Die konjunkturelle Aufhellung in Deutschland reicht nicht aus
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat letzte Woche die Konjunkturprognose für die deutsche Wirtschaft angehoben. Er rechnet nun in diesem Jahr 2024 mit einem Wachstum von 0,3 Prozent anstatt zuvor mit 0,2 Prozent. Es ist ein kleiner Schritt, und es ist nicht erstaunlich, dass Habeck diese Verbesserung öffentlichkeitswirksam ankündigt. Jeder Wirtschaftsminister verbreitet lieber Optimismus als schlechte Nachrichten.
Das wirtschaftliche Umfeld präsentiert sich in einzelnen Bereichen etwas weniger düster. Neben den zarten konjunkturellen Silberstreifen ist vor allem der Rückgang der Inflation wichtig. Die jährliche Teuerung ist im Euroraum im März 2024 auf 2,4 Prozent gefallen. Die Kerninflation, bei der die Segmente Nahrung und Energie ausgeklammert werden, liegt nun bei 2,9 Prozent. Das räumt der Europäischen Zentralbank einen grösseren Handlungsspielraum ein und könnte der europäischen Wirtschaft – wie die meisten Ökonomen erwarten – noch vor der Sommerpause eine erste Zinssenkung verschaffen.
Jan Viebig, Chief Investment Officer, ODDO BHFDeutschland bleibt in Europa mehr Wachstumsbremse als Wachstumsmotor.
Ob wir allerdings schon einen «konjunkturellen Wendepunkt» erreicht haben, wie Habeck in seiner Pressemitteilung verkündete, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig sagen. Auch mit einem Wachstum von 0,3 Prozent bleibt die deutsche Wirtschaft weiter hinter dem Wert zurück, den sie erreichen müsste. Der IWF erwartet für Deutschland in seiner aktuellen April-Prognose für 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Damit liegt die deutsche Wirtschaft unter dem Mittelwert für den Euroraum von 0,8 Prozent – Deutschland bleibt in Europa mehr Wachstumsbremse als Wachstumsmotor. Aber auch die Eurozone wird laut IWF schlechter abschneiden als die USA, für die der Währungsfonds mit 2,7 Prozent in diesem Jahr 2024 rechnet.
Wir verstehen uns als langfristige Investoren und messen Unternehmen vor allem an der Eigenkapitalrendite, die sie durch eine überzeugende Unternehmensführung erreichen. Diese Kennziffer zeigt, wie gut ein Unternehmen das Geld, das ihm die Aktionäre anvertrauen, verzinst. Mit einer Eigenkapitalrendite von rund 12 Prozent stehen die europäischen Aktienmärkte und die dort gelisteten Unternehmen insgesamt gut da. Doch die Unternehmen an den amerikanischen Aktienmärkten erreichen im Mittel knapp 18 Prozent.
Jan ViebigMit einer Eigenkapitalrendite von rund 12 Prozent stehen die europäischen Aktienmärkte und die dort gelisteten Unternehmen insgesamt gut da. Doch die Unternehmen an den amerikanischen Aktienmärkten erreichen im Mittel knapp 18 Prozent.
Der marktbreite Aktienindex S&P 500 ist in den USA in den vergangenen zwölf Monaten (einschliesslich der Ausschüttungen) um fast 28 Prozent gestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie der Euro Stoxx in diesem Zeitraum….
Ein zweiter wichtiger Aspekt ergibt sich ebenfalls daraus, dass unser Ansatz auf langfristige Engagements an den Aktienmärkten ausgerichtet ist. Wir versuchen die wirtschaftlichen Trends zu identifizieren, die das wirtschaftliche Umfeld in den kommenden Jahren verändern werden. Das sind aus unserer Sicht Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz oder auch Gesundheit. Im Tech-Bereich setzen amerikanische Unternehmen aktuell weltweit die Massstäbe. Aber auch in der Medizintechnik lassen sich an den amerikanischen Aktienmärkten interessante Unternehmen zu einer angemessenen Bewertung finden.
Die Bewertungen an den amerikanischen Aktienmärkten sind mit dem Kursanstieg in die Höhe gegangen. Das ist richtig. Besonders auf den Tech-Sektor trifft diese Beobachtung zu. In den USA werden Analysten und Investoren dieses Mal besonders darauf achten, ob die Zahlen der amerikanischen Unternehmen das grosse Vertrauen der Anleger in sie rechtfertigen können. Doch trotz der insgesamt hohen Bewertungen an den amerikanischen Aktienmärkten lassen sich auch dort noch Unternehmen finden, in die ein Investment lohnt. Europa bietet interessante Titel mit attraktivem Geschäftsmodell, und dies häufig zu niedrigeren Bewertungen als die USA. In diese investieren wir auch. Doch sehen wir zurzeit keinen Grund, von unserer starken Ausrichtung auf die amerikanischen Märkte abzurücken.