Wie Kunden menschliche Beratung und Robo-Advisor bewerten

Die Zunahme automatisierter Beratungsangebote könnte den Schluss nahelegen, menschliche Berater seien in ihrer Existenz bedroht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie eine aktuelle Vanguard Studie zum Wert professioneller Beratung zeigt.

Mehr als 1’500 US-Anleger, die entweder menschliche oder digitale Beratung in Anspruch nehmen, wurden befragt, welche Aspekte der Beratungsdienstleistung sie besonders schätzen. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild: ob Anleger menschliche oder digitale Beratung bevorzugen, hängt von der jeweiligen Aufgabe ab. Fast 90% der befragten Digitalkunden würden einen Wechsel zu einem menschlichen Berater in Betracht ziehen. Grundsätzlich messen die Kunden, die menschliche Beratung in Anspruch nehmen, den Beratungsleistungen höheren Wert bei als die Kunden von Robo-Beratern.

Die Zukunft der Finanzberatung wird hybrid ausfallen.

Ramon Vogt, Senior Sales Executive, Vanguard

Ein Umfrageergebnis sticht heraus und lässt erhebliches Wachstumspotenzial für menschliche Berater erkennen: 88% der digital beratenen Anleger sind grundsätzlich bereit, zu einem menschlichen Berater zu wechseln. 93% der Anleger mit menschlicher Beratung schliessen einen Wechsel zu einem Robo-Berater dagegen aus.

Beratung hat immer einen Wert

Unabhängig davon, welche Art von Beratung sie in Anspruch nehmen, glauben Anleger, dass sie mit Beratung bessere Ergebnisse erzielen als allein. Anleger, die menschliche Beratung in Anspruch nehmen, schätzen ihre durchschnittliche Jahresrendite auf 15%, gehen jedoch davon aus, dass sie ohne Beratung lediglich eine Rendite von 10% erzielt hätten. Der «gefühlte» Mehrwert beträgt also 5 Prozentpunkte pro Jahr. Rein digital beratene Kunden gaben eine durchschnittliche Portfoliorendite von 24% an und schätzten die Rendite, die sie in Eigenverantwortung erzielt hätten, auf 21%, was einem Mehrwert von 3 Prozentpunkten pro Jahr entspricht.

Anleger legen Wert auf die emotionale Komponente menschlicher Beratung
Die Studie zeigt auch, dass Anleger für die emotionalen Aspekte professioneller Finanzplanung Wert auf menschliche Beratung legen. Zu den wichtigsten emotionalen Beratungskomponenten gehören unter anderem:

  • Aufbau einer persönlichen Verbindung/Beziehung: 76% bevorzugen menschliche Beratung, 16% digitale Dienste.
  • Einfühlungsvermögen für die persönliche Situation: 75% bevorzugen menschliche Beratung, 18% digitale Dienste.
  • Zuhören und Verständnis: 73% bevorzugen menschliche Beratung, 19% digitale Dienste.

Robo-Beratung erfüllt eine wichtige Aufgabe
In einigen Bereichen wünschen sich Kunden menschliche Beratung, für bestimmte Aufgaben ziehen sie dagegen digitale bzw. automatisierte Lösungen vor, z.B. für die Diversifizierung ihres Portfolios und die effiziente Verwaltung von Steuern und Kapitalgewinnen.

Insgesamt sind Kunden sehr zufrieden
Wie die Umfrage zeigt, sind 84% der Anleger mit menschlichen Beratern sowie 77% der Kunden digitaler Dienste mit dem Service zufrieden. Sie legen also grundsätzlich Wert auf professionelle Beratung, doch Abweichungen in den Antworten beider Kundengruppen lassen erkennen, dass Beratern durchaus Kunden digitaler Dienste abwerben können.

Demografische Daten spielen keine Rolle bei der Entscheidung für ein bestimmtes Beratungsmodell
Was die Automatisierung einzelner Leistungen innerhalb eines Service-Angebots angeht, so unterscheiden sich Millennials nach den Ergebnissen unserer Analyse und entgegen der landläufigen Meinung nicht von anderen Altersgruppen. Die befragten Anleger wurden in verschiedene Altersgruppen unterteilt (Millennials, Generation X, Babyboomer usw.), es konnte jedoch in ihren Antworten eine hohe Korrelation festgestellt werden. Auf den Punkt gebracht: Jüngere und ältere Anleger sind sich in der Frage relativ einig, welche Dienstleistungen automatisiert werden sollten – und welche nicht.

Insgesamt zeigen die Untersuchungen, dass Kunden sich in einigen Bereichen Automatisierung wünschen und in anderen menschliche Beratung vorziehen. Je besser die Umsetzung und Integration digitaler Prozesse in die menschliche Finanzberatung letztendlich gelingt, desto stärker werden auch die Vorzüge der persönlichen Beratung zum Tragen kommen, die durch keine Maschine zu ersetzen sind. Die Zukunft der Finanzberatung wird deshalb hybrid ausfallen. Weder die rein digitale noch die klassische Form dieser Dienstleistung werden sich eigenständig durchsetzen können. Beratungsmodelle werden sich zunehmend von der Portfolioorientierung auf individuelle Angebote für einzelnen Anleger oder Anlegergruppen sowie auf diese zugeschnittenen Lösungen verlagern. Für ganz bestimmte Aufgaben, wie unter anderem die effiziente Verwaltung von Steuern und Kapitalgewinnen, die Szenarioplanung für unterschiedliche Marktbedingungen (Was-wäre-wenn-Szenarien) oder die Portfoliodiversifikation bevorzugt die Mehrheit der Anleger dagegen digitale bzw. automatisierte Lösungen. Die persönliche Finanzberatung sollte sich darum in Zukunft auf Themenfelder fokussieren wo die persönliche Interaktion mit dem Kunden ein Mehrwert schafft.

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