Im November zurück an die Börse: Stimmt diese Börsenweisheit?

«Sell in May and go away, but remember to come back in November» lautet ein bekannter Börsenweisheit. Er rät, Aktien im Mai zu verkaufen und im November wieder zu kaufen. Doch lohnt sich diese Strategie wirklich?

Viele Anlageklassen scheinen die Tendenz zu haben, sich zu bestimmten Zeiten – beispielsweise an bestimmen Tagen, Monaten oder Jahren – in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Solche sogenannten Kalenderanomalien oder Saisonalitäten können verschiedene Ursachen haben. Diese sind jedoch häufig umstritten und lassen sich oft nicht eindeutig bestimmen. Eine Rolle spielen können beispielsweise ökonomische Gründe, Feiertage, Steuerüberlegungen oder psychologische Muster. Eines der bekanntesten saisonalen Muster ist die Börsenweisheit «Sell in May and go away, but remember to come back in November».

Eine Handelsstrategie mit Bezug zur besagten Börsenweisheit wird so aufgesetzt, dass der Anleger seine Aktienanlagen zwischen April und November verkauft und das Geld in Liquidität oder Zinswerten hält.

Christian Huber, Leiter Aktienresearch, VZ VermögensZentrum

Dahinter steht unter anderem die Erkenntnis, dass Aktien in den Monaten November bis April im Durchschnitt deutlich besser abschneiden als die Monate Mai bis Oktober. Eine Handelsstrategie mit Bezug zur besagten Börsenweisheit wird so aufgesetzt, dass der Anleger seine Aktienanlagen zwischen April und November verkauft und das Geld in Liquidität oder Zinswerten hält. Das VZ hat den saisonalen Effekt untersucht. In der Analyse wurde diese Handelsstrategie so lange zurückgerechnet, wie es die Datenverfügbarkeit zulässt. Aufgrund der Renditen in den vergangenen Jahren lässt sich die Existenz des Effektes für globale Aktien nicht mehr bestätigen. So waren zwar der Juni, der August und der September die Monate mit der tiefsten durchschnittlichen Rendite, gesamthaft hätte jedoch eine Kaufen-und-Halten-Strategie besser abgeschnitten.

Auch in diesem Jahr wäre man bislang mit einem Verkauf im Mai schlechter gefahren als mit einer Kaufen-und-Halten-Strategie. Der Weltaktienindex MSCI World erzielte beispielsweise in den Monaten März und April seine schwächste Rendite. Dennoch kann eine solche Strategie über gewisse Zeiträume profitabel sein. Sie eignet sich nur für Anleger, die sie konsequent über einen sehr langen Zeitraum umsetzen. Die Umsetzung einer solche Strategie hat sich inzwischen stark vereinfacht, denn das Angebot an kostengünstigen passiven Anlagefonds (ETF und Indexfonds) hat in den letzten Jahren zugenommen. Und wer eine Bank mit tiefen Transaktions- und Depotgebühren wählt, kann die Strategie noch kosteneffizienter ausführen. Schliesslich sind die Ursachen für den Effekt, wie eingangs erwähnt, nicht genau geklärt. Solange sich die Existenz des Effektes nicht begründen lässt, sollten Anleger kritisch gegenüber einer Marktsaisonalität eingestellt sein und ihre Positionen nicht saisonal verkaufen.

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