Private Debt – Transatlantische Chancen

Trotz höherer Renditen auf dem öffentlichen Markt bietet Direct Lending weiterhin attraktive Möglichkeiten.

Private Debt kann in vielen Formen auftreten, aber Direct Lending – bei dem ein privater Kreditgeber, z.B. ein Vermögensverwalter, als Ersatzkreditgeber für eine Bank fungiert – ist vielleicht die bekannteste. Während Direct Lending als Anlageklasse in den USA gut etabliert ist, hat sie sich in Europa erst nach der Grossen Finanzkrise 2008 wirklich durchgesetzt, als strengere Kreditvergabestandards dazu führten, dass sich die Banken aus dem Kreditgeschäft zurückzogen. So wie sich die Anlageklasse in Europa entwickelt hat, wächst sie nun auch in Asien, wenngleich sie sich noch in einem frühen, eher aufkommenden Stadium befindet. Weltweit machte Direct Lending im ersten Quartal 2023 einen Anteil von 48% am Fundraising aus.

Der Rückzug der Banken aus dem Kreditmarkt ist ein langfristiger Trend, der wahrscheinlich anhalten wird.

Kirsten Bode, Co-Head Private Debt, Pan Europe, Muzinich & Co.

Für Anleger kann eine Allokation mit dem Potenzial für höhere Renditen und geringere Volatilität im Vergleich zu einer Anlage in öffentliche Schuldtitel attraktiv sein. Aufgrund der Art der Darlehen handelt es sich jedoch um eine illiquide Anlageklasse. Das Kapital der Anleger kann für etwa drei bis fünf Jahre gebunden sein. Dies wird durch die höheren Renditen – die sogenannte Illiquiditätsprämie – ausgeglichen.

Besser positioniert
Der Rückzug der Banken aus dem Kreditmarkt ist ein langfristiger Trend, der wahrscheinlich anhalten wird. Für Unternehmen, die ein Darlehen für das tägliche Betriebskapital benötigen, sind Banken immer noch die bessere Wahl. Banken sind allerdings weniger daran interessiert, Kredite an Unternehmen zu vergeben, die eine Wachstums- oder Übernahmefinanzierung anstreben oder aggressive Rückzahlungen verlangen. Direct Lender sind in der Regel teurer, aber sie sind viel besser in der Lage, eine strukturierte und massgeschneiderte Lösung anzubieten. Sie können das Kapital schneller bereitstellen und bieten unter Umständen die Möglichkeit, mit dem Kreditgeber zusammenzuarbeiten und ihn bei der Transaktion zu beraten und zu unterstützen. Steigende Zinssätze haben dazu geführt, dass sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen wieder mehr Rendite einbringen. Die Renditen von Direct Lending sind jedoch aufgrund der «Illiquiditätsprämie», die Anleger für die Illiquidität der Anlage entschädigt, weiterhin hoch. Ausserdem bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, vor allem im unteren Mittelstand (Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 25 und 250 Millionen Euro). In Europa gibt es schätzungsweise über 175’000 solcher Unternehmen, in den USA fast 200’000. In beiden Regionen leisten die Unternehmen in diesem Segment einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag. Doch trotz der vielen Möglichkeiten ist der untere Mittelstand aus Sicht der Kreditgeber tendenziell unterversorgt. Dies vor allem in Europa, wo sich der Grossteil des Wettbewerbs auf die grösseren Unternehmen im oberen Mittelstand (EBITDA von ca. 25 bis 75 Millionen Euro) und auf den Large-Cap-Markt (>75 Millionen Euro EBITDA) konzentriert. Dieser Mangel an Wettbewerb bedeutet, dass die Kreditgeber zunehmend selektiv vorgehen und konservativere Strukturen und bessere Konditionen durchsetzen können.

Attraktives Investitionsmerkmal
In einer so grossen Investitionslandschaft gibt es jedoch zahlreiche Hindernisse für den Einstieg, darunter sprachliche und kulturelle Unterschiede sowie Probleme mit der lokalen Rechtsprechung. Eine Vor-Ort-Präsenz in jeder Region kann jedoch dazu beitragen, diese Risiken abzumildern. In den USA beispielsweise bieten sich Chancen in Nischensegmenten, die von der breiteren privaten Kreditgemeinschaft aufgrund ihrer Komplexität und/oder unzureichend herausgestellten geschäftlichen Stärken eher gemieden werden. Gründliche Kreditrecherchen und eine sorgfältige Due-Diligence-Prüfung sind jedoch angesichts der grossen Zahl von Möglichkeiten zur Identifizierung von Geschäftsabschlüssen, die von einer Analyse der makroökonomischen und langfristigen Trends überlagert werden, unerlässlich. Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte sehen wir weiterhin Chancen in beiden Marktsegmenten. In den USA könnte der Rückzug kleinerer Banken aus dem unteren Mittelstand (aufgrund von Bedenken hinsichtlich ihres Engagements in Gewerbeimmobilien) in Verbindung mit einem anhaltenden Bedarf an Wachstumskapital ein «Kapitalvakuum» für den unteren Mittelstand schaffen und damit die Chancen für alternative Kreditgeber erhöhen. In Europa nimmt die Mittelbeschaffung nach anfänglichem Zögern der Investoren im Jahr 2022 wieder zu, da der Anstieg der Leitzinsen zu interessanten Risiko- und Renditekennzahlen führt und die begrenzte Volatilität als attraktives Investitionsmerkmal angesehen wird. Gleichzeitig ist das Transaktionsvolumen, insbesondere im unteren Bereich des mittleren Marktsegments, gut und bietet zahlreiche Investitionsmöglichkeiten.

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