Renditen auf Talfahrt
Wie die Touristen in der Rigibahn sind die Renditen der langfristigen Anleihen im Herbst 2023 stetig höher aufgestiegen und schlussendlich auf dem Gipfel angekommen. Anders als erwartet (und im Fall eines Ausflugs auf die Rigi zu empfehlen), sind die Renditen nur kurz oben geblieben und haben im November bereits die Talfahrt angetreten.
Hintergrund sind die überraschend geringen Inflationszahlen, die eine Entspannung der Leitzinsen andeuten. Ob die Zentralbanken die Zinsbremse aber wirklich so schnell und so umfangreich lösen, wie die Märkte aktuell erwarten, bezweifeln wir. Die «Samichlaus-Rally» der Aktienmärkte hat Ende 2023 an Fahrt verloren; der Jahresstart fiel durchzogen aus. Und auch die Obligationenkurse basieren mittlerweile auf sehr viel Zinsoptimismus.
Dennoch deutet alles darauf hin, dass die Zinsen im Jahresverlauf sinken werden. Aus mittel- und längerfristiger Sicht schauen wir also auf eine Wirtschaft mit tieferen Zinsen, was Aktien- und Obligationenanlagen entgegenkommt. Gleichzeitig sind von der Konjunktur wenige Impulse zu erwarten. Dennoch bleiben die Gewinnaussichten der Unternehmen verhalten optimistisch.
Thomas Rühl, Chief Investment Officer, Schwyzer KantonalbankOb die Zentralbanken die Zinsbremse aber wirklich so schnell und so umfangreich lösen, wie die Märkte aktuell erwarten, bezweifeln wir.
Insbesondere in den USA zeigt sich derzeit ein bemerkenswertes Phänomen: Konsumenten und Unternehmer klagen in Umfragen über einen schwachen Wirtschaftsgang und schwindende Haushaltsbudgets. Derweil zeigen praktisch alle Indikatoren an, dass die US-Wirtschaft so gut lief wie noch selten. Die Löhne steigen und der Wohlstand liegt auch teuerungsbereinigt höher als vor der Pandemie. Dies macht deutlich: Die gefühlte Konjunktur entspricht nicht unbedingt der gemessenen.
Abstrakte Phänomene wie Inflation sind ausserdem nur schwer zu verstehen. Einzelbeispiele, etwa ein Preisaufschlag für den Kaffee im Restaurant, vermitteln auch bei einer Vielzahl von Beobachtungen nicht immer ein unverzerrtes Bild. Aus Sicht der Finanzanalyse versuchen wir natürlich, unsere Anlageempfehlungen möglichst objektiv abzustützen. Gleichwohl sollten wir die wahrgenommene Konjunktur nicht ignorieren: Schon mancher Wahlkampf oder Anlage- und Geschäftsentscheid ist daran gescheitert, Stimmungen zu unterschätzen.
Wir in unserem Hauptszenario für 2024 optimistisch und rechnen damit, dass die Wirtschaft sanft landet. Obschon das Bruttoinlandprodukt in den wichtigsten Märkten wohl schwächer wächst, sind zu erwartende Zinssenkungen und Renditerückgänge gute Nachrichten für die Aktien- und Obligationenmärkte. Wir bleiben bei Aktien daher übergewichtet und bevorzugen langfristige Anleihen.