Anleihen erfahren wieder starken Gegenwind, Gold bleibt aber stabil
Die nominalen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen sind auf den höchsten Stand seit 2007 geklettert. Gerade als wir dachten, der Abverkauf von Anleihen des Jahres 2022 läge hinter uns, kam er mit voller Wucht zurück. Straffungsorientierte Protokolle des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) und positive Wirtschaftsdaten aus den USA lassen Zweifel daran aufkommen, ob dort tatsächlich der Höchststand der Zinsen erreicht ist. Die US-Notenbank (Fed) hat sicherlich die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen offengelassen – ihre Entscheidungen werden stark von der Datenentwicklung abhängen.
Gemessen an den Rentenmärkten hält sich Gold gut (Abbildung 1). Der Goldpreis fiel vorübergehend unter die psychologisch wichtige Marke von 1‘900 US-Dollar pro Unze, doch sind die Preise für inflationsgeschützte Staatsanleihen (TIPS) noch viel weiter gesunken. Unter sonst gleichen Bedingungen würde der Rentenmarkt darauf hindeuten, dass Gold näher bei 1‘800 US-Dollar pro Unze gehandelt werden sollte. Die Widerstandsfähigkeit von Gold im letzten Monat deckt sich mit seiner Resistenz gegenüber dem Gegenwind bei Anleihen im Jahr 2022.
Abbildung 1: Gold vs. Realzinsen (TIPS-Rendite)
Gold hat auch mit Gegenwind durch den US-Dollar zu kämpfen, da der Dollar-Korb (DXY) im letzten Monat (bis zum 22. August 2023) um 2,1% gestiegen ist. Der Goldpreis ist dem US-Dollar weitgehend gefolgt (Abbildung 2). Mit einer restriktiveren Haltung der Fed steigt das Risiko einer weiteren Aufwertung des Dollars.
Abbildung 2: Goldpreis und Dollar-Korb
Die Zentralbanken kauften im Juni netto 55 Tonnen Gold, nachdem sie drei Monate in Folge verkauft hatten. Die Wiederaufnahme von Nettokäufen durch die türkische Zentralbank (Central Bank of Türkiye, CBRT) im Juni trug zur Umkehr eines vorübergehenden Trends bei. Nachdem die Notenbank zwischen März und Mai umfangreiche Nettoverkäufe getätigt hatte, um die lokale Nachfrage zu decken, ging sie im Juni wieder zu Nettokäufen über und stockte ihre offiziellen Reserven um 11 Tonnen auf. Die gesamten Goldreserven der CBRT beliefen sich Ende Juni auf 440 Tonnen (29% der Gesamtreserven).
Nitesh Shah, Head of Macroeconomic Research, WisdomTreeDie Chinesische Zentralbank war im Juni der grösste Goldkäufer und stockte ihre Goldreserven um 21 Tonnen auf – der achte Monat in Folge, in dem sie Gold kaufte.
Die Chinesische Zentralbank war im Juni der grösste Goldkäufer und stockte ihre Goldreserven um 21 Tonnen auf – der achte Monat in Folge, in dem sie Gold kaufte. Seit sie ab November 2022 Zuwächse meldete, sind die Goldreserven um 165 Tonnen (+8%) gestiegen, von denen 103 Tonnen im Jahr 2023 gekauft wurden. Damit ist die Zentralbank seit Jahresbeginn der grösste Käufer. Die Polnische Nationalbank (National Bank of Poland, NBP) war im Juni ein weiterer bedeutender Käufer und erhöhte ihre Goldreserven um 14 Tonnen. Dies ist der dritte Monat in Folge, in dem die Bank Gold kauft. Im letzten Jahr hatte sie angekündigt, sie wolle ihre Goldreserven um 100 Tonnen aufstocken. Seit Jahresbeginn hat die NBP 48 Tonnen hinzugekauft, wodurch sich ihr Gesamtbestand an Gold auf 277 Tonnen erhöht hat.
Abbildung 3: Goldkäufe der Zentralbanken
Im zweiten Quartal 2023 war die CBRT ein Nettoverkäufer von Gold, da die Regierung ein vorübergehendes Verbot für Goldimporte verhängt hatte und die Inlandsnachfrage in die Höhe schoss. Die CBRT war bestrebt, den lokalen Bedarf an Goldliquidität zu decken. Aufgrund der häufigen Währungsschwankungen, der hohen Inflation und der politischen Unbeständigkeit ist die Türkei seit Jahrzehnten ein grosser Goldabnehmer, da das Edelmetall sowohl als finanzielles als auch als geopolitisches Absicherungsinstrument gilt. Die unkonventionelle Wirtschaftspolitik der Türkei liess die Inflation im Oktober 2022 auf 85% ansteigen. Derzeit (im Juli 2023) beträgt die Inflationsrate 48 %, der Leitzins liegt bei «nur» 17,5%. Die CBRT hat vor Kurzem ihre Inflationsprognose für das Jahresende von 22% auf 58% angehoben. Im zweiten Quartal 2023 wurde die Nachfrage nach Gold in der Türkei überwältigend. Die Nachfrage nach Barren und Münzen verfünffachte sich im zweiten Quartal 2023, wodurch die Nachfrage des ersten Halbjahres auf insgesamt 98 Tonnen kletterte – ein Rekordwert für das Land. Auch die Schmucknachfrage bleibt robust.
Abbildung 4: Goldnachfrage der türkischen Privatanleger
Privatanleger in der Türkei und auf anderen Märkten zeigen zwar nach wie vor eine starke Nachfrage, die Stimmung der institutionellen Anleger gegenüber dem Edelmetall hat sich jedoch weltweit eingetrübt. Die spekulative Nettopositionierung bei Gold-Futures ging im letzten Monat zurück, was auf eine Kombination aus dem Abbau von Long-Kontrakten und einem Anstieg der Short-Positionen zurückzuführen ist.
Abbildung 5: Spekulative Nettopositionierung in Gold-Futures