Windkraft, Solarenergie und Elektromobilität beflügeln ETFs – Atomkraft leider auch

Im vergangenen Jahr verzeichnete der globale ETF-Markt massive Zuflüsse, mit einem Rekordvolumen von 900 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021. Damit wurde der bisherige Rekord von 500 Milliarden US-Dollar an Zuflüssen im Vorjahr pulverisiert. Dies entspricht einer Vervierfachung des Volumens im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt. Darüber hinaus verzeichnete der globale ETF-Markt auch seit Jahresbeginn erhebliche Nettozuflüsse in Höhe von bereits über 400 Milliarden US-Dollar.

Obwohl die ETF-Branche wächst und eine vielversprechende Zukunft für private und institutionelle Anleger vor sich hat, ist diese Entwicklung alles andere als einheitlich. Sowohl die geografischen Regionen als auch die Profile der Anleger und ihre Interessengebiete zeigen grosse Unterschiede im Reifegrad des ETF-Marktes.

Wachsendes Interesse an thematischen ETFs in der Schweiz
Der ETF-Markt ist in den USA am weitesten entwickelt: Das Vermögen in US-Fonds belief sich Ende Mai 2022 auf etwa 8 Billionen US-Dollar von den weltweit 9,5 Billionen US-Dollar, und die US-amerikanischen ETFs halten inzwischen mehr Geld als die indexorientierten Investmentfonds. In den USA erfreuen sich ETFs sowohl bei institutionellen als auch bei privaten Anlegern grosser Beliebtheit. Die europäische ETF-Branche hingegen wurde lange von institutionellen Anlegern dominiert, auch wenn sich dies nun ändert. Vor allem in der Schweiz interessieren sich Vermögensverwalter und Privatanleger stärker für die Branche, insbesondere für thematische ETFs. Der europäische ETF-Markt ist immer noch viel kleiner als sein amerikanisches Pendant, aber er wächst und machte Ende Mai 2022 etwa 1,5 Billionen US-Dollar aus. Dies ist besonders in der Schweiz sichtbar, wo sich das Nettovermögen in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat, da der Markt weiterhin schnell reift.

Der ETF-Markt ist in den USA am weitesten entwickelt: Das Vermögen in US-Fonds belief sich Ende Mai 2022 auf etwa 8 Billionen US-Dollar von den weltweit 9,5 Billionen US-Dollar.

Morgane Delledonne, Chief Investment Officer Europe, Global X ETFs

Der Übergang zu grüner Energie – ein wichtiger struktureller Trend
Wir stellen einen wachsenden Appetit auf thematische Produkte fest, da ETF-Anleger versuchen, sich in einem besonders schwierigen makroökonomischen Umfeld zu bewegen, in dem geopolitische Instabilität, Unterbrechungen der Lieferketten und eine anhaltende Inflation das Wirtschaftsklima kurzfristig belasten. Angesichts dieser Instabilität entscheiden sich viele Anleger sowohl in Europa als auch in den USA für eine ganzheitliche Betrachtung und konzentrieren sich auf ETFs, die sich an wichtigen strukturellen Veränderungen und langfristigen disruptiven Themen wie Cybersicherheit orientieren, um sich unter anderem gegen geopolitische Risiken abzusichern. Ein weiterer struktureller Trend, der an Boden gewinnt, ist die grüne Energiewende. Die Anleger zeigen grosses Interesse an Themen, die diese einfangen sollen, insbesondere in Europa vor dem Hintergrund einer grassierenden Energiekrise. Das Verständnis der Triebkräfte dieser strukturellen Veränderungen erweist sich als entscheidend für die Vorhersage, wie sich der ETF-Markt in den verschiedenen Märkten entwickeln wird und wie gross das Interesse der Anleger an Lösungen ist, die mit diesen Trends in Zusammenhang stehen.

Ein weltweiter Trend zum Bau neuer Kernreaktoren, mit Asien im Mittelpunkt
Länder auf der ganzen Welt setzen sich aggressive Ziele für die CO2-Neutralität, und die Themen im Zusammenhang mit dieser grünen Energiewende scheinen langfristig gut aufgestellt zu sein. Sauberere Energieformen wie Windkraft, Solarenergie und Uran – der Brennstoff für Kernkraftwerke – werden als erste profitieren. Was Uran betrifft, so ist Asien der Hauptakteur beim Bau neuer Reaktoren. China hat mit dem Bau von 18 konventionellen Reaktoren begonnen, Indien mit sechs und Südkorea mit vier. Weltweit befinden sich über 50 Reaktoren in 19 verschiedenen Ländern im Bau. Da derzeit weltweit mehr als 440 Reaktoren in Betrieb sind, stellen diese Neubauten eine bedeutende Entwicklung der Kernenergie dar. Die Themen Wind- und Solarenergie positionieren sich dank des schnellen technologischen Fortschritts vielversprechend. Der Anteil der Windenergie am globalen Energiemix hat sich seit 2010 mehr als verdreifacht, was vor allem auf die Innovation und den schnellen Kostenrückgang der zugrunde liegenden Technologien zurückzuführen ist. Noch radikaler ist es bei den photovoltaischen Solarzellen, deren Anteil am globalen Energiemix sich seit 2010 um das 22-fache erhöht hat, wenn auch von einer bescheideneren Basis aus, da die Kosten für Solarzellen und Wechselrichter aufgrund von Skaleneffekten gesunken sind. Thematische ETFs können Anlegern dabei helfen, die Unternehmen zu erfassen, die diese globalen Innovationen im Bereich der sauberen Energie anführen, und zwar ohne geografische oder sektorale Einschränkungen.

Der Anteil der Windenergie am globalen Energiemix hat sich seit 2010 mehr als verdreifacht, was vor allem auf die Innovation und den schnellen Kostenrückgang der zugrunde liegenden Technologien zurückzuführen ist. Noch radikaler ist es bei den photovoltaischen Solarzellen, deren Anteil am globalen Energiemix sich seit 2010 um das 22-fache erhöht hat.

Morgane Delledonne

Elektromobilität – ein weiterer disruptiver Trend
Die durch die Konnektivität verursachte zunehmende Digitalisierung wirkt sich auf nahezu jeden Sektor der Weltwirtschaft aus, von Kraftfahrzeugen über Online-Shopping bis hin zu Finanztechnologien. So beschleunigt sich beispielsweise die Einführung von Elektrofahrzeugen (EVs): Der Verkauf von EVs wird sich auf dem chinesischen, amerikanischen und deutschen Markt im Jahr 2021 gegenüber 2020 mehr als verdoppeln, da viele traditionelle Automobilhersteller sich verpflichtet haben, ihre Flotten im nächsten Jahrzehnt zu elektrifizieren. Tatsächlich werden EVs laut Branchenprognosen bis 2030 eine Durchdringungsrate von 36% erreichen. Die Digitalisierung verändert auch die Art und Weise, wie Verbraucher einkaufen, da das Volumen der «Jetzt kaufen, später bezahlen»-Käufe in der vergangenen Weihnachtssaison im Vergleich zum Vorjahr um rund 400% gestiegen ist. Der wichtigste Aspekt dieser erhöhten Konnektivität wird jedoch durch das aufkommende Internet der Dinge (IoT) veranschaulicht, welches die Produktion und die Lieferketten verändern wird, indem es Geräte über alle Sektoren hinweg miteinander verbindet. Mit zunehmender Konnektivität steigt auch der Bedarf an Investitionen in die digitale Infrastruktur. Zwischen 2016 und 2020 investierte die US-amerikanische Drahtlosbranche 140 Milliarden US-Dollar in die Verbesserung der Infrastruktur und baute allein im Jahr 2020 über 417’000 neue Mobilfunkstandorte. ETF-Anleger zeigten grosses Interesse an diesen Themen und entschieden sich für Investitionen in Fonds, die sie einer breiten Auswahl an kleinen und grossen Unternehmen aussetzen, die bei der Entwicklung und Verbreitung dieser neuen Technologien führend sind. Für Anleger, die sich für Kryptowährungen interessieren, können ETFs eine Anlagemöglichkeit darstellen und gleichzeitig die Sicherheit eines Produkts bieten, das an einer gut regulierten Börse gehandelt wird.

Die Voraussetzungen für eine neue Weltwirtschaftsordnung
Während der ETF-Markt in bestehenden geografischen Gebieten reift und darüber hinaus neue erreicht, werden ETF-Emittenten unbedingt unerforschte und intelligente Lösungen anbieten müssen, die thematische Produkte, Aktienerträge und Schwellenmärkte abdecken. Private und institutionelle Anleger interessieren sich zunehmend für innovative Angebote und massgeschneiderte Lösungen, die ihnen helfen, sich auf die Umwälzungen der globalen Wirtschaftsordnung in der nahen Zukunft vorzubereiten.

Hauptbildnachweis: Volkswagen