Die Folgen der US-Inflation und was Investoren davon halten sollen

Nach 30 Jahren gedämpfter, wenn nicht sogar suboptimal niedriger Inflation, dürfte diese in den USA für zwei bis drei Jahren deutlich über dem 2-Prozent-Ziel der Fed liegen. Was sollen Investoren von diesem neuen Paradigma halten, in dem die Inflation ein Risikofaktor ist?

Der jüngste Anstieg der Inflation sollte kein Grund zur Sorge sein. Ein gewisses Mass an Inflation ist wünschenswert, während Deflation katastrophal sein kann. Die entscheidende Herausforderung für die Fed besteht darin zu sorgen, dass die Inflation unter Kontrolle bleibt, auch wenn sie das 2-Prozent-Ziel überschreitet. Bisher sind über 70 % des Inflationsanstiegs auf eine Handvoll Quellen zurückzuführen, nämlich Gebrauchtwagen, Mietwagen, Flugtickets und Hotels. Zusammen machen sie weniger als 10 % des am Verbraucherpreisindex gemessenen Warenkorbs aus. Die Priorität der Fed ist es sicherzustellen, dass sich diese schmale Inflationsbasis nicht zu weit ausweitet. Die wichtigsten Treiber, die sie im Auge behalten sollte, sind die Unterbringungs- und Lohnkosten.

Gedämpfte Inflationswerte bei Immobilien
Die Wohnkosten werden in den USA nicht am Hauspreis, sondern den geschätzten Mietkosten für das Haus gemessen. Infolgedessen sind die Inflationswerte für Unterbringung oft gedämpfter als die tatsächlichen Hauspreise. Da die US-Hauspreise im Jahresvergleich um fast 20 % gestiegen sind, ist dies eine gute Nachricht für die Fed. Eine Umfragetechnik kann jedoch die Realität der Hauspreise, die sich letztlich in den Mietpreisen niederschlägt, nicht ausschliessen. Da die meisten Mietverträge in den USA eine Laufzeit von ein bis zwei Jahren haben, könnte ein anhaltender Anstieg der Mieten die künftigen Inflationserwartungen verändern und zu Forderungen nach höheren Löhnen führen.

Investoren sollten ihre Bestände auf Aktien prüfen, die in absehbarer Zeit Cashflows bringen können versus solche, die nur die Hoffnung auf weit entfernte Gewinne tragen.

Ron Temple, Co-Head of Multi-Asset and Head of US Equity, Lazard Asset Management

Starker Lohndruck aufgrund der Pandemie
Die wirtschaftliche Expansion, die unter Präsident Obama begann, war zwar die längste in der modernen amerikanischen Geschichte, aber selbst nach einem Jahrzehnt des Wachstums und trotz einer Arbeitslosenquote von 3,5 % war das Lohnwachstum hartnäckig niedrig. Der jetzige Aufschwung scheint anders zu sein. Eine Reihe von Faktoren, darunter sehr viel grosszügigere Arbeitslosenunterstützungen in Verbindung mit der Pandemie, haben zu einem stärkeren Lohndruck geführt. Dies ist insbesondere im untersten Quartil der Verdiener zu beobachten, selbst wenn die tatsächliche Arbeitslosenquote bei etwa 7,4 % liegt. Die nächsten sechs Monate werden darüber entscheiden, ob der Lohndruck anhält oder ob stattdessen mehrere Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner aufgrund der Schulöffnungen und dem Rückgang der Arbeitslosenunterstützung auf das Niveau von vor Covid-19 wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren.

Angebot an Arbeitskräften nimmt wieder zu
Vielen Amerikanern geht es finanziell besser als vor der Pandemie, was auf die stark gestiegenen Immobilienpreise und den Wert von Finanzanlagen zurückzuführen ist. Dies hat einigen Menschen die Möglichkeit gegeben, früher als geplant in den Ruhestand zu gehen. Auch wenn viele Amerikanerinnen und Amerikaner nach der erschütternden Erfahrung der Pandemie ihre Lebensprioritäten neu bewerten, gehe ich dennoch davon aus, dass die überwiegende Mehrheit wieder arbeiten wird, da sie nicht über die Mittel für den Ruhestand verfügt. Als Folge wird der Druck auf die Löhne wahrscheinlich nachlassen, da das Angebot an Arbeitskräften in den nächsten 6-12 Monaten zunehmen und der bereits hohen Nachfrage entsprechen wird.

Auswirkungen auf die Anlageklassen
Investoren sollten sich im Klaren darüber sein, dass wir zwar nicht mit Sicherheit sagen können, dass die Inflation in Zukunft höher sein wird, dass aber die Wahrscheinlichkeit einer solchen Möglichkeit sicherlich gestiegen ist. Wenn dies der Fall ist, ist eine sorgfältige Bewertung der Anfälligkeiten und Stärken bei der Vermögensallokation und der Wertpapierauswahl sicherlich angebracht, da eine höhere Inflation durchaus zu höheren Zinssätzen führen kann, mit erheblichen Auswirkungen auf ein breites Spektrum von Anlageklassen. An erster Stelle sollte die Allokation von festverzinslichen Wertpapieren unter die Lupe genommen werden. Die Zinssätze waren weltweit bereits vor dem Inflationsanstieg real negativ. Wenn die Inflation auf einem höheren Niveau bleibt, werden die Renditekurven wahrscheinlich steiler werden, was den Inhabern von Anleihen mit langer Laufzeit erhebliche Verluste bescheren wird.

Ein Lichtblick in der Welt der Anleihen sind Schwellenländeranleihen, deren reale Renditen positiv sind.

Ron Temple

Eine wahrscheinliche Folge der steileren Renditekurven sind höhere Diskontsätze für Aktien. Investoren sollten ihre Bestände auf Aktien prüfen, die in absehbarer Zeit Cashflows bringen können versus solche, die nur die Hoffnung auf weit entfernte Gewinne tragen. Letztere sind wahrscheinlich anfällig für höhere Diskontsätze, während erstere widerstandsfähiger sein dürften. Und schliesslich sollten Investoren in einer Welt mit anhaltender Inflation einen umfassenderen Ansatz bei der Prüfung alternativer Anlagen verfolgen, da sie wissen, dass Fremdkapital wahrscheinlich teurer wird, während einkommenserzeugende Sachwerte eine starke Inflationsabsicherung bieten könnten.

Hauptbildnachweis: Unsplash