Satire: Inside Bank Rupp & Cie – Executive Chair

Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Gedankenspiele ...

Eduard «Edy» Lehmann schlug die Beine übereinander und legte seine Füsse auf die klinisch saubere Schreibtischplatte. Wohlig lehnte er sich im bequemen Executive Sessel zurück und genoss die prächtige Aussicht, die sich von hier oben bot. Dann nahm er einen Schluck von seinem schwarzen Kaffee.

Auf dem See tummelten sich noch immer einzelne Segelboote, und am Horizont glänzten in der Abendsonne die Glarner-Alpen. Tödi, Bifertenstock, Piz Urlaun und so weiter und so fort – Lehmann kannte sie alle mit Namen.

Nachdem er sie aufgezählt hatte, tippte er, den Oberkörper umständlich vornübergebeugt, die Computermaus an, worauf auf den beiden grossen Bildschirmen die Real-Time-Kurse der New York Stock Exchange auftauchten. Ohne Unterbruch hüpften die Zahlen und Buchstaben von einem zum anderen Monitor.

Die Tickersymbole der börsenkotierten Unternehmen vor Augen, sinnierte Lehmann darüber, wie es wäre, die grösste Konkurrentin im Land zu übernehmen und sich mit diesem veritablen Coup an die Spitze der neuen Bank zu hieven.

«Ci-ih-ou Ed Liiiimäään», plärrte er laut in den Raum hinaus, so dass es zurückhallte.

Chief Executive Officer Ed Lehmann, das tönte doch nach etwas! Auch international!

Noch vor der Fusion würde er den einen oder anderen ausgewiesenen Spezialisten ins Management holen. Er dachte an Kummer und Conti. Auf die beiden langjährigen Kollegen war Verlass, zudem würden Conti und Kummer ihm hierarchisch nicht gefährlich werden. Dazu hatte weder der eine noch der andere das Format, wenn man die Sache nüchtern betrachtete.

Lehmann musste schmunzeln, derweil er mit dem Fuss erneut die Maus antippte.

«SMP: plus null Komma null drei Prozent», brummelte er. «APL: null Komma zwei im Minus.»

Wegen der grösseren Verantwortung würde er gleich zu Beginn einen angemessenen Bonus verlangen. Die Details müsste man noch genauer anschauen, aber unter zehn Millionen Franken würde er es mit Sicherheit nicht machen. Alleine schon nicht aus Rücksicht auf die anderen Bankenchefs.

Lohndumping betreiben, das wollte Lehmann nämlich nicht.

«Frau Schnyder», rief er, gedanklich noch immer mit den eigenen Zahlen beschäftigt, in Richtung Vorzimmer, ohne dass sich etwas tat. Auch sein zweiter, etwas lauterer Appell blieb ungehört.

«Zum Kuckuck! ES.IST.NICHT.ZU.GLAUBEN!», schimpfte er und schüttelte dabei heftig den Kopf. Er hätte Frau Schnyder in diesem Augenblick gerne angerufen und sie stante pede ins Büro zurückbeordert.

Darauf wechselte er die Position der übereinandergeschlagenen Beine und nahm zur Beruhigung einen weiteren Schluck von seinem mittlerweile lauwarmen Kaffee.

Frischen Kaffee gab es jetzt natürlich auch nicht.

«Kaum zu fassen ...», wetterte er nochmals aufgebracht. Dann warf er den leeren Becher punktgenau in den Papierkorb.

Aus Gründen der Effizienz würde er für die neue Mega-Bank als erstes einen Privatjet anschaffen. Er dachte an einen Gulfstream G450 oder etwas Ähnliches. Auf alle Fälle ein komfortables, geräumiges und rassiges Flugzeug, in dem man auch noch ein paar Gäste mitnehmen könnte. Silvia und die Kinder, und für diesen oder jenen Fussballmatch auch mal ein paar Freunde oder Nachbarn.

Ausserdem brauchte er einen belastbaren Stellvertreter, der während seinen ausgedehnten Geschäftsreisen das Ärgste auffinge. Arbeitstechnisch und natürlich auch haftungsmässig. Er dachte sofort an Sulzer. Benjamin «Beni» Sulzer, den Leiter der Lohnbuchhaltung, den mochte er wirklich nicht.

«Blöder Wichtigtuer», sprach er zu sich selbst, ohne weiter darauf einzugehen.

Und auf ein grösseres Office mit unverbaubarem Blick auf die Stadt würde er als neuer Firmenchef ebenfalls bestehen. Und auf einen grösseren Sessel selbstverständlich auch. Lehmann schwebte ein beigeledriger Executive Highback Chair vor, ähnlich dem Modell, das zwei Türen weiter vorne in Spalingers Büro stand.

Halt einfach ein bisschen grösser und teurer.

Apropos grösser: Eine schlagkräftige Stabsorganisation dürfte freilich auch nicht fehlen. Die Damen und Herren Stabsmitarbeiter könnten ihm auch die eine oder andere private Angelegenheit abnehmen: Reifenwechsel, Kindergeburtstage, Ferienbuchungen sowie kleinere Botengänge. Nur so als Beispiel.

Das Gedankenspiel gefiel ihm. Mit seinen Phantasien beschäftigt, löste er am Executive Sessel die Arretierung. Halb liegend und mit geschlossenen Augen spielte er weitere innovative Management-Ideen durch, ehe er vollends einnickte

Es war rund eine halbe Stunde später, als Edy Lehmann aus seinem intensiven Power Nap erwachte und mit Hilfe seiner Taschenlampe versuchte, sich in der Dunkelheit von COO Meiers Büro zurechtzufinden. Den Lichtstrahl zunächst auf die gepolsterte Tür gerichtet und danach auf seine Armbanduhr, stiess er einen deftigen Fluch aus.

Dann zwängte sich der Security-Mann aus dem Sessel, schlüpfte hastig in seine Schuhe und setzte den allabendlichen Kontrollgang auf der Chefetage fort.