Credit Suisse: Das fragwürdige Medien-Geplänkel um die Personalie Gottstein

Personalentscheide sind grundsätzlich ein anspruchsvolles Unterfangen – auf allen Hierarchie-Stufen. Besonders heikel sind sie auf Stufe Senior Management, wenn es darum geht, dass sich der Verwaltungsrat mit dem obersten operativen Verantwortungsträger in einem Unternehmen, dem CEO, auseinandersetzen muss. Die Credit Suisse zeigt, wie man es nicht machen sollte.

Die Credit Suisse kommt derzeit aus bekannten Gründen nicht zur Ruhe. Zu den strategischen Fragen hinsichtlich der künftigen Ausrichtung der Schweizer Grossbank gesellt sich ein medial inszeniertes Geplänkel um den Verbleib von CEO Thomas Gottstein in seinem Amt. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Verwaltungsrat einer Bank, die aufgrund eigenen Unvermögens Milliardenverluste einfährt, auch personelle Konsequenzen in Erwägung zieht. In einer Industrie, die Verantwortungsträger mit überaus stolzen Boni belohnt, ist insbesondere das Senior Management und namentlich der CEO zu Recht nicht davon ausgenommen. Soweit so gut. Was sich allerdings derzeit bei der Credit Suisse um die CEO-Personalie abspielt, ist wenig vertrauensbildend.

Der eine wartet, bis dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.

Dante Alighieri

Natürlich kann man zum Schluss kommen, dass ein Neuanfang unter Thomas Gottstein aufgrund der offensichtlichen Missstände, die sich unter seiner operativen Leitung mutmasslich fortgesetzt haben, wenig glaubwürdig ist. Sollte das auch der neue Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse so sehen, wäre er aber gut beraten, mit offenen Karten zu spielen. Was genau António Horta-Osório und Thomas Gottstein hinter den Kulissen miteinander und in welcher Offenheit besprechen, bleibt ihr Geheimnis. Idealerweise korrelieren das gegenseitige Verständnis und die Erwartungshaltung der beiden Protagonisten in Bezug auf die operative Gesamtverantwortung der Bank. Dagegen spricht die Tatsache, dass in den angelsächsischen Medien in den vergangenen Tagen teilweise sehr pointierte Aussagen zur Qualifikation des amtierenden CEO zu lesen waren. Dabei macht es den Anschein, als wären gewisse Journalisten gezielt mit Indiskretionen versorgt worden. Kenner der Medienszene wissen: Hier müssen erstklassige Quellen aus dem unmittelbaren Umfeld der Bankspitze, als sogenannte Spin-Doktoren, am Werk gewesen sein, andernfalls wäre die betreffende Geschichte wohl kaum an die Öffentlichkeit gelangt.

Ein klares Dementi seitens António Horta-Osório in besagtem Medium ist bis heute ausgeblieben. Hingegen liess sich der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse vergangene Woche in einem Schweizer Wirtschaftsmagazin mit einem halbherzig wirkenden Commitment zur Personalie Gottstein verlauten. Nachgedoppelt hat die Credit Suisse dann am vergangenen Wochenende in der Schweizer Sonntagspresse in Form eines Doppelinterviews. Nach der Königsfrage an António Horta-Osório gleich zum Auftakt (Wollen Sie Thomas Gottstein als CEO auswechseln), die mit einem knappen «Nein» beantwortet wurde, folgte die obligate Versicherung zur Risikokultur der Bank (Tenor: alles wieder im grünen Bereich), gefolgt von einem belanglosen Geplänkel der beiden über die jeweiligen Fähigkeiten des anderen in Sachen Tennis- beziehungsweise Golfsport. Die dabei insinuierte Harmonie und völlige Übereinstimmung von António Horta-Osório und Thomas Gottstein in allen wichtigen Fragen die Bank betreffend, wirkt trotz allem irgendwie aufgesetzt und einstudiert. So richtig abnehmen mag man es zumindest dem Verwaltungsratspräsidenten nicht. Auch dürften seine jüngsten CEO-Bekenntnisse nur bedingt von der helvetischen in die internationale Finanzpresse abstrahlen. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, den Hebel an der medialen Ursprungsquelle der Gerüchte anzusetzen – oder ganz zu schweigen.

Der Schaden ist angerichtet, und der Vertrauensverlust in die Person Thomas Gottstein – sowohl in der Öffentlichkeit als auch bankintern – gross. António Horta-Osório hätte möglicherweise bessere Optionen gehabt, um «seinen» CEO in der Presse zu rehabilitieren und ihm sein uneingeschränktes Vertrauen auszusprechen, wenn ihm wirklich daran gelegen hätte. Branchenkenner wiederum mögen einwenden, dass Personalien auf dieser Flughöhe nun einmal auch medial «orchestriert» werden, zumal die Gültigkeit oder der Wahrheitsgehalt der gemachten Aussagen immer auch im Sinne einer Momentaufnahme zu bewerten sind. Sollte das tatsächlich zutreffen, bleibt eigentlich nur noch die Frage, wer zuerst die Reissleine zieht: António Horta-Osório oder Thomas Gottstein?

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