahr für Multi Asset Investoren seit mehreren Jahrzehnten. Dies liegt daran, dass fast sämtliche Anlageklassen eine negative Preisentwicklung auswiesen und deshalb die Diversifikationsmöglichkeiten kaum vorhanden waren. Einzig die Energiepreise stiegen, was Anlagen die damit in Zusammenhang stehen wie beispielsweise die Rohstoff- und Energieaktien, zugutekam.

Der Subindex Energie des MSCI Aktienindizes hat in diesem Jahr mehr als 40% zugelegt, während der Gesamtindex eine Korrektur von etwa 15% ausweist. Abgesehen vom Energiesektor gehörten die defensiven Sektoren Gesundheit, Versorger und nicht-zyklische Konsumgüter zu den relativen Gewinnern des Jahres, ihre Performance blieb aber im negativen Bereich. Dies gilt auch für den Schweizer Aktienmarkt. Ein sehr schlechtes Jahr erlebten die globalen Obligationenmärkten, welche in einem Umfeld sehr hoher Volatilität Verluste in zweistelligen Bereich auswiesen. Der Schweizer Obligationenmarkt wies aber trotz seinem Kreditbias «nur» eine hohe einstellige negative Performance aus. Das liegt wohl darin, dass die schweizerische Notenbank aufgrund des im Vergleich zum Ausland moderateren Inflationsdrucks die Leitzinsen weniger stark erhöhen musste als andere Notenbanken. Folglich war der Anstiegsdruck auf die Schweizer Zinskurve weniger ausgeprägt als anderswo.

Abgesehen vom Energiesektor gehörten die defensiven Sektoren Gesundheit, Versorger und nicht-zyklische Konsumgüter zu den relativen Gewinnern des Jahres, ihre Performance blieb aber im negativen Bereich.

Anastassios Frangulidis, Chefstratege, Pictet Asset Management

Globale Konjunktur zeigt bereits Zeichen der Stagnation
Die Perspektiven für die globale Konjunktur waren vor einem Jahr sehr gut. Das Wachstum vor allem in den westlichen Ländern war als Folge der nachlassenden Covidrestriktionen robust, die Energiepreise auf einem vernünftigen Niveau und die Geldpolitik wirkte stark unterstützend, da die Vertreter der wichtigen Notenbanken die bereits anziehende Inflation als vorübergehende Natur betrachteten. Einzig in einigen Schwellenländern mussten die Notenbanken ihre Leitzinsen erhöhen, meistens um den Abwertungstrend ihrer Währungen zu verteidigen. Es ist aber wie so oft im Leben anders gekommen. Bereits im Januar hat die Fed ihre Kommunikationspolitik geändert und kurz darauf die erste Leitzinserhöhung vorgenommen. Spätestens in der Sommerzeit haben die übrigen Notenbanken der westlichen Welt mit Ausnahme von Japan nachgezogen. Dazu kam noch der Krieg in der Ukraine, welcher zu einem deutlichen Anstieg der Energiepreise führte und die Inflationsproblematik weiter anheizte. Die Haushalte in den USA, Europa und Japan sahen sich mit einem starken Rückgang ihres verfügbaren Einkommens konfrontiert und mussten ihre Ausgabepolitik den neuen Realitäten anpassen, während die Unternehmen ihre Investitionspolitik aufgrund der zunehmenden Unsicherheiten revidierten. Es überrascht deshalb nicht, dass die globale Konjunktur eher Zeichen der Stagnation zeigt, anstatt des zuvor erwarteten starken Wachstums (Grafik 1).

Grafik 1 – Stagnierende globale Konjunktur:

Quellen: Pictet Asset Management, Refinitiv, 09.12.2022

Ausblick auf das Konjunktur- und Finanzmarktjahr 2023
Wir rechnen für das neue Jahr mit einer sehr schwachen Entwicklung der globalen Konjunktur. Einige westliche Länder wie Grossbritannien oder Deutschland werden eine Rezession erleben, andere werden sich am Rand der Rezession befinden wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Während die europäischen Staaten unter den Folgen der Energiekrise leiden und deshalb weiterhin stark von der Entwicklung der geopolitischen Lage abhängig sind, repräsentiert die deutlich restriktiver werdende Geldpolitik das Hauptrisiko für die US-Konjunktur. Der massive Leitzinsanstieg im Zusammenhang mit dem Übergang von einer Politik des Quantitative Easing (QE) zur Politik des Quantitative Tightening (QT) führt gemäss unseren Berechnungen zur zweitstärksten Verschärfung der US-Geldpolitik seit dem zweiten Weltkrieg. Einzig der geldpolitische Restriktionsgrad anfangs 1980 war ausgeprägter. Der damalige Fed-Präsident, Paul Volcker sah sich gezwungen, die Realzinsen massiv steigen zu lassen, um die hohe Inflation aber auch die ausser Kontrolle geratenen kurzfristigen und langfristigen Inflationserwartungen zu brechen. Dies hat zu der damals schwersten Rezession der Nachkriegszeit geführt. Obwohl aktuelle bedeutende Marktsignale, wie beispielsweise die starke Inversion der Zinskurve, auf die konjunkturellen Risiken hinweisen, gehen wir nicht von einer Wiederholung der achtziger Jahre aus. Der Hauptgrund für diese Erwartung sind die hohen Überschussersparnisse der Haushalte im Zusammenhang mit der gesunden Lage ihrer Bilanzen. Dies erlaubt ihnen, ihre Konsumausgaben in einem kleineren Ausmass zu reduzieren, als es sonst notwendig wäre. Auch wenn eine schwere Rezession in den USA und anderswo vermeiden lässt, wird die anämische Konjunkturentwicklung zu einem Rückgang der globalen Inflation führen welche im Dezember 2023, 3.5% betragen sollte. (Grafik 2).

Grafik 2 – Globale Inflation wird fallen:

Quellen: Pictet Asset Management, Refinitiv, 09.12.2022

Die nachlassende Inflation sowie die schwache Konjunktur werden die Notenbanken veranlassen, ihren geldpolitischen Kurs zu revidieren und den Zinserhöhungsprozess zu beenden. In den USA erwarten wir, dass der Höchstpunkt der Leitzinsen im nächsten März bei einem Niveau um 5% erreicht sein wird. Das QT sollte bereits in der Sommerzeit abgeschlossen sein. Die anderen Notenbanken werden das US-amerikanische Beispiel mit einer Verspätung von wenigen Monaten folgen. Ein «dovisher» werdendes Fed wird den US-Dollar schwächer machen, die Obligationenpreise vor allem in den USA steigen lassen und die Bewertungen der risikobehafteten Anlagen wie die Aktien erhöhen. Trotzdem rechnen wir für die ersten Monaten des neuen Jahres mit einem schwierigen Umfeld für die Aktienmärkte, bevor es dann zu einer nachhaltigen Erholung kommt. Dies liegt an der Entwicklung der Unternehmensgewinne, welche bereits seit diesem Sommer rückläufig sind. Wir rechnen mit einer anhaltenden Schrumpfung der Gewinne bis Mitte nächsten Jahres. Die gesamte Korrektur sollte aber leicht unter 15% betragen und wird damit weniger ausgeprägt sein als bei früheren rezessiven Perioden (Grafik 3).

Grafik 3 – Milde Gewinnrezession in den USA:

Quellen: Pictet Asset Management, Refinitiv, 09.12.2022

Das schwierige konjunkturelle Umfeld wird zu einer besseren Performance der defensiven Titel gegenüber den zyklischen führen. Wie Grafik 4 zeigt, besteht ein starker Zusammenhang zwischen dem Industrieeinkaufsmanagerindex (ISM) in den USA und der relativen Performance von defensiven gegenüber den zyklischen Sektoren. Da der Schweizer Aktienmarkt von drei grossen defensiven Unternehmen dominiert ist, wird er wahrscheinlich zu den Gewinnern der ersten Monate des nächsten Jahres gehören.

Grafik 4 – Attraktive defensive Sektoren:

Quellen: Pictet Asset Management, Refinitiv, 09.12.2022

Bei den Obligationen sind wir vorerst vorsichtig gegenüber der Unternehmensanleihen mit einem tiefen Rating, während die globalen Staatsanleihen und insbesondere diejenigen der USA positiver beurteilt werden. Es macht zudem Sinn, die Duration des Obligationenportfolios sukzessiv zu erhöhen. Schliesslich sollten die Anlagen in Schwellenländern sowie in Gold vom erwarteten schwächeren US-Dollar profitieren. Letzteres hat sich bereits im abgelaufenen Jahr recht gut gehalten angesichts des starken Anstiegs der Realzinsen.