Die Reichen setzen sich ab – Wer genug Geld hat, leistet sich zusätzliche Wohnsitze

Corona beunruhigt auch die Wohlhabenden. Wer genug Geld hat, leistet sich zusätzliche Wohnsitze. Einblicke in die Welt der Superreichen.

Wer von Luxus redet, meint in der Regel teure Autos, weite Reisen, Fünf- und Sechs-Sterne-Hotels und grosse Villen. Was gerne vergessen wird, ist die Distanz zu den täglichen Umtrieben der Normalbürger. Dabei scheint «Abstand» für die Reichen dieser Welt unter den Corona-Bedingungen wichtiger denn je und sie äussert sich nicht zuletzt in der Wahl der Immobilien und Wohnorte. Vielfach leisten sich jene, die nicht auf den Franken achten müssen, in dieser unruhigen Zeit einen weiteren Lebensmittelpunkt, gerne in einem als besonders sicher geltenden Land. Das bringt einer Vielzahl von Hausangestellten, Bankern, Steuerberatern und Juristen Arbeit und Einkommen.

Zugegeben: Die im August für 38 Millionen Dollar verkaufte Ponderosa-Ranch im amerikanischen Bundesstaat Nevada, einst Drehort der Auftaktszene für die berühmte Westernserie «Bonanza», ist nicht jedermanns Sache. Aber fragen wir doch bei einem internationalen Immobilienmakler wie Engel & Völkers nach, der in mehr als 30 Ländern vertreten ist. Vorstandsvorsitzender Sven Odia nannte für den Juli in der Preisklasse zwischen zwei und fünf Millionen Euro 60 Prozent mehr Abschlüsse gegenüber dem Vorjahr. Auf Mallorca, Sehnsuchtsinsel der Deutschen, Schweizer und Österreicher, waren es sogar 75 Prozent mehr. Der Aufholeffekt nach dem Lockdown vom Frühjahr liegt auf der Hand. Und die ganz Reichen leben sowieso in einer eigenen, weitgehend krisenresistenten Welt. Nach den Worten eines Insiders bewegte sie im Sommer auf Mallorca vor allem die Frage, wo ihr Privatjet parkiert werden konnte, nachdem die 60 Plätze am Flughafen Palma total ausgebucht waren. Die Alternative hiess meist Valencia.

Weitläufigkeit ist Trumpf
Wer hat, der hat auch in Krisenzeiten und zielt auf Domizile ab zehn Millionen Euro aufwärts. Odia schreibt in seiner Medienmitteilung: «Das Coronavirus und das davon ausgehende Gesundheitsrisiko haben bei vielen Menschen den Wunsch ausgelöst, in grosszügigen Immobilien mit weitläufigen Grundstücken zu leben.» Wer dann auch von Mallorca, der Cote d’Azur oder von der Toskana aus arbeiten kann, für den verschwimmen nach den Worten Odias zunehmend die Grenzen zwischen Erst- und Zweit- oder auch Drittwohnsitzen. Preisschilder spielen für diese Klientel eine zweitrangige Rolle. In Port Andratx auf Mallorca bietet einer der Franchisenehmer von Engel & Völkers eine Villa mit 648 Quadratmetern und Meerblick für knapp 11,5 Millionen Euro an. Im exklusiven Son Vida oberhalb von Palma werden für eine Designervilla sogar 14,7 Millionen Euro aufgerufen. Allgemein sind schön gelegene Häuser gefragt, in denen sich auch Grossfamilien bequem treffen können.

Begehrte Yachten
In den Städten herrscht ein ähnliches Bild. Ob Paris, Rom oder Athen: die Nachfrage steigt, das Angebot hält kaum mit. In Zürich sieht es nicht anders aus. Dort beginnen die Preise für erstklassige Villen am Zürichberg derzeit bei 6,5 Millionen Franken. 80 bis 85 Prozent der Kunden von Engel & Völkers stammen dabei aus der Schweiz. Der Rest verteilt sich in erster Linie auf Deutsche, Franzosen und Niederländer. In einer Mischung aus Werbung und Expertise schreibt Lars Keller, Geschäftsführer Zürich Goldküste: «Der Corona-Virus hat uns allen bewusst gemacht, wie wertvoll das Daheim ist.» Ebenso scheinen die schwimmenden Wohlstandsdomizile, vulgo Yachten, gefragter denn je. Dies ist aus der entsprechenden Abteilung von Engel & Völkers zu hören. Wer dort zum Beispiel die 50-Meter-Yacht La Pellegrina chartern will, muss inklusive Besatzung 240 000 Euro pro Woche auf den Tisch legen – in der Nebensaison. Die etwa gleich lange Aresteas wird für 15,75 Millionen Euro auch zum Kauf angeboten. Distanz hat ihren pekuniären Preis, vom gesellschaftspolitischen des offenkundig wachsenden Grabens zwischen Arm und Reich gar nicht zu reden.

Der Corona-Virus hat uns allen bewusst gemacht, wie wertvoll das Daheim ist.

Lars Keller, Geschäftsführer Engel & Völkers

Manche der Superreichen verbinden den Immobilienkauf mit einer Absetzbewegung aus der unsicheren Heimat. Schon seit längerem sind Chinesen, Russen und Inder bekannt für die Suche nach Niederlassungsbewilligungen und Staatsbürgerschaften gegen die «Eintrittsgebühr» von Immobilieninvestitionen. Viele zieht es in die Karibik. Europäische Länder, darunter Malta, Zypern, Portugal und auch Griechenland, sind gleichfalls attraktiv; im Gegenzug erhalten die gut betuchten Migranten Reisefreiheit im Schengen-Raum. Kritiker argwöhnen, dass daneben Steuerhinterziehung und Geldwäsche vielfach Antriebskräfte sind.

Die Amerikaner kommen
Die wohl bedeutendste Ansiedlungsagentur für Luxus-Nomaden ist die auf Malta registrierte Henley & Partners. Für die von ihr vermittelte «Investment Migration» registrierte sie im ersten Halbjahr 2020 verglichen mit der Vorjahreszeit beinahe 50 Prozent mehr Anfragen. Henley führt dies in erster Linie auf die Pandemie zurück. Viele High-Net-Worth-Individuals (HNWI) wollen sich besser gegen die nächste Pandemie oder gegen grössere globale Umbrüche wappnen, lässt sich Henley-CEO Jürg Steffen zitieren.

Ganz vorne in den Anfragen lagen im ersten Halbjahr die Inder. Wirklich überraschend für Henley & Partners war jedoch der Boom der Interessenten aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Grossbritannien. Die Agentur führt dies darauf zurück, dass die Reisebeschränkungen in Corona-Zeiten auch jene treffen, deren Pässe den visafreien Zugang in viele Staaten rund um die Welt garantieren. Henley & Partners muss Bescheid wissen. Die Agentur lässt regelmässig die Mobilität messen, welche die Reisepässe von Staaten ermöglichen.