Wenn Umweltkatastrophen das Obligationen-Portfolio belasten

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Themen wie Klimaschutz und nachhaltige Anlagen noch einmal mehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Dies hatte zur Folge, dass sowohl die Nachfrage nach wie auch das Angebot an nachhaltigen Anlagelösungen neben der Anlageklasse Aktien nun auch im Bereich der Obligationen stark zugenommen haben. Handelt es sich hierbei um einen Modetrend oder macht es auch finanziell Sinn, Nachhaltigkeitskriterien im Bereich der Obligationen zu berücksichtigen?

Die «nachhaltige» Beurteilung einer Anlage hat im Grundsatz zwei Seiten: Erstens gilt es, Umwelt- und soziale Risiken sowie solche verbunden mit der Unternehmensführung einzuschätzen. Zweitens muss man aus diesen Faktoren Opportunitäten für die Zukunft erkennen, welche zu einer Extra-Rendite führen können. Bei einer Obligation sind die Erträge in der Regel fix, weshalb das Schwergewicht bei der Beurteilung auf der Risiko-Seite liegt. Relevant ist dies vor allem, weil der Obligationenanteil im Portfolio eine Art Puffer darstellt. Dieser soll – gerade in risikoaversen Marktphasen – die Renditen stabilisieren.

Deepwater Horizon und VW-Abgasskandal als Warnung
Die Berücksichtigung der Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) ist in der fundamentalen Kreditanalyse kein Novum. Denn gerade aus diesen Bereichen können materielle finanzielle Folgen für ein Unternehmen entstehen. Im schlimmsten Fall droht sogar der Ausfall resp. Komplettverlust. Die umweltbezogenen Risiken (das «E» in ESG) haben diesbezüglich in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung gewonnen. So waren zwei der drei grössten Bussen, welche durch Unternehmen bezahlt worden sind, klimabezogen – die der BP (ehemals British Petroleum) zur Last gelegten Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010 und der Volkswagen-Dieselskandal im Jahr 2015. Die aussergerichtliche Einigung mit dem Amerikanischen Justizministerium als Folge des Erdölspills dauerte sechs Jahren und kostete BP 20,8 Milliarden US-Dollar. Gemäss Angaben von BP belaufen sich die Gesamtkosten auf 61,6 Milliarden US-Dollar. Trotz der enormen Kosten hat das Unternehmen diese Umweltkatastrophe überstanden. Doch auch lange nach der bezahlten Entschädigung bleibt die Unternehmensreputation ramponiert und das Ereignis beeinflusst die Finanzierungskosten von BP negativ.

Ein risikobewusster Investitionsansatz bringt vor allem in einem negativen Marktumfeld Vorteile, wenn die Risiken stärker in den Fokus rücken. Und er ist für Obligationen insbesondere aus der Perspektive der Krisenschutz-Funktion im Portfolio sehr sinnvoll.

VermögensZentrum

Der BP-Fall veranschaulicht, welche Auswirkung ein Umweltrisiko für den Obligationen-Anleger haben kann. Die Unsicherheit zum Ausmass der möglichen Strafzahlungen und ungeplanten Ausgaben liess die Kreditrisikoprämien (Spreads) von BP rasch ansteigen. Unmittelbar nach dem Ereignis hatten sich die Spreads von BP mehr als verzehnfacht und waren auf über sechs Prozent gestiegen. Die Zeche bezahlten auch die Obligationäre, die den Kursverlust zu tragen hatten.

Betroffene Firmen müssen sich teurer finanzieren
Der BP-Erdölspill führte zwar nicht zu einem Kreditausfall, hat aber die Finanzierungskosten von BP massiv und langfristig erhöht. Das zeigt sich beispielsweise, wenn man das Durchschnittsniveau der Risikoprämien vor und nach dem Ereignis vergleicht. Die Prämien für eine Absicherung für den Unternehmensausfall von BP (CDS Spread) nach dem Erdölspill waren im Schnitt viermal höher als davor. Die Kreditrisikoprämien von BP-Obligationen konnten sich über die Zeit erholen, kamen allerdings erst nach rund vier Jahren zurück auf den Stand von vor der Naturkatastrophe.

Kreditrisikoprämien von BP-Obligationen:

Die Grafik zeigt die Risikoprämie (in Basispunkten) zur Absicherung gegen einen Ausfall von BP, was auch als Credit Default Swaps oder CDS bezeichnet wird. Bildnachweis: Bloomberg

Das erhöhte Ausfallrisiko mündete in eine drastische Reduktion der Bonität des Unternehmens: Innert dreier Monate senkten zwei Ratingagenturen das Rating von BP um drei Stufen. Dies ist eine seltene und dramatische Entwicklung für einen ursprünglich mit AA bewerteten (drittbestes Rating) Emittenten. Die dritte Ratingagentur, Fitch, reduzierte das BP-Rating sogar um fünf Stufen.

Das Beispiel zeigt eindrücklich, wie relevant die ESG-Risiken bei der Beurteilung eines Emittenten sind. Das Beispiel verdeutlicht auch, dass auch grosse und etablierte Unternehmen diesen Risiken ausgesetzt sind. Es gilt aber auch zu erwähnen, dass die Identifikation und Quantifizierung von solchen ESG-Risiken in der Praxis sehr komplex sind. Gerade Klimarisiken, wie beim Fall von BP, treten in der Regel nur selten auf. Sie können aber einen enormen finanziellen Einfluss haben. Entsprechend schwierig ist es, die erwartete Rendite-Entschädigung zu quantifizieren.

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