Dem Kapitalmarkt fehlt es an Instrumenten für die Dekarbonisierung in Lateinamerika

Begrenzte politische Ambitionen und mangelnde Finanzierung durch den Privatsektor haben schnellere Fortschritte bei der Dekarbonisierung in Lateinamerika verhindert, wie eine aktuelle Studie besagt. Der «Janus Henderson Latin America Decarbonisation Report» analysiert die Dekarbonisierungsbemühungen in Mexiko, Zentralamerika, der Karibik sowie Südamerika anhand dreier Kennzahlen: erneuerbare Energien als Prozentsatz des gesamten Energiemixes, Emissionen von Klimaanleihen als Prozentsatz der gesamten Anleiheemissionen und Netto-Null-Zieltermine.

Die Mehrzahl der grösseren Länder der Region hält zumindest im Prinzip am Netto-Null-Ziel für 2050 fest. In einigen Fällen werden die natürlichen Ressourcen der Länder bereits zur Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt. Weitere Investitionen in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgen ebenfalls in der Region, wobei auf bestehenden Projekten aufgebaut und neue Kapazitäten geschaffen werden. Einige der kleineren Länder – wie Haiti, Guatemala und Uruguay – erzeugen einen beträchtlichen Teil ihrer Energie aus erneuerbaren Energien, was entweder auf umfangreiche multilaterale Unterstützung oder auf langfristige strategische Pläne zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stabilität zurückzuführen ist. Acht der 43 Länder, die in die Analyse einbezogen wurden, haben sich nicht zu Netto-Null bis 2050 verpflichtet, darunter Mexiko und Venezuela.

Eine koordinierte Antwort auf die grüne Finanzierung auf einer regionenübergreifenden Ebene wäre eine Lösung, die wirklich Veränderungen bewirkt, um grüne Finanzmittel nach Lateinamerika zu locken.

Paul LaCoursiere, Global Head of ESG Investments, Janus Henderson

Weitreichende Netto-Null-Verpflichtungen haben jedoch noch nicht zu einer nennenswerten Nutzung klimarelevanter Kapitalmarktfinanzierungsinstrumente, wie etwa Green Bonds, geführt. Bislang sind Netto-Null-Ziele ein notwendiges Signal der politischen Absicht, aber noch keine hinreichende Bedingung für die umfangreiche Finanzierung von Dekarbonisierungsinitiativen durch die Finanzmärkte. Nur zwölf der 43 in die Analyse einbezogenen Länder haben bisher CO2-Anleihen ausgegeben. An erster Stelle steht Chile (9 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Brasilien (8,7 Milliarden US-Dollar) und Mexiko (3,8 Milliarden US-Dollar).

Das Emissionsvolumen von Klimaanleihen ist im Verhältnis zur Grösse der Region gering
Der Gesamtwert der Klimaanleihen in Lateinamerika beläuft sich derzeit auf 45 Milliarden US-Dollar bezogen auf elf Länder (Stand: Ende 2021). Dies ist für die Region im Vergleich zur Gesamtgrösse des globalen Marktes für Klimaanleihen, der sich derzeit auf über 1 Billion US-Dollar beläuft, gering. Die begrenzte Emissionstätigkeit in Lateinamerika ist darauf zurückzuführen, dass die staatlichen Emittenten in der Region nicht die Führung übernommen haben. Das hemmt eine umfassendere Einführung von Klimaanleihen durch Unternehmensemittenten. Nur Chile hat bisher konsequent grüne Staatsanleihen emittiert (obgleich Länder wie Mexiko und Ecuador ähnliche Nachhaltigkeitsanleihen begeben haben). Und obwohl in Ländern wie Chile und Kolumbien bereits mehrere Grossprojekte laufen und weitere hinzukommen, bleibt der investierbare Projektpool im Vergleich zu anderen Regionen der Welt, insbesondere in Asien, begrenzt.

Widersprüchliche Strategien führen zu Marktfragmentierung
Wenn die lateinamerikanischen Länder durch mehr Emissionen von Klimaanleihen in die Lage versetzt würden, die Kapitalmärkte zu nutzen und die Finanzierungslücke zu schliessen, könnten bessere Finanzierungsmechanismen zur Verfügung stehen. Politische Massnahmen sind erforderlich, um den Prozess zu unterstützen und zu erleichtern. Derzeit haben die einzelnen Märkte aber unterschiedliche Strategien und Rahmenbedingungen für Klimaanleihen. Dies führt zu einer Fragmentierung des Marktes, zu Liquiditätsengpässen und schafft Hürden für die Beteiligung internationaler Investoren an der Emission von Klimabonds. Die Regierungen in ganz Lateinamerika haben eine klare Rolle bei der Energiewende zu spielen und sollten einen einheitlichen Rahmen und eine einheitliche Strategie schaffen, um Investitionen in grüne Projekte anzuziehen.

Forderung nach einem koordinierten umweltpolitischen Rahmen für die Regierungen Lateinamerikas
Janus Henderson Investors setzt sich für eine koordinierte Vorgehensweise ein. Konvergente und konsistente Regeln und Regularien, die von den Regierungen festgelegt werden – von technischen Standards bis hin zur Regulierung kohlenstoffintensiver Aktivitäten – würden als Katalysator für eine schnellere Dekarbonisierung auf überregionaler Ebene wirken. Dies würde auch den Erfolg der 2050-Netto-Null-Verpflichtungen erhöhen und die Emission grüner Anleihen beschleunigen. So könnte der wachsende Pool an zweckgebundenen Vermögenswerten angezapft werden, die ein ausdrückliches Mandat haben, im Einklang mit Nachhaltigkeitsgrundsätzen und klimaorientierten Investitionen zu investieren.

Der komplette «Janus Henderson Latin America Decarbonisation Report» findet sich hier.

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