Pascal Mischler: «Schweizer Pharmaunternehmen sind und bleiben einflussreich.»

Die Healthcare-Industrie wird bei Investoren gerne als Quelle unerschöpflicher Investment-Opportunitäten angepriesen. Wir haben bei Pascal Mischler, CEO von Kieger, einem unabhängigen Schweizer Vermögensverwalter mit Fokus auf das Gesundheitswesen, nachgefragt, was es mit dem Investment-Thema auf sich hat.

Pascal Mischler, was antworten Sie Kritikern, die unterstellen, dass Healthcare-Investoren vom Leid Dritter profitieren wollen?

Pascal Mischler: Die Healthcare-Branche bietet attraktive Investitionsmöglichkeiten, da sie eine breite Palette von Geschäftsmodellen und Absatzmärkten umfasst. Dieser Sektor wird von verschiedenen Faktoren angetrieben, darunter eine alternde Bevölkerung, veränderte Lebensgewohnheiten, eine wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern und eine anhaltende Welle von Innovation und Digitalisierung. Diese Wachstumskatalysatoren bringen jedoch auch besondere Herausforderungen mit sich, wie beispielsweise steigende Gesundheitskosten, eingeschränkter Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung und zunehmender Druck auf die Gesundheitssysteme. Wir konzentrieren uns auf Anlagestrategien die diese Herausforderungen adressieren.

Die Healthcare-Industrie verspricht im Kampf gegen Krebs, gegen Alzheimer oder gegen Übergewicht immer wieder neue Medikamente und Therapieformen – echte Durchbrüche erfolgen aber eher selten, oder täuscht dieser Eindruck?

Meiner Meinung nach ist dieser Eindruck irreführend. Bedeutende Durchbrüche sind das Ergebnis umfangreicher Forschung, Entwicklung und oft langwieriger klinischer Studien, und sie treten nicht alle Tage auf. Bei Krebs haben wir erhebliche Verbesserungen gesehen. Seit den 90er Jahren wurden zum Beispiel bei der Bekämpfung von Brustkrebs enorme Fortschritte erzielt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie, an der eine halbe Million Frauen teilnahmen, zeigte, dass in den 90er Jahren etwa 14% der frühen invasiven Brustkrebserkrankungen innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose zum Tod führten. Bei denjenigen, die nach 2010 diagnostiziert wurden, lag das Gesamtrisiko, an Brustkrebs zu sterben, mit 5% deutlich niedriger. Aber es ist klar, dass immer noch einiges an Handlungsbedarf besteht.

Bedeutende Durchbrüche sind das Ergebnis umfangreicher Forschung, Entwicklung und oft langwieriger klinischer Studien, und sie treten nicht alle Tage auf. Bei Krebs haben wir erhebliche Verbesserungen gesehen.

Pascal Mischler, CEO von Kieger

Nahezu jedes Investment-Thema wird neuerdings auch in einem ESG-Kontext eingeordnet. Wo sehen Sie im Bereich Healthcare echte Berührungspunkte?

Unsere primäre Herausforderung liegt in dem «S»-Aspekt der ESG. Wir beobachten sorgfältig die Auswirkungen von Medikamenten und Behandlungen auf die Patienten. Gleichzeitig konzentrieren wir uns auf Unternehmen des Gesundheitswesens, die robuste «Mitarbeiterbeziehungen» aufweisen, da sie nicht nur innerhalb der Branche hervorragende Leistungen erbringen müssen, sondern auch ausserhalb der Industrie konkurrieren, um Spitzenkräfte anzuziehen und zu halten.

Welche Bedeutung haben Pharmaunternehmen wie Roche oder Novartis im globalen Wettbewerb? Verlieren die Schweizer Anbieter nicht zusehends den Anschluss an die vordergründig deutlich innovativeren Mitbewerber in den USA?

Obwohl die Schweizer Pharmaunternehmen mit einer Marktkapitalisierung von rund 200 Milliarden US-Dollar derzeit auf den Plätzen 7 und 8 hinter Eli Lilly, JNJ, Novo Nordisk, Merck, Abbvie und AstraZeneca rangieren, sind sie nach wie vor wichtige Akteure in der globalen Pharmaindustrie und bleiben einflussreich. Die Pharmaindustrie ist dynamisch, und verschiedene Faktoren beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit und die Marktgrösse. Im vergangenen Jahr, als sich der Markt auf GLP-1 (neue Medikamente gegen Fettleibigkeit) konzentrierte, stieg beispielsweise die Marktkapitalisierung von Eli Lilly um mehr als 200 Millionen US-Dollar und die von Novo Nordisk um mehr als 150 Millionen US-Dollar.

Letzte Frage: Was halten Sie von der erfolgten Abspaltung der Generika-Sparte Sandoz von Novartis?

In Anbetracht der Tatsache, dass der Markt für patentfreie Medikamente rund 80% des weltweiten Verschreibungsvolumens ausmacht und etwa 25% der Gesamtkosten ausmacht, spielen Generika und Biosimilars eine wichtige Rolle für den weltweiten Zugang zu Medikamenten.
Wir glauben, dass Sandoz als eigenständige Einheit eine schlankere und effizientere Organisation werden kann und daher eine attraktive Gelegenheit bietet, in den Bereich Generika und Biosimilars zu investieren.