Geburten-Knick mit Langzeitfolgen
Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur sorgen selten für Schlagzeilen. Sie haben sehr langfristigen Charakter und können durchaus auch etwas langweilig wirken. Kürzlich hat jedoch eine Meldung aufgeschreckt: Der Einbruch der Geburtenraten auf ein Rekordtief.
In der Schweiz des 19. Jahrhunderts hat eine Frau durchschnittlich über vier Kinder zur Welt gebracht. Bis in die 1930er-Jahre ist der Wert zurückgegangen. Ab 1940 folgte der «Baby-Boom» mit Raten von über 2.5 Kindern pro Frau, der dann mit dem «Pillenknick» in den 60er-Jahren ein Ende fand. Seither lag die sogenannte Fruchtbarkeitsziffer ziemlich konstant bei rund 1.5 Kindern pro Frau.
Thomas Rühl, Chief Investment Officer, Schwyzer KantonalbankIndustrie- und Pflege-Roboter, selbstfahrende Taxis, künstlich intelligente Callcenter und andere technische Lösungen sind gefragt.
Die Covid-Pandemie sorgte für ein kleines Zwischenhoch. Seit 2022 ist die Ziffer jedoch stark rückläufig: 2024 lag der Wert erstmals unter 1.3 Kindern pro Frau, Tendenz weiter sinkend. Die Schweiz ist damit in bester Gesellschaft: In praktisch allen Industrieländern liegt die Geburtenzahl deutlich unter der «Ersatzrate» von 2.1, die die Bevölkerung stabil hält. Und praktisch überall lässt sich auch der jüngste Knick ab 2022 feststellen. Die gesamte Weltbevölkerung wächst weiterhin, aber langsamer. Als mögliche Ursachen werden die sozialen Medien, der Homeoffice-Trend und ein sinkendes Bedürfnis nach festen Beziehungen genannt. Einzelne Länder bieten Gegensteuer. So locken etwa in Russland und Singapur Geburtsprämien in der Höhe mehrerer Monatslöhne.
Für Anleger löst der Geburten-Knick kaum Handlungsbedarf aus. Gleichwohl sorgt er für spannende Veränderungen: Vielerorts stehen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. In Ländern wie der Schweiz flexibilisiert die Zuwanderung das Arbeitsangebot, sorgt jedoch auch für politische Debatten und eine hohe Wohnnachfrage. In China oder Japan bieten Migrationsströme nicht genügend Nachwuchs. Arbeitsintensive Tätigkeiten verschwinden oder werden automatisiert. Industrie- und Pflege-Roboter, selbstfahrende Taxis, künstlich intelligente Callcenter und andere technische Lösungen sind gefragt. Ausserdem steigen die Herausforderun gen für die Rentensysteme. Privates Sparen und Anlegen gewinnt an Bedeutung. Die Konsumnachfrage und der Bedarf an Wohnraum und Mobilität verändern sich.
In unserer Anlagetaktik zielen wir auf die nächsten drei bis sechs Monate ab und beachten die kurzfristigen Trends. Wir bleiben derzeit zuversichtlich und behalten die Übergewichtung der Aktien bei. Weiterhin setzen wir dabei vor allem auf die Eurozone und die Schwellenländer.