2024 wird ein gutes Jahr für die Obligationenmärkte

Wir stehen am Beginn einer neuen Ära für Obligationen: Sie sind wieder im Kommen und bieten deutlich mehr Wert.

Obligationen bilden einen wichtigen Bestandteil eines diversifizierten Portfolios. Doch wie viele Anleger wissen, haben sie eine Phase niedriger Renditen hinter sich – Zentralbanken rund um die Welt hielten die Zinsen nach der globalen Finanzkrise fast ein Jahrzehnt lang auf einem niedrigen Niveau. Glücklicherweise ist dies nun vorbei. Heute liegen die Obligationenrenditen wieder auf einem lange nicht erreichten Niveau. Da die Anfangsrenditen ein guter Indikator für zukünftige Renditen sind, sind unsere langfristigen Renditeprognosen für Obligationen gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu wissen, dass für Obligationen derzeit attraktive Coupons gezahlt werden, welche die Renditen stützen und einen stetigen Ertragsstrom bieten. Anleger sind deshalb nicht so sehr auf Kurssteigerungen angewiesen.

Heterogene Herausforderungen
Der Höhepunkt ist zwar längst überschritten, doch der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei. Ausserdem bestehen rund um den Globus nach wie vor verschiedene Herausforderungen. In den USA hält sich die Inflation hartnäckig. Trotz des hohen Leitzinses von 5,5% ist das Wachstum aber nach wie vor überraschend gut. Aus diesem Grund und zur Minderung des Risikos einer allzu raschen geldpolitischen Lockerung wird die Fed es unserer Einschätzung nach mit Zinssenkungen nicht eilig haben. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass sie die Zinsen im gesamten Jahresverlauf unverändert lassen wird, um sich zu vergewissern, dass sich die Inflation wirklich auf einem nachhaltigen Pfad in Richtung 2% befindet. Für Europa fällt unsere Einschätzung anders aus, was durch die erste Zinssenkung im Juni untermauert wird. Grund dafür ist in erster Linie, dass das makroökonomische Umfeld in Europa vollkommen anders ist als in den USA. So war das Wachstum in der Eurozone schwach und lag unter dem Trend, aber die Fortschritte bei der Inflation waren besser.

Staatsobligationen bieten die höchste Qualität und die beste Diversifikation.

Sara Devereux, Global Head of Fixed Income, Vanguard

Inflationsraten in den USA und Europa?
In den USA befinden wir uns in einer Situation, die wir als «Hard Yard» bezeichnen. Wir haben vorausgesagt, dass die letzte Meile der Inflation am schwierigsten werden würde. Genau das ist jetzt eingetreten. Im Vergleich zur Situation vor zwei Jahren hat es zwar bedeutende Fortschritte gegeben, doch die Inflation dürfte sich – insbesondere im Dienstleistungssektor – hartnäckig halten, da die Wirtschaft immer noch stark und das Lohnwachstum immer noch hoch ist. Die PCE-Kerninflation könnte Ende des Jahres bei 3% und damit über dem Ziel der Fed liegen. In Europa hingegen bewegt sich die Inflation bei Energie, Nahrungsmitteln und Kernkonsumgütern nun auf einem Niveau, das mit dem 2%-Ziel der EZB übereinstimmt. Die Dynamik im Dienstleistungssektor hat sich in den letzten Monaten beschleunigt. Wir rechnen jedoch damit, dass sie bis Ende des Jahres auf das Zielniveau zurückgehen wird. In unserer Prognose für die Eurozone gehen wir davon aus, dass die Gesamtinflation bis Ende Jahr 2% erreichen wird, wenngleich die nach wie vor unerwartet hohe Inflation im Dienstleistungssektor, die höheren Energiepreise und der schwächere Euro Aufwärtsrisiken darstellen.

Empfehlungen für Privatanleger im Hinblick auf Obligationen in diesem schwierigen Umfeld
Ich halte es für wichtig, dass Anleger diszipliniert bleiben und sich auf das konzentrieren, was sie kontrollieren können, nämlich ihre Vermögensallokation. Obligationen sind ein wichtiger Bestandteil eines diversifizierten Portfolios. Unabhängig davon, ob es sich um Fonds-, ETF-, Index- oder aktive Anlagen handelt, würde ich Anlegern raten, Obligationenpositionen in ihren Portfolios zu überdenken. Meine zweite Empfehlung: Von Market-Timing rate ich ab. Es ist schwierig, Vorhersagen im Hinblick auf die Zentralbankpolitik zu treffen und zu versuchen, das Timing von Zinsschritten zu erraten. Die gute Nachricht ist: Das ist gar nicht nötig – Anleger haben jetzt die Möglichkeit, attraktive Renditen zu erzielen, und da Obligationen wieder passable Erträge abwerfen, ist ein hervorragender Puffer für eine allfällige kurzfristige Preisvolatilität vorhanden.

Unternehmens- oder Staatsobligationen?
Staatsobligationen bieten die höchste Qualität und die beste Diversifikation. Im Moment sind ihre Renditen zudem viel attraktiver als in den letzten zehn Jahren. Unternehmensobligationen bieten im Vergleich zu Staatsobligationen zusätzliches Rendite- und Ertragspotenzial. Das liegt jedoch daran, dass mit ihnen ein zusätzliches Risiko verbunden ist, für das die Anleger entschädigt werden sollten. Unternehmensobligationen schätzen wir allgemein positiv ein. Die Bewertungen sind hoch, aber das ist gerechtfertigt: Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind stark, das makroökonomische und politische Umfeld wirkt sich im Grossen und Ganzen stützend aus und die technischen Marktfaktoren sind günstig. All dies trägt dazu bei, dass Unternehmensobligationen derzeit attraktiv sind.

Die richtige Allokation für Obligationen in einem Multi-Asset-Portfolio?
Der erste Schritt ist die Allokation: Obligationen sollten im Portfolio vertreten sein. Danach sind mehrere weitere Faktoren zu berücksichtigen: zum Beispiel der Anlagehorizont und die Risikotoleranz, die beide von Anleger zu Anleger sehr unterschiedlich ausfallen und die Vermögensallokation beeinflussen können. Multi-Asset-Produkte bieten eine Reihe unterschiedlicher Obligationen- und Aktienallokationen, um die Bedürfnisse der Anleger in einem einzigen Portfolio zu erfüllen. Ist ein Anleger beispielsweise risikoavers oder steht kurz vor der Pensionierung, kann er sich für 80% Obligationen und 20% Aktien in seinem Portfolio entscheiden – oder eben genau umgekehrt bei einem risikotoleranteren Anleger mit längerem Zeithorizont.

Die Rolle von Obligationen in einem Multi-Asset-Portfolio
Eines ist klar: Obligationen sind ein wesentlicher Bestandteil eines diversifizierten Portfolios und eignen sich gut zur Diversifikation gegenüber Aktien. Natürlich gilt das nicht für jede Minute jedes Tages, aber langfristig funktioniert es. 2022 war ganz sicher ein ungewöhnliches Jahr, aber für langfristig orientierte Anleger war das ein relativ unbedeutender Sonderfall. Über längere Zeiträume wirkten Obligationen stabilisierend und wiesen eine negative Korrelation mit Aktien auf, wenn dies am dringendsten nötig war. Wir betrachten Obligationen gerne als eine Art Versicherung – oft müssen Anleger für den Schutz und die Diversifikation zahlen, indem sie auf Renditen verzichten, aber derzeit können sie sich langfristig attraktive Renditen und Diversifikationsvorteile sichern.

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