Renat Heuberger: «Ich bin ein hartnäckiger und ungeduldiger Optimist.»

Die drängenden Umwelt- und Klimaprobleme erfordern ein entschlossenes Handeln – nicht nur von der Finanz- und der Realwirtschaft. Gefordert ist die Gesellschaft als Ganzes. South Pole entwickelt und implementiert vor diesem Hintergrund ganzheitliche Strategien zur Emissionsreduzierung, die den Klimaschutz in langfristige Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen, Regierungen und Organisationen in aller Welt verwandeln. Wir wollten von Renat Heuberger, Gründer und CEO von South Pole wissen, was ihn antreibt bzw. wohin seine unternehmerische Reise gehen wird – und haben nachgefragt.

Renat Heuberger, wie entsteht aus einer Garage in der ETH Zürich ein Unternehmen wie South Pole? Wie kommt eine junger ETH-Student auf die Idee, das globale Klima zu retten?

Renat Heuberger: Bereits als junger Studenten war mir klar, dass wir die globale Klimakrise – die Vorzeichen waren damals bereits klar erkennbar – nur lösen können, wenn der Privatsektor ein Teil dieser Transformation ist. Früher war es anstrengender und es brauchte Überzeugungsarbeit, die Leute auf den Klimawandel und die globale Erwärmung hinzuweisen. Heute erleben wir die ersten Folgen der Klimakrise und der Handlungsdruck ist grösser denn je.

Jetzt aber konkret: Welchen Mehrwert stiftet South Pole im Zusammenhang mit dem Klimaschutz?

South Pole bietet ganzheitliche Lösungen an, wir nehmen Unternehmen mit auf ihre eigene «Climate Journey». Das beste dabei: Jede Firma, ob gross oder klein, und aus welchem Sektor auch immer, kann mitmachen, und zwar gleich ab sofort. Diese Reise beinhaltet mehrere Schritte: Zunächst berechnen wir den CO2-Fussabdruck, sowohl in der Firma wie auch in der Wertschöpfungskette. Wir analysieren zusätzlich auch die Klima-Risiken. Wir erarbeiten dann Klimaziele mit der Firma – beispielsweise ein Netto-Null-Ziel oder ein Klimaneutralitäts-Ziel, wichtig dabei ist es, dass immer auch Zwischenschritte und Meilensteine gesetzt werden.

Klimaschädliche Geschäftstätigkeiten werden mit stetig wachsendem Druck aus der Bevölkerung und zunehmenden Umweltkatastrophen auch wirtschaftlich nicht mehr rentabel sein.

Renat Heuberger, Gründer und CEO von South Pole

Danach beginnt der wichtigste Teil der Journey: Jahr für Jahr soll CO2 reduziert werden, unvermeidbare Emissionen durch zertifizierte Projekte kompensiert werden. Bei diesem Schritt zeigt sich South Poles DNA als Entwicklerin von Klimaschutzprojekte auf der ganzen Welt. Mit unserer Erfahrung können wir unseren Kunden sogar dabei helfen, effektiven Klimaschutz direkt in der eigenen Wertschöpfungskette umzusetzen. Zuletzt folgt dann der für viele Kunden schönste Teil der Journey: Eine transparente, ehrliche und überzeugende Kommunikation des Engagements nach innen und aussen, die möglichst viele weitere Firmen inspiriert, sich ebenfalls für mehr Klimaschutz einzusetzen.

Wie würde Sie ihr berufliches Umfeld beschreiben? Sind Sie in Sachen Klimaschutz ein Fanatiker oder doch eher ein Pragmatiker?

Christiana Figueres, ehemalige Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen bezeichnet sich selbst oft als «sture Optimistin». Ich würde sagen, dass ich ein hartnäckiger und ungeduldiger Optimist bin – ich bin seit mehr als zwei Jahrzehnten in diesem Bereich tätig, und trotz einiger unglaublicher Fortschritte in verschiedenen Sektoren und Regionen bin ich immer wieder überrascht über das langsame Tempo der Regierungen und bestimmter Sektoren, wenn es um Klimaschutzmassnahmen geht. Zu viele Unternehmen bewegen sich zu langsam und verfolgen einen schrittweisen Ansatz für eine Herausforderung, die ein radikales Umdenken erfordert. Abwarten macht die Sache nicht einfacher, und die Unternehmen werden in Schwierigkeiten geraten. Jetzt ist nicht die Zeit, um vorsichtig oder schwach zu sein. Jetzt ist es an der Zeit, dass Unternehmen eine glaubwürdige Führungsposition im schnell wachsenden Net-Zero-Bereich einnehmen.

Wie realistisch sind die Chancen, den globalen Klimawandel überhaupt noch zu stoppen. Reagieren wir nicht Jahre zu spät?

Die Erderwärmung ist bereits weit fortgeschritten. Ganz stoppen, können wir den Klimawandel nicht, aber wir können ihn eindämmen. Die globalen Folgen zwischen dem 1,5°C- und dem 2°C-Szenario unterscheiden sich drastisch. Deshalb müssen wir jetzt alles Erdenkliche veranlassen, um die Katastrophe zu vermeiden und den Klimawandel so stark wie möglich eindämmen. Jedes Grad zählt!

Börsenkotierte Unternehmen werden nicht umhinkommen, Massnahmen gegen den Klimawandel einzuleiten. Besteht nicht die Gefahr, dass Private Equity-Investoren, mit weniger Skrupel einspringen und sich hier ein Schlupfloch öffnet?

Selbst Investoren mit weniger Skrupel können den Klimawandel mittlerweile nicht mehr leugnen und müssen anerkennen, dass dieser direkte Auswirkungen auf ihre Geschäfte, ihre Lieferketten und ihre persönlichen Leben hat. Klimaschädliche Geschäftstätigkeiten werden mit stetig wachsendem Druck aus der Bevölkerung und zunehmenden Umweltkatastrophen auch wirtschaftlich nicht mehr rentabel sein.

Stichwort Mobilität: Diesel, Strom oder gleich Wasserstoff?

Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien! Auch Wasserstoff könnte zukünftig eine wichtige Rolle spielen, jedoch ist dieser in der Herstellung noch lange nicht umweltfreundlich genug, um als nachhaltigen Kraftstoff zu dienen. Es müssen noch Methoden entwickelt werden, die wirklich nachhaltig sind.

Unser Klima wird auch durch unser Ernährungsverhalten stark beeinträchtigt. Müssen wir uns vom konventionellen Kotelett verabschieden und uns mit Biotech-Fleisch aus Zellkulturen anfreunden?

Die konventionelle Landwirtschaft verfügt über ein enormes Potenzial, um Emissionen einzusparen. Unsere Lebensmittelsysteme sind reif für eine Revolution. Modernste digitale Technologien, innovative Klimafinanzierung für Landwirte und ein stärkeres Engagement entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten werden die Schlüssel sein, um die Landwirtschaft klimafreundlich auszugestalten.

Und welchen Beitrag leisten Sie ganz privat an den Klimaschutz?

Ganz privat besitze ich kein Auto, bin wenn immer möglich mit Velo und dem Zug unterwegs und esse mehrheitlich vegetarisch. Leider ruinieren einige wenige unvermeidliche Geschäftsflüge meine persönliche Klimabilanz – wenn immer möglich, vermeide ich aber die Reisen per Flugzeug. Und wenn es doch nicht anderes geht, dann fliege ich immer in der Economy Class, denn ein Flug in der Business oder First Class verursacht bis zu dreimal so viele Emissionen.

Hauptbildnachweis: South Pole