Revival oder nur ein kurzes Aufflackern?
Nachdem die EZB-Präsidentin Lagarde ihre Aussage vom Dezember revidiert hat und nun Zinserhöhungen in diesem Jahr angesichts der hohen Inflationsrate nicht mehr ausschliesst, ist der Kurs des Euro nach oben geschnellt. Gegenüber dem Franken ist er von unter 1.04 auf 1.06 und gegenüber dem US-Dollar von 1.11 auf 1.15 gestiegen. Die starke Bewegung hat auch damit zu tun, dass Anleger, die auf einen schwachen Euro setzten, ihre Positionen schliessen mussten, um ihre Verluste zu begrenzen.
Die EZB hat am letzten Donnerstag bei der Einschätzung der Inflationsrisiken eine 180 Grad-Kehrtwende gemacht. Wurden diese vorher als vorübergehendes Störmanöver betitelt, greift in der EZB nun die Angst vor einer Lohn-Preis-Spirale und damit vor einem lange anhaltenden Inflationsdruck um sich. Bedeutet diese Kehrtwende auch eine Trendwende nach oben für den Euro oder ist es nur ein vorübergehendes Aufbäumen?
Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler KantonalbankDass der Eurokurs zum Franken wieder in Richtung 1.10 steigen wird, ist unwahrscheinlich. Vielmehr wird der Euro wieder unter Druck geraten, da das Vertrauen in die Stabilität der Eurozone und in die Handlungsfähigkeit der EZB nicht sehr gross ist.
Dass die EZB nun Zinserhöhungen ins Auge fasst und nicht mehr aus Rücksicht auf die finanzschwachen Euroländer auf ewig an den aktuell sehr tiefen Zinsen festhalten will, ist ein positives Argument für den Euro. Die Gefahr, dass die Zinsdifferenz zum US-Dollar und zum Britischen Pfund immer grösser wird, ist dadurch geringer. Die im Vergleich zu anderen Regionen stärkeren Corona-Einschränkungen in diesem Winter bremsen die Konjunktur in der Eurozone stärker als in den USA oder in der Schweiz. Entsprechend grösser ist das Erholungspotenzial im zweiten Quartal, was auch für den Euro spricht. Der Euro kann zudem davon profitieren, dass die Milliarden aus dem EU-Aufbauprogramm fliessen, wenn die Mitgliedsländer ihre Reformziele erreichen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass in Italien Mario Draghi weiterhin das Zepter führt.
Unsichere EZB
Ob das genügt, um das Vertrauen in den Euro nachhaltig zu stärken, darf aber bezweifelt werden. Frau Lagarde hat letzte Woche an der Medienkonferenz einen unsicheren Eindruck hinterlassen. Im Gegensatz zur Fed scheint die EZB keine klare Vorstellung zu haben, wie sie auf die unerwartet hohen Inflationsraten reagieren will. Die Renditen der Anleihen der hoch verschuldeten Euroländer wie Italien steigen im Vergleich zu denjenigen der deutschen Anleihen überdurchschnittlich stark an, was eher auf ein Misstrauen als auf ein Vertrauen der Finanzmärkte in die Stabilität der Eurozone hindeutet. Sollte dieser Trend weitergehen, schränkt dies auch die Handlungsfreiheit der EZB ein, ihre Zinsen zu erhöhen. Von einer militärischen Eskalation in Osteuropa wird die Eurozone wirtschaftlich stärker betroffen sein als die USA, was sich auch negativ auf den Wert des Euro auswirken würde.
Mehr Spielraum für SNB
Nach der starken Abwertung des Euro seit dem letzten Herbst ist die in den letzten Tagen gesehene Gegenbewegung keine Überraschung. Dass der Eurokurs zum Franken wieder in Richtung 1.10 steigen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Vielmehr wird der Euro wieder unter Druck geraten, da das Vertrauen in die Stabilität der Eurozone und in die Handlungsfähigkeit der EZB nicht sehr gross ist. Zudem kann die im Vergleich zur Schweiz und auch zu den USA hohe Abhängigkeit der Inflationsrate von den Energiepreisen dazu führen, dass die Entspannung länger auf sich warten lässt. Für die SNB ist es dagegen positiv, dass sich die EZB geldpolitisch bewegt. Das gibt ihr mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer eigenen Zins- und Währungspolitik.