Debitkarte 2.0 – Fluch oder Segen?

Die Einführung der neuen Generation von Debitkarten hat eine hitzige Diskussion ausgelöst. Während eine Gruppe die neuen Karten als riesigen Fortschritt anpreist, ist die Euphorie bei anderen Marktteilnehmern deutlich verhaltener. Vor allem die Händler sehen mehr Nach- als Vorteile auf sich zu kommen. Doch woran liegt diese Diskrepanz und ist die Einführung neuer Debitkarten überhaupt sinnvoll?

Seit der zweiten Jahreshälfte 2020 haben die ersten Schweizer Banken begonnen die aktuellen Debitkarten (Maestro/VPay) durch die neue Generation (Visa Debit/Debit Mastercard) auszutauschen. Die bekannteste Debitkarte, nämlich die Maestro-Karte, wurde vor etwa 20 Jahren in der Schweiz eingeführt und seither nur mit der Kontaktlos-Funktion erweitert. Gleichzeitig hat sich das Kundenverhalten und damit auch die Bedürfnisse massiv verändert. Heutzutage besitzt fast jeder ein Smartphone, wir Reisen um die Welt und shoppen, aufgrund von Corona, noch mehr im Internet als zuvor. Die neue Generation der Debitkarten wird diesen Veränderungen gerecht.

Die Funktionen der neuen Debitkarten sind mit denen von Kreditkarten gleichzusetzen. Das bedeutet u.a., sie können im eCommerce eingesetzt werden; es können Reservierungen für Hotels oder Mietwagen getätigt und die Karte kann bei Abos wie Netflix oder Spotify als Zahlungsmittel hinterlegt werden. Sollte das Ablaufdatum der Karte überschritten sein, bekommt der Kunde eine neue Karte zugesendet und der Händler wird über die neuen Daten informiert. Dadurch wird sichergestellt, dass es nicht zu unerwünschten Zahlungsausfällen kommt.

Weitere Vorteile sind, dass die Anzahl der weltweiten Akzeptanzstellen im zweistelligen Millionenbereich gestiegen ist und die Karteninhaber selbst bestimmen können in welchen Ländern ihre Karte einsatzfähig ist (Geoblocking). Darüber hinaus müssen Karteninhaber ihre Karte nicht mehr physisch mit sich führen, sondern können diese digital im Wallet ihres Smartphones hinterlegen.

Letztes Jahr lag der durchschnittliche Betrag einer Kartentransaktion bei CHF 48.00, das bedeutet, dass die meisten Händler mit höheren Gebühren zu rechnen haben.

Jonas Löhr, Senior Consultant, PPI

Durch die starke Anlehnung an die Kreditkarte drängt sich die Frage auf, ob die Kreditkarte nicht überflüssig wird und sich die Kunden die Jahresgebühren sparen können. Die Antwort auf diese Frage ist davon abhängig, wie die Kreditkarte bisher genutzt wird, denn ein paar Unterschiede bleiben weiterhin bestehen. Kreditkarten werden häufig mit Reiseversicherungen oder Loyalty-Programmen wie Miles & More kombiniert. Dies wird bisher in der Schweiz nicht angeboten. Ein weiterer Unterschied ist der Abrechnungszyklus. Anders als bei Debitkarten werden bei Kreditkarten Zahlungen über einen gewissen Zeitraum gesammelt, bevor die Transaktionen als Gesamtbetrag vom Konto abgebucht werden. Will der Karteninhaber auf einen dieser Punkte nicht verzichten, behält die Kreditkarte ihre Daseinsberechtigung.

Wie zu Beginn bereits angedeutet, hat sich das Gebührenmodell für den Handel stark verändert. Bei einer Maestro-Transaktion konnte der Händler mit Gebühren von rund 25 Rappen rechnen. Bei den neuen Debitkarten können die Gebühren höher ausfallen. Grund dafür ist die Interchange-Fee. Diese Gebühr kennen wir bereits aus der Welt der Kreditkarten und ist eine umsatzbezogene, prozentuale Service-Fee, die der Händler an die kartenausgebende Bank (Issuer) zahlt. Diese liegt durchschnittlich bei rund 0.5%. Dazu kommen für den Händler die Gebühren, die er für die Transaktionsverarbeitung und Bereitstellung der Infrastruktur wie POS-Terminal zahlt. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen mit sehr vielen Kleinstbetrag-Transaktionen (bis CHF 20.00) günstiger wegkommen als bisher. Letztes Jahr lag der durchschnittliche Betrag einer Kartentransaktion bei CHF 48.00. Das bedeutet, dass die meisten Händler mit höheren Gebühren zu rechnen haben.

Die Wettbewerbskommission (WEKO) hat die Interchange-Fee genehmigt, um einen Anreiz für Banken zu schaffen, die neuen Kartenprodukte anzubieten und zu fördern. Darüber hinaus wurde beschlossen, dass nach maximal drei Jahren oder 15% Marktanteil neu über die Zukunft der Interchange-Fee entschieden wird. Denkbar wäre eine weitere Senkung analog zur EU. Dort liegt der Maximalsatz aktuell bei Debitkarten bei 0.2%.

Ob es sich bei der neuen Generation der Debitkarten um Fluch oder Segen handelt, ist stark von der Perspektive abhängig. Die Karteninhaber können sich über mehr Funktionen und eine gesteigerte Flexibilität freuen. Gleichzeitig ist es natürlich einleuchtend, dass die Händler höheren Kosten immer kritisch gegenüberstehen.

Jonas Löhr von der Cosultingfirma PPI erklärt die Vor- und Nachteile des neuen Debitkartenregimes der Banken. Bildnachweis: PPI
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