Die Notenbanken dürfen das Steuer nicht aus der Hand geben
In den letzten Jahren waren die Notenbanken die Steuerkünstler an den Finanzmärkten. Mit ihren Worten und Taten konnten sie die Märkte fast nach Belieben in die von ihnen gewünschte Richtung bewegen. Wenn es nicht anders ging, griffen sie dafür auch grosszügig zur Geldpresse.
Gegen den Willen der Notenbanken zu handeln war ein fast sicheres Verlustgeschäft. Die steigenden Inflationsraten kratzen nun aber an ihrer Unantastbarkeit. Die Finanzmärkte mucken auf und versuchen, den Willen der Zentralbanken zu testen und das Steuer zu übernehmen. Während des Übergangs zu einer restriktiveren Geldpolitik ist es aber wichtig, dass die Notenbanken die Kontrolle über die Wirkung ihrer Massnahmen nicht verlieren. Das gelingt nicht allen gleich gut.
Thomas Stucki, CIO St.Galler KantonalbankDie SNB muss aufpassen, dass sie die Kontrolle über die Währungsentwicklung, die sie sich in den letzten Jahren mit einem flexiblen, aber konsequenten Vorgehen erarbeitet hat, nicht verliert.
Fed-Präsident Jerome Powell hinterlässt einen souveränen Eindruck. Die Reduktion der Anleihenskäufe wurde kommunikativ so gut vorbereitet, dass der nun gegebene Startschuss an den Finanzmärkten keine grossen Reaktionen mehr auslöste, weder bei den Zinsen noch bei den Aktien oder dem US-Dollar. Spekulationen um vorzeitige Zinserhöhungen hat Powell im Keim erstickt. Die Fed wird mit Zinserhöhungen beginnen, sobald sie den Arbeitsmarkt als gefestigt betrachtet. Die hohen Inflationsraten von über 5% werden nicht ignoriert, lösen aber auch keine Hektik aus. Die erste Zinserhöhung der Fed wird wahrscheinlich gegen Ende 2022 erfolgen.
Von souverän bis hilflos
Die Bank of England zeigt sich vom raschen Anstieg der Inflationsrate auf 4.9% und vom Druck der Erwartungen der Analysten ebenfalls unbeeindruckt. Den Spekulationen, dass sie bereits im November den Leitzins erhöhen wird, hat sie letzte Woche eine Abfuhr erteilt. Kritisch hinterfragen muss sie aber, ob der Governor Andrew Bailey diese Erwartungen im Vorfeld mit seinen unspezifischen Aussagen zur Notwendigkeit von raschen Zinserhöhungen nicht selber befeuert hat. Lange wird die Bank of England mit der ersten Zinserhöhung nicht zuwarten. Diese dürfte noch im ersten Quartal des nächsten Jahres erfolgen. An der Kommunikationsstrategie kann sie bis dahin noch etwas feilen. Einen eher hilflosen Eindruck hinterlässt die EZB. Der Sprung der Inflationsrate im Oktober von 3.4% auf 4.1% hat die Nervosität und den Druck innerhalb der EZB offensichtlich ansteigen lassen. Fast schon trotzig hat Christine Lagarde verlauten lassen, dass die EZB entgegen den zunehmenden Markterwartungen im nächsten Jahr die Zinsen nicht erhöhen wird. Die Reaktion der Finanzmärkte folgte sofort. Der Euro wurde schwächer und die Renditen der Anleihen schwächerer Euroländer wie Italien schnellten in die Höhe.
Nichts neues von der SNB
Irgendwo dazwischen bewegt sich die SNB. Sie hat gegenüber den anderen Notenbanken den Vorteil, dass die Inflationsentwicklung in der Schweiz bisher ruhig verläuft. Die Inflationsrate steigt zwar auch, befindet sich aber mit 1.2% immer noch auf einem komfortablen und nicht beunruhigenden Niveau. Die nächste geldpolitische Lagebeurteilung der SNB ist erst am 16. Dezember. Bis dann wird sie auf ihren aktuellen Positionen beharren, dass der Franken teuer ist und die Negativzinsen für die Stabilität des Frankens notwendig sind. Sie muss aber aufpassen, dass sie die Kontrolle über die Währungsentwicklung, die sie sich in den letzten Jahren mit einem flexiblen, aber konsequenten Vorgehen erarbeitet hat, nicht verliert. Verschiedene Marktteilnehmer versuchen, den Franken stark zu reden. Das erhöht die Gefahr, dass die SNB getestet wird, ob sie wirklich bereit ist, mit zusätzlichen Interventionen eine starke Aufwertung des Frankens zu verhindern.