Die SNB verzichtet auf unnötigen Aktivismus
Der Schweizer Leitzins bleibt vorerst bei null Prozent. Daran dürfte sich auch im Dezember nichts ändern. «Die Versuchung einer Rückkehr in negatives Terrain ist für die Währungshüter zwar gross, jedoch würde ein solcher Schritt nicht die gewünschte Wirkung erzielen», erklärt Santosh Brivio, Senior Economist der Migros Bank.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) tastet die Zinsschraube nicht an und belässt den Leitzins unverändert bei null Prozent. Dies teilte sie anlässlich ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung vom mit.
Kein Handlungsdruck
«Das Stillhalten der Währungshüter wurde von uns erwartet. Nach der Senkung vom Juni von 0,25 auf 0 Prozent verorteten wir keine Gründe für eine erneute Lockerung und ein damit einhergehendes Beschreiten negativen Terrains», erklärt Santosh Brivio, Senior Ecnomist der Migros Bank. Insbesondere an der Inflationsfront hat sich die Lage etwas beruhigt. Zwar bleiben die Deflationsrisiken erhöht. Mit einer Jahresteuerungsrate von zuletzt 0,2 Prozent und einer Kernrate von 0,7 Prozent notiert der Schweizer Preisauftrieb aber immerhin wieder innerhalb des SNB-Zielbandes von 0 bis 2 Prozent. «Für die Erfüllung ihres Mandats zur Wahrung der Preiswertstabilität erachteten wir daher eine weitere Zinssenkung als nicht notwendig», urteilt Brivio.
Santosh Brivio, Senior Economist, Migros BankWir gehen davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft das laufende Jahr mit einem vergleichsweise soliden Wachstum von rund 1,5 Prozent beschliessen wird.
«Diese Beurteilung halten wir auch mit Blick auf den nächsten Zinsentscheid vom 11. Dezember 2025 aufrecht», so Brivio. «Zwar betonte SNB-Präsident Martin Schlegel immer wieder, dass das Direktorium nicht zögern würde, bei Bedarf den Leitzins erneut in den negativen Bereich zu senken. Die Messlatte für diesen unliebsamen Schritt sollte aber anhaltend hoch liegen. Die jüngsten Andeutung der SNB-Spitze, mit einem starken Franken leben lernen zu müssen, dürfte weiterhin Bestand haben.»
Unsicherheiten halten an
Zur Begründung dieser Einschätzung erläutert Brivio: «Eine spürbare und nachhaltige Abschwächung des Frankens zeichnet sich nicht ab. Die bereits angespannte und sich weiter verschärfende Verschuldungssituation in den USA und in Europa hält die Begehrtheit der Schweiz als sicheren Anlagehafen vorerst weiter hoch. Die anhaltend maue Konjunkturlage in Europa, eine unsichere geopolitische Lage sowie politische Blockaden in namhaften europäischen Volkswirtschaften bergen für den Franken vorerst eher Aufwärts- als für Abwärtsrisiken.» Dies, zumal die Schweizer Konjunktur sich trotz des amerikanischen Zollhammers erstaunlich resilient zeigt. Nach einem starken Jahresauftakt ging der Aussenhandel im zweiten Quartal zwar deutlich zurück, während die Inlandsnachfrage gedämpft blieb. Diese Belastung und die Unsicherheiten über mögliche (absurd) hohe Pharmazölle werden vorerst andauern und für Gegenwind sorgen. «Dennoch gehen wir davon aus», so Brivio, «dass die Schweizer Wirtschaft das laufende Jahr mit einem vergleichsweise soliden Wachstum von rund 1,5 Prozent beschliessen wird.»
Der Franken als Versicherung
«Damit bleibt die hiesige Konjunkturdynamik höher als jene in der Eurozone, für die wir von einem Wachstum von rund 1 Prozent ausgehen. Allein schon aus diesem Grund wird der Schweizer Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung seine Stärke beibehalten», erklärt Brivio. Eine zusätzliche SNB-Leitzinssenkung dürfte daran kaum etwas ändern: «Europäische wie auch andere internationale Investoren sehen Anlagen in Schweizer Franken als eine Art Versicherung gegen konjunkturelle und (haushalts-)politische Unwägbarkeiten. Selbst wenn diese aufgrund eines negativen SNB-Leitzinses mehr kosten sollte, würden sie nicht im grossen Stil auf diesen Versicherungsschutz verzichten.» Damit bleibt für die Schweizerische Nationalbank der Handlungsspielraum beschränkt, in welchem sie über die Geldpolitik den Aussenwert des Frankens massgeblich abschwächen könnte. «Wir erwarten daher», resümiert Brivio, «dass sie auch im Dezember auf eine – letztlich – symbolische – Zinssenkung verzichten wird, die zudem die bekannten Kollateralschäden bei den Immobilienpreisen, Sparguthaben und Vorsorgen verursachen. Die SNB bevorzugt auch weiterhin Pragmatismus gegenüber unnötiger Hyperaktivität.»