10 Jahre später: mehr als «whatever it takes»

Nicht nur Draghis markige Worte retteten Italien 2012 vor skeptischen Kapitalmärkten, sondern auch bessere Wirtschaftsdaten. Diese trüben sich jetzt allerdings wieder ein.

Vor zehn Jahren, am 26. Juli 2012 sprach der damalige Präsident der EZB Mario Draghi den folgenschweren Satz: «Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird genug sein.» Das prägnantere Original «Whatever it takes» ging in die Geschichte als Beweis dafür ein, dass die wirksamsten Instrumente einer Zentralbank diejenigen sind, die erst gar nicht eingesetzt werden müssen, da ihre Existenz ausreicht, dem Markt die Grenzen aufzuzeigen. Damals waren es die Grenzen der Europäischen Union, deren Sprengung man befürchtete, da die Anleger die Zahlungsfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten anzweifelten. Heute, zehn Jahre und allein diese Woche eine historische EZB-Sitzung (Stickwort Anti-Fragmentierungsinstrument) und eine weitere italienische Regierungskrise später, dürfte sich Draghi wohl eher fragen: «What does it take», um Italien wieder auf die Spur zu bringen?

Die jüngsten Handelsbilanzdaten Italiens, aber auch anderer europäischer Länder weisen wieder in die falsche Richtung, auch wenn das derzeit hauptsächlich den stark gestiegenen Preisen für Energie-Importe geschuldet ist.

DWS

Denn Draghi, ausgebildeter Ökonom, wird am besten wissen, dass es mehr als dieses einen Satzes bedurfte, um die damalige Euro-Krise zu bewältigen. Auch wenn er ausschlaggebend dafür gewesen sein dürfte, dass der Risikoaufschlag italienischer Staatsanleihen in nur zwei Monaten von 531 Basispunkte um rund 200 Basispunkte auf 343 Basispunkte zurückging. Doch er wäre wohl kaum bis Anfang 2015 weiter auf 88 Basispunkte gefallen, hätten die Fundamentaldaten Italiens nicht dazu gepasst. Und die zeigten damals in die richtige Richtung. Wie die nachfolgende Grafik zeigt, importierte Italien Mitte 2012 für rund 60 Milliarden Euro mehr Waren als es exportierte. Schon 2013 drehte das Leistungsbilanzsaldo dann ins Positive und erreichte Mitte 2021 sogar einen Wert von über 60 Milliarden Euro. Die Investment-Experten von DWS glauben nicht, dass die Korrelation zwischen dieser positiven Entwicklung und der Einengung des Risikoaufschlags auf die Staatsanleiherenditen ein Zufall war.

Die Reparatur der externen Bilanzen – Leistungsbilanzsalden Italiens und Spaniens:

Doch die jüngsten Schlagzeilen aus Italien lassen einige Investoren schon wieder befürchten, dass sich Geschichte wiederholen könnte, da die Probleme nicht nachhaltig gelöst wurden. Die Euro-Krise hat damals die unvollendete Konstruktion der Gemeinschaftswährung schonungslos offengelegt. Und auch heute noch gleicht die Eurozone weniger einem integrierten Währungsraum als vielmehr einem Regime fester Wechselkurse mit gemeinsamer Währung, aber individueller Wirtschafts- und Fiskalpolitik und fragmentierten Arbeits- oder Bankenmärkten.

Italien teilte also damals das Schicksal mit solchen Schwellenländern, die ihre Währung an eine «harte» Währung binden und gleichzeitig steigende Leistungsbilanzdefizite aufhäufen. Ohne die Möglichkeit einer Währungsabwertung ist das langfristig – auch in der Eurozone – nicht tragbar. Die jüngsten Handelsbilanzdaten Italiens, aber auch anderer europäischer Länder weisen wieder in die falsche Richtung, auch wenn das derzeit hauptsächlich den stark gestiegenen Preisen für Energieimporte geschuldet ist. Sollte das zu einem erneuten Vertrauensverlust in Italiens Wirtschaftskraft münden, dürfte ein blosses «Whatever it takes» der Zentralbank nicht reichen.

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