US-Zölle: Schlagzeilen übertreiben – die Realwirtschaft kontert

Die jüngsten Handelsmassnahmen haben zwar Spuren hinterlassen, die Widerstandskraft der US-Wirtschaft ist jedoch grösser als vielfach erwartet.

Fünf Gründe, warum die US-Wirtschaft den Zöllen bislang Paroli bieten konnte:

Die effektive Belastung ist niedriger als der nominelle Satz
Nach unserer Einschätzung zahlen US-Unternehmen im Schnitt derzeit rund elf Prozent auf Importe, obwohl die nominellen Abgaben höher ausfallen. Firmen haben Zeit gewonnen durch Vorzieheffekte, Umleitungen von Lieferketten und administrativen Ausnahmen. Viele haben Puffer aufgebaut und Kosten verschoben.

Die makroökonomischen Effekte entsprechen in etwa der Faustregel
Wir verweisen auf den Erfahrungswert, wonach ein Prozentpunkt zusätzlicher Zölle die Teuerung um etwa zehn Basispunkte nach oben treibt und das Wachstum um rund fünf Basispunkte senkt. Übertragen auf das aktuelle Niveau ergibt sich ein moderater Schub für die Inflation und ein leichter Gegenwind für das Bruttoinlandsprodukt. Das ist spürbar, aber kein Wachstumsstopp.

Zölle sind kein Nullsummenspiel, aber sie wirken oft langsamer und diffuser als Schlagzeilen suggerieren.

Arne Tölsner, Head of DACH Client Group, Capital Group

Der Preisdruck kommt zeitversetzt an
Da die tatsächliche Belastung schrittweise gestiegen ist und Lagerbestände erst nach und nach zu neuen Preisen ersetzt werden, zeigen sich die Folgen peu à peu. Der Warenimport macht ausserdem nur einen begrenzten Anteil der Wirtschaftsleistung aus, was extreme Ausschläge abfedert. Die Effekte laufen noch durch die Wertschöpfungsketten.

Verhandlungen und Politik bleiben ein laufender Prozess
Zwar gewinnen Gespräche über Handelsabkommen wieder an Bedeutung, etwa bei der anstehenden Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA sowie bei regionalen Massnahmen einzelner Partner. Handelspolitik bleibt aber ein wiederkehrendes Thema, aber mit weniger Überraschungseffekten als zum Start der Massnahmen

Globalisierung wandelt sich, sie endet nichtTrotz Unsicherheit läuft der grenzüberschreitende Austausch weiter. Muster ändern sich, Wertschöpfung verlagert sich näher an die Absatzmärkte, doch der globale Handel bleibt aktiv. Wir sehen eine neue Architektur mit regionalen Blöcken und multilokalen Modellen.