Die Widerstandskraft der Aktienmärkte ist im Dauertest
Es prasselt einiges an negativen Meldungen auf die Aktienmärkte ein, nicht erst in den letzten Tagen und Wochen, sondern schon seit dem letzten Sommer. Auf und Abs von 5% oder mehr wechselten sich deshalb regelmässig ab.
Bisher konnten sich die Aktienmärkte auf tieferen Niveaus immer wieder auffangen und die Verluste aufholen. Die Widerstandskraft scheint bei den einen zu bröckeln, während andere sich nach wie vor wacker halten. Der technologielastige Nasdaq hat in den letzten Wochen 15% verloren, während der Swiss Performance Index das Niveau halten konnte. Die anderen Indizes befinden sich irgendwo dazwischen. Angefangen hat es mit dem Anstieg der Inflation, der sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahres verstärkte und nicht wie erwartet entspannte. Das schürte die Angst vor einer Zinswende. Diese ist mittlerweile Tatsache und die Prognosen für die Schnelligkeit und das Ausmass, wie die Zinsen in den nächsten Monaten angehoben werden sollen, schiessen in die Höhe. Dass die Zinsen aktuell immer noch tief sind und die Wirtschaft stützen, wird dabei vergessen. Die Fed wird zudem diese Woche ihren Fahrplan für die Reduktion ihrer Bilanz präsentieren, was die Befürchtungen vor dem Ende des billigen Geldes weiter anheizt. Irgendwann in den nächsten Monaten wird man sich an die regelmässigen Zinserhöhungen gewöhnt haben und der Abbau der Fed-Bilanz wird im Hintergrund voranschreiten, ohne dass sich die Aktienmärkte noch darum kümmern.
Alte Sorgen
Der Lockdown in Shanghai und der damit verbundene Schiffsstau vor einem der wichtigsten Häfen in China hat die Lieferkettenproblematik wieder zum Thema gemacht. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage diesbezüglich auch nicht verbessert. Eine der Schwierigkeiten ist die mangelnde Transparenz. Dass viele Firmen darunter leiden, ist unbestritten. Schwer abzuschätzen wie gravierend es ist.
Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler KantonalbankDer Lockdown in Shanghai und der damit verbundene Schiffsstau vor einem der wichtigsten Häfen in China hat die Lieferkettenproblematik wieder zum Thema gemacht.
So hat sich beispielsweise das angedrohte Fehlen von Spielwaren im Weihnachtsgeschäft nicht bewahrheitet. Zudem haben viele Firmen im letzten Jahr ihre Lager als Vorsichtsmassnahme aufgefüllt und teilweise gar überfüllt. Die Lieferkettenproblematik wird sich nicht von heute auf morgen auflösen. Sie wird aber in der öffentlichen Wahrnehmung wieder an Bedeutung verlieren. Die Rohstoffpreise sind durch den Krieg in der Ukraine weiter angestiegen. Während für die Entwicklungsländer die höheren Nahrungsmittelpreise eine riesige Belastung bedeuten, sind die höheren Energiepreise für die Industrieländer zu bewältigen, teilweise auch dank staatlichen Unterstützungsbeiträgen. Die Unsicherheit wird dadurch geschürt, dass sich die Lage jederzeit ändern kann, etwa durch den Stopp von russischen Erdgaslieferungen nach Westeuropa.
Neue Chancen
Bei all den negativen Meldungen haben es die positiven Argumente für die Aktien schwer. Trotz dem negativen BIP-Wachstum in den USA im ersten Quartal von -1.4% ist die Verfassung der US-Wirtschaft gut. Die private Nachfrage und die Investitionen der Unternehmen sind solide. Die Arbeitslosigkeit ist sowohl in den USA als auch in Europa auf einem tiefen Niveau. Zudem hat die Wirtschaft gezeigt, dass sie sich an neue Rahmenbedingungen anpassen kann. Trotz steigenden Kosten und höheren Zinsen werden sich Unternehmen mit guten Produkten auch in den nächsten Monaten und Jahren gut schlagen. Das spricht dafür, in die Aktien dieser Firmen zu investieren. Durch die Kursverluste der letzten Wochen ergeben sich in einzelnen Titel dazu auch Möglichkeiten auf tieferen Niveaus. Solche Käufe sollten ein mittelfristiges Ziel haben. Kurzfristig werden sich die Sorgen der Anlegerinnen und Anleger nicht in Luft auflösen, weshalb weitere Kursverluste in den nächsten Wochen nicht auszuschliessen sind.