Nachholbedarf bleibt, Wachstum lässt nach

Die Wirtschaftserholung ist in vollem Gange. Das Wachstum wird sich zwar bis Anfang 2022 verlangsamen, danach aber wieder Fahrt aufnehmen.

Das Welt-BIP übertraf Mitte 2021 nicht nur das Vorkrisenniveau der Wirtschaftstätigkeit, sondern lag nur noch wenige Prozentpunkte vom Vorkrisentrend entfernt. Der Vorkrisentrend bezeichnet das Niveau der Wirtschaftstätigkeit, das vor dem Ausbruch und ohne Einbezug der Pandemie erwartet wurde. Noch im ersten Quartal dieses Jahres glaubten Wirtschaftsexperten, dass die globale Wirtschaftstätigkeit erst im Jahr 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen würde.

Der Nachholbedarf und die verzögerte Wirkung der Konjunkturmassnahmen bleiben zwar beträchtlich, doch das Wachstum wird sich bis Anfang 2022 weiter verlangsamen.

Shamik Dhar, Chief Economist, BNY Mellon Investment Management

Diese positive Überraschung rechtfertigt den Optimismus der Aktienmärkte im Jahr 2020 und in der ersten Hälfte des laufenden Jahres. Es scheint, als hätten die Märkte die Wirtschaftsentwicklung besser vorhergesagt als die meisten Prognostiker. Der S&P 500 hat zweifellos einen wirklich guten Lauf hinter sich. Er liegt aktuell rund 30% über seinem Vorkrisenniveau. Während sich die Wirtschaft insgesamt gut entwickelt hat, gab es enorme Unterschiede zwischen den Ländern. Asien und die USA lagen beispielsweise vor Europa und einigen Schwellenländern. Länder, die das Virus wirksam unterdrückt haben, sei es durch soziale Restriktionen und durch die flächendeckende Einführung von Impfstoffen, haben im Allgemeinen besser abgeschnitten. Das Wachstum im dritten Quartal scheint sich nun deutlich verlangsamt zu haben. Die Besorgnis über die Ausbreitung der Delta-Variante ist zweifellos ein Grund dafür. Nicht unbedingt, weil sie an sich gefährlicher, sondern weil sie ansteckender ist. Die Infektionsraten blieben somit hoch und die Haushalte entsprechend vorsichtig.

Langfristig gute Erholung
Was bedeutet das nun für die Finanzmärkte? Wir rechnen in unserem wahrscheinlichsten Szenario (40%) mit einer weiterhin guten Wirtschaftserholung. Der Nachholbedarf und die verzögerte Wirkung der Konjunkturmassnahmen bleiben zwar beträchtlich, doch das Wachstum wird sich bis Anfang 2022 weiter verlangsamen. Sobald die Delta-Angst und die Versorgungsprobleme nachlassen, sollte es aber wieder Fahrt aufnehmen. Dabei wachsen die Länder schneller, in denen die Impfstoffe effizient und umfassend eingeführt wurden. Der Inflationsdruck wird den Einschätzungen der Fed entsprechen und somit im Laufe des Jahres 2022 abkühlen. Mit dem Tapering – der allmählichen Rückführung der Geldmenge – beginnt die US-Notenbank im Dezember 2022. Zu Zinserhöhungen dürfte es aber bis Anfang 2023 nicht kommen. In China hält sich die Ansteckungsgefahr in Grenzen. Obwohl die Wachstumsdynamik nach wie vor negativ ist, bleiben die übrigen Schwellenländer angesichts einer stärkeren inländischen Erholung und einer lockeren Fed-Politik widerstandsfähig. Zum Jahresende hin wird der Markt die Ereignisse in China und deren möglichen Auswirkungen auf das weltweite Wachstum weiterhin aufmerksam verfolgen.

Aktien auf Kurs
Die Aktienmärkte entwickelten sich trotz des Ausverkaufs Ende September weiterhin positiv. Der Berichtsaison gilt dabei besondere Beachtung. Die Kurse werden in erster Linie von den starken Unternehmensergebnissen angetrieben und sind weniger auf eine Bewertungsexpansion zurückzuführen.

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