Wenn die Märkte verrücktspielen: Drei unbequeme Wahrheiten

Schock-Nachrichten, fallende Kurse, Unruhe an den Börsen: Wieder einmal bricht eine Krise über uns herein. Diesmal geht es um meine Rente, meine Hausanzahlung, die Zukunft meiner Kinder. Dieses Mal ist es anders. Die Realität: Das war bereits beim letzten Absturz der Fall. Und beim vorletzten auch.

Die Wahrheit ist: Krisen sind völlig normal. Alle vier Jahre stürzt der Aktienmarkt um 20 Prozent ab, fast jedes Jahr um 10 Prozent. Trotzdem vergessen wir das immer wieder. Selbst als erfahrener Anleger fragt man sich: Bringt mir diese Statistik wirklich etwas, wenn mein Portfolio an Wert verliert? Hier die unbequeme Realität: Langfristig ist die Börse ein Vermögens-Turbo, aber Volatilität ist der Preis, den man dafür bereit sein muss zu zahlen.

Die Wahrheit ist: Krisen sind völlig normal. Alle vier Jahre stürzt der Aktienmarkt um 20 Prozent ab, fast jedes Jahr um 10 Prozent.

Duncan Lamont, Head of Strategic Research, Schroders

Das grosse Vergessen
Ein Blick zurück hilft das besser zu verstehen. In den letzten fünf Jahren haben sich die Aktienmärkte weltweit mehr als verdoppelt. Wer stattdessen auf Nummer sicher ging und sein Geld auf dem Sparkonto parkte, bekam lediglich 14 Prozent Zuwachs. Konkret: Aus 10’000 US-Dollar wurden 20’700 US-Dollar an der Börse – in Cash nur 11’400 US-Dollar. Trotzdem ist es ausserordentlich schwer, bei Crashs ruhig zu bleiben. Objektiv und emotional distanziert zu sein, während die Kurse abstürzen? Das schafft fast niemand. Aber genau hier helfen Daten dem Bauchgefühl zu widerstehen.

Abstürze gehören zum Geschäft
Betrachten wir die vergangenen 53 Jahre Börsengeschehen. Das Ergebnis: In 30 Jahren gab es Einbrüche von mindestens zehn Prozent. Die grossen Crashs von 20 Prozent und mehr? Geschehen alle vier Jahre – insgesamt 13-mal in 53 Jahren. Allein im letzten Jahrzehnt: 2015, 2016, 2018, 2020, 2022, 2023. Falls es dieses Jahr wieder kracht, wären es vier Mal in acht Jahren. Trotzdem: Langfristig entwickelten sich die Märkte sehr positiv.

Abbildung 1: Die grössten Börsenverluste in jedem der letzten 53 Kalenderjahre, MSCI World (USD)

Beinahe 100 Jahre US-Börsendaten zeigen: Wer nur einen Monat investiert, schlägt die Inflation in 60 Prozent der Fälle. Bargeld schafft das genauso oft – kein Vorteil für Aktien. Aber je länger man investiert bleibt, desto besser wird es: Nach einem Jahr gewinnen Aktien in 70 Prozent aller Fälle gegen die Inflation. Nach fünf Jahren: 80 Prozent. Nach zehn Jahren: fast 90 Prozent. Und hier kommt das entscheidende Argument: In keinem einzigen 20-Jahres-Zeitraum haben Aktien gegen die Inflation verloren. Bargeld hingegen? Verliert seit 2011 kontinuierlich gegen die Teuerung. Die letzte Fünf-Jahres-Periode, in der Cash die Inflation schlug, war 2006 bis 2011.

Abbildung 2: Prozentualer Anteil der Zeiträume, in denen US-Aktien und Bargeld die Inflation übertroffen haben, 1926 bis 2024

Wenn der VIX-Index durch die Decke geht, bekommen Anleger kalte Füsse. Der Volatilitäts-Barometer misst, wie nervös die Trader sind. Aktuell steht er bei 45, normalerweise liegt er bei 19. Aber Vorsicht: Wer bei hoher Volatilität panisch verkauft, zahlt einen hohen Preis. Berechnungen zeigen: Eine Strategie, bei der bei einem VIX von mehr als 33 aus Aktien geflüchtet und in Bargeld investiert wird, bringt nur 7 Prozent Rendite pro Jahr. Wer konsequent in Aktien bleibt, macht 9,7 Prozent pro Jahr. Das sind 2,7 Prozentpunkte Renditeunterschied – Jahr für Jahr. Geopolitische Spannungen, Handelskriege, Inflation – die Liste der Horrorszenarien wird nie kürzer. Es gibt immer einen Grund zur Sorge. Aber wer sich davon leiten lässt, zahlt einen hohen Preis. Die Geschichte ist eindeutig: Aktien schlagen Anleihen, Anleihen schlagen Bargeld. Das ist kein Zufall, sondern folgt einem System. Wer langfristig denkt und sich nicht von jeder Schreckensmeldung aus der Ruhe bringen lässt, wird belohnt.

Was jetzt zu tun ist
Klar, jeder Fall ist anders, und nur jeder selbst weiss, was für ihn richtig ist. Doch die historischen Datenreihen sind eindeutig: Wer reflexartig auf Krisen reagiert, verpasst oft die besten Chancen. Ja, die Welt wird nicht friedlicher. Ja, die Unsicherheiten nehmen zu. Aber für langfristig denkende Anleger gilt nach wie vor: Ruhe bewahren, am Plan festhalten – und Volatilität als Chance sehen, nicht als Bedrohung. Das klingt einfach, ist aber schwer umzusetzen. Besonders wenn sich das Portfolio im Sinkflug befindet. Aber die Daten zeigen es deutlich: Geduld zahlt sich aus.

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