Vier grundlegende, durch den aktuellen geopolitischen Konflikt ausgelöste Umschichtungen

Kaum hatte sich die Welt auch nur ansatzweise von der Pandemie erholt, als auch schon die Nachwirkungen des Kriegs spürbar wurden. Die Investoren haben alle Hände voll zu tun. Unseres Erachtens ist es zu vier bedeutenden und dauerhaften Veränderungen in der Investmentlandschaft gekommen, die durch den Konflikt ausgelöst wurden.

1 – Geopolitische Risiken liegen nie in weiter Ferne
Erinnern wir uns an die geopolitische Dynamik, die zwischen 2018 und 2020 die Schlagzeilen beherrschte: Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA. Die beiden Seiten erreichten im Januar 2020 ein Handelsabkommen der «ersten Phase» – in der Tat ein Schritt in die richtige Richtung, aber keinesfalls eine umfassende Lösung in der Angelegenheit. Dass die Handelsstreitigkeiten es nicht mehr auf die Titelseiten schafften, lag nicht daran, dass sie beigelegt wurden, sondern daran, dass andere Krisen sie übertrumpften. Zwei Jahre lang war es die Pandemie. Seit Anfang 2022 ist es die Krise in der Ukraine. Die Investoren sind sich deshalb erneut bewusst geworden, dass geopolitische Risiken beim Aufbau von Portfolios zu berücksichtigen sind. Die Vorzüge historisch sicherer Anlagen wie Gold wurden bekräftigt und die Vorteile von Allwetter-Aktienfaktoren wie Qualität – die Marktvolatilität besser standhalten können – sind stärker in den Vordergrund gerückt.

2 – Vorbereitung auf eine Verschärfung der Geldpolitik
Die Frage ist nicht ob, sondern wann und um wie viel. Die Zentralbanken wurden mobilisiert und die Zinsen steigen bereits. Viele Investoren haben in ihrer beruflichen Laufbahn entweder noch nie eine solch starke Verschärfung der Geldpolitik erlebt, wie dies in den nächsten Monaten erwartet wird, oder können sich nur vage an frühere Zinserhöhungen erinnern. Ausserdem ist das Anlageverhalten anfällig für Kurzsichtigkeit. Zinserhöhungen lassen sich aber nicht ignorieren. Auch hier eröffnen sich den Investoren zwei Hauptoptionen. Die erste ist Durationsmanagement, also die Reduzierung der Zinssensibilität (und damit der negativen Auswirkungen steigender Zinsen). Viele Investoren streben nun gewinnbringende Anlagen mit niedrigerer Duration an. Im Bereich Fixed Income verlegen sich die Investoren auf variabel verzinsliche US-Anleihen (Floating Rate Treasuries), die die Duration senken, ohne das Kreditrisiko zu erhöhen. Und bei Aktien scheinen dividendenausschüttende Werte hoch in der Gunst zu stehen.

Viele Investoren haben in ihrer beruflichen Laufbahn entweder noch nie eine solch starke Verschärfung der Geldpolitik erlebt, wie dies in den nächsten Monaten erwartet wird, oder können sich nur vage an frühere Zinserhöhungen erinnern.

Mobeen Tahir, Research, WisdomTree

3 – Besserer Schutz vor Inflation
Der Krieg in der Ukraine hat für zusätzliche Inflationsschocks gesorgt. Er hat Verwerfungen in den globalen Lieferketten aufgedeckt und das Problem, das sich aus der Pandemie ergeben hat, noch verstärkt. Den Investoren wird zunehmend klar, dass eine entgegenkommende Geldpolitik allein nicht zu Inflation geführt hat und dass eine Zinserhöhung allein sie auch nicht senken wird. Höhere Rohstoffpreise, Störungen in den Lieferketten, angespannte Arbeitsmärkte und eine aufgestaute Nachfrage spielen ebenso eine Rolle. In den letzten zwölf Monaten bestand von Seiten der Investoren eine starke Nachfrage nach breiten Rohstoffen. Da steigende Rohstoffpreise ein Hauptgrund für die Inflation sind, lassen sich ihre Absicherungseigenschaften nur schwer ignorieren. Angesichts der Heterogenität einzelner Rohstoffsektoren sind breite Rohstoffe für Investoren außerdem zur Diversifizierung attraktiv – nicht nur gegenüber herkömmlichen Anlageklassen, sondern sogar auch in Körben.

4 – Beschleunigung bestimmter Megatrends
Deutschland gab vor Kurzem bekannt, seine Energiewende bis 2035 vollständig umzusetzen – 15 Jahre früher als bisher vorgesehen. Die Motivation dahinter ist zwar der Wunsch, die Energieabhängigkeit von Russland zu senken, letztendlich geht es aber um die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die Energiewende hin zu umweltschonenden Technologien wird sich nicht über Nacht vollziehen, sie kann aber in einem Moment beschleunigt werden. Und genau das lässt sich derzeit beobachten. US-Präsident Joe Biden warnte vor Kurzem davor, dass Russland als Reaktion auf die US-Sanktionen möglicherweise «böswillige Cyberaktivitäten» gegen die USA in Betracht ziehen werde. Von der Politik abgesehen dient die Warnung als Erinnerung an die Gefahren einer mangelhaften Cybersicherheit. Das Risiko von Cyberangriffen ergibt sich nicht nur aus Konflikten, es tritt dadurch nur stärker in den Vordergrund. Das Risiko ist hingegen immer dasselbe. Auf der ganzen Welt verstärken Unternehmen ihre Cyberabwehr, denn die Kosten eines Versäumnisses sind häufig eine irreparable Rufschädigung oder hohe finanzielle Schäden.

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