Trumps Pläne für die amerikanische Handelspolitik bergen Risiken für alle
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen die Vertiefung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und der Abbau von Handelshemmnissen im Mittelpunkt der Aussenwirtschaftspolitik. Gerade die westlichen Industrieländer drängten mit multilateralen Konzepten wie dem GATT und der WTO auf die Öffnung des Welthandels. Doch der Wind hat in den vergangenen Jahren gedreht. Die Angst vor wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China und die Sorge um den möglichen Verlust der technologischen und politischen Führungsrolle veranlassen die Länder der westlichen Welt vermehrt, die Vorteile und Risiken des freien Welthandels zu überdenken. Und nicht zuletzt lässt sich mit dem «Schutz heimischer Arbeitsplätze» gegenüber den oft als unfair wahrgenommenen ausländischen Wettbewerbern bei Wählern auf beiden Seiten des politischen Spektrums Punkte sammeln.
Der Prozess der «De-Globalisierung» dürfte mit der Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten weiter Fahrt aufnehmen. Denn Importzölle sind für Donald Trump die Antwort auf fast alles – sie ersetzen Steuereinnahmen, treiben das Wachstuman, sorgen für Sicherheit und bestrafen nicht-willfährige Handelspartner oder Unternehmen. Seine Pläne sehen vor, alle Einfuhren in die USA mit Zöllen in Höhe von 10 oder sogar 20 Prozent zu belasten. Wo die US-Regierung unfairen Wettbewerb vermutet, könnten auch höhere «Strafzölle» verhängt werden. Und Produkte aus China sollen generell mit einem Zollsatz von mindestens 60 Prozent belegt werden. Diese Pläne übertreffen die Massnahmen aus Trumps erster Amtszeit um ein Vielfaches. Nach Schätzungen von Maurice Obstfeld und Kimberly Clausing in einer Veröffentlichung des Peterson Institute for International Economics (PIIE) vom Oktober 2024 würden die neuen Zölle mehr als 8-mal so viele Importe treffen wie die Massnahmen der ersten Trump-Regierung. Importe im Wert von 3,1 Billionen US-Dollar wären betroffen, wenn Trump seine Ankündigungen wahrmacht.
Jan Viebig, Chief Investment Officer, ODDO BHF SEMit Importzöllen schadet sich ein Land selbst.
Wie wirken sich Zölle aus? In einer theoretischen Idealwelt führen Importzölle dazu, dass die Preise für den Importeur um den Zollsatz steigen. Dadurch ergeben sich für das Importland Wohlfahrtsverluste, da die Konsumenten eine geringere Menge an Güter zu höheren Preisen beziehen. Die Importe werden zurückgedrängt, während die relativ teure und damit ineffizientere inländische Produktion ausgeweitet wird. Das Ergebnis ist eindeutig: Mit Importzöllen schadet sich ein Land selbst. Wenn es sich bei dem Importeur allerdings um ein grosses Land wie die USA handelt, ist das Ergebnis nicht mehr ganz so eindeutig, denn zwischen der importierenden Volkswirtschaft und dem Rest der Welt ergeben sich Wechselwirkungen. Die Erhebung von Zöllen in den USA schlägt sich dann auch bei Exporteuren und im Rest der Welt erheblich nieder.
In den USA wird Trumps Handelspolitik voraussichtlich einen Preisschub auslösen. Schätzungen beispielsweise des Budget Lab (Yale University) gehen davon aus, dass das Konsumentenpreisniveau in den USA um 1,4 bis 5,1 Prozent steigen könnte. Dabei ist zu beachten, dass die Importzölle natürlich auch Vor- und Zwischenprodukte treffen, so dass zahlreiche Produkte aus überwiegend heimischer Produktion und natürlich US-Exportgüter von Kostensteigerungen ebenfalls betroffen sein können. Den Einbussen der Verbraucher stehen allerdings Vorteile für die US-Hersteller gegenüber, die im Schutz der Zölle höhere Absatzpreise und -mengen realisieren können. Daneben profitiert auch der US-Fiskus, der den Zoll abschöpft. Die Vordenker des Trump’schen Konzepts wie Peter Navarro und Robert Lighthizer, Handelsbeauftragter der USA unter Donald Trump von 2017 bis 2021, postulieren, dass die ausländischen Exporteure die Masse der Belastungen tragen, während die USA durch die Stärkung der heimischen Produktion direkte und – durch positive «Nebeneffekte» – indirekte Vorteile durch Einkommenszuwächse erzielen.
Jan ViebigIn den USA wird Trumps Handelspolitik voraussichtlich einen Preisschub auslösen.
Die meisten Ökonomen bezweifeln, dass die positiven Effekte für die USA dominieren. Zahlreiche empirische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die expansive Wirkung auf die inländische Produktion gering ist. An dieser Stelle kommt ein weiterer Aspekt hinzu: In den USA herrscht bei einer Arbeitslosenquote von gut 4 Prozent praktisch Vollbeschäftigung. Die Arbeitskräfte, die für neue Produktionsstätten benötigt würden, sind nicht verfügbar. Das Wirtschaftswachstum der Biden-Jahre wurde zu einem wesentlichen Teil durch Zuwanderung ermöglicht. Die Zuwanderung will Trump allerdings unterbinden oder sogar durch Abschiebungen umkehren, und die Demografie läuft ohnehin gegen ihn. Daher könnten die Einfuhrzölle sogar dazu beitragen, dass Beschäftigte aus wettbewerbsfähigen Wirtschaftszweigen in geschützte, aber unproduktive Branchen abgezogen werden. Zudem würden vermutlich die Arbeitskosten steigen.
Die Verteilung der Preis-und Mengeneffekte im Detail und zwischen In-und Ausland hängt von Faktoren wie der Sensibilität der Nachfrage gegenüber Preisänderungen, der Verteilung von Marktmacht und den Kostenstrukturen der Produktion bei den in-und ausländischen Anbietern ab. Die Weltwirtschaft insgesamt stellt sich durch die Einführung von Importzöllen definitiv schlechter. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass gerade die europäische Exportwirtschaft, die ohnehin zu kämpfen hat und einem verschärften Wettbewerbsdruck aus China ausgesetzt ist, vor grossen Herausforderungen steht.
Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Die von Trump vorgesehene Einführung von Einfuhrzöllen wird wahrscheinlich mit ähnlichen Gegenmassnahmen von Seiten der Betroffenen – insbesondere China und EU – beantwortet werden. Die 2018 von China eingeführten Zölle auf US-Agrarprodukte – Antwort auf die US-Zölle auf chinesische Produkte – zwangen die Trump-Administration dazu, den betroffenen Farmern 28 Milliarden US-Dollar an kompensierenden Subventionen zukommen zu lassen. Im Nachgang wurde 2020 das sogenannte «Phase I Agreement» zwischen den USA und der Volksrepublik geschlossen.
Wir können einige der Argumente, die gerade im Verhältnis zu China für Einfuhrzölle sprechen, nachvollziehen. Europa sieht sich hier mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert. Insgesamt ist aber zu befürchten, dass die Einführung neuer Zölle in den USA und die zu erwartenden Gegenreaktionen der Exporteure das Wachstum der Weltwirtschaft belasten wird. Der Kuchen, der allen zur Verfügung steht, könnte dadurch künftig kleiner ausfallen. Die Europäer stehen nach unserer Einschätzung vor einer besonderen Herausforderung. Um Europas Stellung in der Weltwirtschaft zu behaupten, müssen die Unternehmen wettbewerbsfähiger und innovativer werden.