Biotech: An Wertschöpfung durch medizinische Innovation teilhaben

Die Biotechnologie, kurz Biotech, nutzt natürliche Prozesse, um Technologien und Produkte zu entwickeln, nicht zuletzt zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit. Seit der Entwicklung des injizierbaren Insulins zur Behandlung von Diabetes im Jahr 1982 revolutioniert der Biotech-Sektor die Behandlung von Erkrankungen. In den letzten 25 Jahren wurden mehr als 900 Produkte zur Behandlung von über 500 schweren Krankheiten zugelassen, und allein im Jahr 2020 wurden weltweit über 4,5 Billionen Dosen Medikamente an Patientinnen und Patienten verabreicht.

Bei der Behandlung von Krankheiten hat der Einsatz der sogenannten Biologika in den letzten zehn Jahren zugenommen: Sie machen mehr als ein Drittel aller seit 2010 von der zuständigen US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (US Food and Drug Administration – FDA) zugelassenen Medikamente aus. Eingesetzt werden sie unter anderem zur Behandlung von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Alzheimer. Ein wichtiger Bereich, den die Biotechnologie völlig verändert hat, ist die Krebsbehandlung. Zielgerichtete Therapien ersetzen heute zunehmend die herkömmliche Chemo- und Strahlentherapie, mit besseren Ergebnissen und oft geringeren Nebenwirkungen. In den letzten Jahren wurden zudem grosse Fortschritte bei Immuntherapien gemacht – unter anderem bei Checkpoint-Inhibitoren und der CAR-T-Zell-Therapie – die das körpereigene Immunsystem nutzen, um Krebstumore zu erkennen und zu beseitigen. Man weiss heute, dass es «den Krebs» nicht gibt. Es ist keine einheitliche Krankheit und selbst spezifische Krebsarten wie Prostatakrebs oder Leukämie sind nicht homogen. Was den Wirkmechanismus (also den biochemischen Prozess, durch den ein Medikament seine Wirkung entfaltet) betrifft, ist jede Krebserkrankung anders und erfordert eine massgeschneiderte Behandlung. So basieren bereits 70% der Krebsmedikamente, die derzeit in den USA entwickelt werden, auf der personalisierten Medizin, bei dem die individuellen Merkmale der Patientin oder des Patienten, wie etwa die DNA, berücksichtigt werden.

Der grösste Teil der Wertschöpfung findet in der Phase der Produktentwicklung statt, während der sich die meisten Biotech-Unternehmen in Privatbesitz befinden.

David Braga Malt, Themenfondsmanager, Pictet Alternative Advisors

Auch für seltene Krankheiten haben die biotechnologischen Entwicklungen wirksame Medikamente hervorgebracht. So kann etwa die Gentherapie die Heilungschancen für Kinder mit seltenen Krankheiten drastisch verbessern. 2019 wurde das erste Medikament zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie zugelassen. Die betroffenen Kinder haben Schwierigkeiten, den Kopf hochzuhalten, zu schlucken und zu atmen, und sind in ihren wesentlichen Lebensfunktionen eingeschränkt. Die meisten Kinder mit dieser Erkrankung überleben die frühe Kindheit aufgrund von Atemwegsversagen nicht. Inzwischen wurde jedoch eine Gentherapie zugelassen, die das Protein in den Motoneuronen von Kindern mit spinaler Muskelatrophie korrigiert, wodurch die Muskelbewegung und -funktion gefördert und somit auch die Überlebenschancen verbessert werden. Die Entwicklung in diesem Bereich steht gerade erst am Anfang. Es gibt noch über 7’000 seltene Krankheiten, die trotz der hohen Zahl (470) entsprechender Arzneimittelzulassungen noch nicht geheilt werden können. Biotech-Unternehmen sind Vorreiter in der Entwicklung wirksamer Behandlungen für eine Vielzahl komplexer Krankheiten. Erfreulicherweise ist die Pipeline der Biotech-Unternehmen für innovative Arzneimittel, die den hohen, nicht befriedigten medizinischen Bedarf decken sollen, gut gefüllt. Da diese Medikamente bis zur Marktreife finanziert werden müssen, sind private Märkte die treibende Kraft solcher Gesundheitsinnovationen.

Der Arzneimittelmarkt ist innovationsgetrieben. Sobald ein Produkt zur Behandlung einer Krankheit, für die es keine andere Heilmethode gibt, zum Vertrieb zugelassen ist, stellt die Marktdurchdringung daher trotz hoher Marktzutrittsschranken weniger eine Herausforderung dar. Der grösste Teil der Wertschöpfung findet also in der Phase der Produktentwicklung statt, während der sich die meisten Biotech-Unternehmen in Privatbesitz befinden. Kleinere Unternehmen entwickeln mehr als 50% der neuen Medikamente, die jedes Jahr in den USA von der FDA zugelassen werden, während die Markt-einführung der Medikamente meist von grossen Pharmaunternehmen vorangetrieben wird. Aus diesem Grund finden Anleger, die in das hochinnovative Segment der Zeitachse für Arzneimittel-investitionen einsteigen wollen, auf den privaten Märkten möglicherweise mehr Gelegenheiten als bei börsennotierten Unternehmen. Allerdings besteht im Biotech-Sektor eine stärkere Verbindung zwischen den beiden Marktseiten als in anderen Sektoren. Im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 wechselten mehr als die Hälfte aller Medikamente den Besitzer, bevor sie von den Behörden zugelassen wurden. Über 70% davon stammten von kleineren Biopharma-Unternehmen (Unternehmen mit getrennten Geschäftsmodellen für Lizenzen und Handelsverkäufe). Dieses Transfermodell von Biotech zu Big Pharma ist das Herzstück der pharmazeutischen Innovation und zentral für die Innovationsstrategien der globalen Pharmariesen. Dementsprechend sind die meisten Biotech-Unternehmen in Privatbesitz, und die Wertschöpfungsmöglichkeiten liegen im privaten Markt.

Gleichzeitig gibt es im Biotech-Sektor viele Fusionen und Übernahmen. Laut CBI erreichten diese im dritten Quartal 2021 mit mehr als 800 Fusionen und Übernahmen und einem Finanzierungsvolumen von über 36 Mrd. USD Rekordwerte. Der Sektor weist seit über zehn Jahren ein robustes und stabiles Wachstum auf. In den letzten zehn Jahren sind viele Biotech-Start-ups in Privatbesitz an die Börse gegangen, sowohl über traditionelle Börsengänge (IPO) als auch über SPAC-Börsengänge. Tatsächlich wurde in dem Sektor in den letzten acht Jahren durch Börsengänge ein Nettowert von rund 75 Mrd. USD geschaffen. Bei jenen Unternehmen, die an die Börse gingen und anschliessend übernommen wurden, konnte durch den Übernahme-prozess ein zusätzlicher Shareholder Value von 58% geschaffen werden. Dies belegt die soliden Fusions- und Übernahmeansätze, auf denen das Modell des fliessenden Transfers von Biotech zu Big Pharma basiert. Anleger, die zum richtigen Zeitpunkt einsteigen, können davon profitieren.

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